Performance von Wandelanleihen weiterhin unterstützt
Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2023
Globale Wandelanleihen schnitten im zweiten Quartal 2023 erneut gut ab. Arnaud Brillois, Portfoliomanager/Analyst bei Lazard Asset Management und Leiter des Global Convertible-Teams, führt dies auf die Sektorexponierung der Assetklasse, ihre Aktiensensitivität und ihre konvexen Anleihestrukturen zurück. Auch mit Blick auf die kommenden Quartale ist er für Wandelanleihen positiv gestimmt: „Wir glauben, dass das derzeitige Umfeld die Performance von Wandelanleihen weiterhin unterstützen wird.“
Für eine positive Performance von Wandelanleihen in den nächsten Quartalen spricht aus Sicht des Experten zum einen der Sektormix, der der Assetklasse zugrunde liegt. „Wandelanleihen werden häufig von kleinen bis mittelgroßen Growth-Unternehmen begeben und die besonders zinssensiblen Growth-Sektoren könnten in den nächsten Quartalen davon profitieren, dass sich der aktuelle Zinserhöhungszyklus wahrscheinlich seinem Ende nähert“, erklärt Brillois. Zum anderen stellt er klar, dass die starke Rallye der globalen Aktienmärkte in diesem Jahr vor allem von einer Handvoll Mega-Cap-Technologieaktien angetrieben worden sei, die nicht im Universum der Wandelanleihen zu finden seien. Wachstumswerte mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung – die deutlich häufiger Wandelanleihen emittieren würden – hätten hingegen erst gegen Ende des zweiten Quartals begonnen, eine Aufwärtsdynamik zu entwickeln. „Wir glauben, dass viele dieser Unternehmen, die weniger empfindlich auf wirtschaftliche Wachstumsfaktoren reagieren, weiterhin robuste Unternehmensergebnisse vorlegen werden“, so der Experte. „Das macht sie aus unserer Sicht für Anleger attraktiv.“
Wandelanleihen gäben Anlegern zudem Exposure zu Unternehmen, die vom Aufschwung nach der Corona-Pandemie profitieren. Diese Recovery-Titel hätten die Markterwartungen im zweiten Quartal erneut übertroffen. Ein Grund dafür sind nach Ansicht Brillois die anhaltenden Engpässe zwischen Angebot und Nachfrage. Diese hätten der finanziellen Leistung und Rentabilität dieser Unternehmen erneut Rückenwind gegeben. Zudem könnten viele dieser Unternehmen für die kommenden Quartale gut gefüllte Auftragsbücher vorweisen. „Für die Quartalsergebnisse dieser Unternehmen dürfte die Rückkehr zur vollen Kapazität nach der Corona-Pandemie in den kommenden Quartalen wichtiger sein als die Befürchtungen hinsichtlich einer Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums“, so die Einschätzung Brillois. „Auch die Wiedereröffnung Chinas – wenn sie auch anfänglich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist – könnte eine Quelle der Unterstützung für globale Recovery-Titel sein, insbesondere in der Luxusgüter- und Reisebranche.“
Hinzu komme, dass Wandelanleihen als Anlageklasse im Vergleich zu breit angelegten Aktien- und Unternehmensanleihenindizes nur minimal in Banken, Gewerbeimmobilien und anderen Finanzwerten engagiert seien. „Sollte der Finanzsektor mittelfristig weiterhin mit erhöhten Risiken zu kämpfen haben, dürfte sich diese Untergewichtung als Vorteil erweisen“, sagt Brillois.
Mit einer Neigung zu zinssensiblen Wachstumswerten und Recovery-Titeln ergibt sich aus Sicht Brillois ein im aktuellen Umfeld günstiger Sektormix. Die nach wie vor vorteilhafte Angebots-Nachfrage-Dynamik könne zu einer Outperformance der dieser Anlageklasse zugrunde liegenden Aktien führen.
Für Wandelanleihen spricht aus Brillois Sicht zudem deren defensiveres Kreditrisikoprofil. Dieses dürfte der Assetklasse in Zeiten der Kreditunsicherheit einen zusätzlichen Puffer verschaffen, insbesondere in Verbindung mit niedrigeren Gesamtzinsen. Brillois und sein Team erwarten, dass die Entwicklung der Zinssätze in den kommenden Quartalen weiter aktienfreundlich sein wird. Allerdings könnten die Sorgen um die Kreditvergabe zunehmen, sollte der Bankensektor seine Kreditvergabepraxis verschärfen und sich das Wirtschaftswachstum in den USA und Europa verlangsamen. „Aufgrund der günstigen Branchenzusammensetzung bei Wandelanleihen mit einer Präferenz für Wachstumsunternehmen und im Durchschnitt weniger komplexen Bilanzen sind wir der Ansicht, dass Wandelanleihen wieder ein defensiveres Engagement in Bezug auf Creditrisiken bieten könnten – so wie dies schon in der Vergangenheit in unruhigen Zeiten der Fall war“, sagt der Portfoliomanager. Darüber hinaus würden Wandelanleihen im Vergleich zu ähnlich bewerteten Nominalanleihen bereits mit einem erheblichen Abschlag gehandelt. Auch dies könnte die Assetklasse in Stressphasen ein zusätzliches Polster verschaffen.
Obwohl Wandelanleihen sich im zweiten Quartal gut entwickelt hätten, seien ihre Anleihestrukturen weiterhin günstig. „Viele Growth-Wandelanleihen bieten immer noch attraktive Renditen, wobei fast 50 % der Wandelanleihen aus dem Technologiesektor mehr als 5 % pro Jahr versprechen“, sagt Brillois. In diesen Anleihen sei immer noch ein gewisses Aktienengagement zu finden, das bei einer Aktienrallye als zusätzliche Renditequelle dienen könne. „Diese aus historischer Sicht seltene Konstellation bedeutet auch, dass Wandelanleihen im Durchschnitt relativ nahe an ihrem Bond Floor liegen, was in Zeiten eines Risikoabbaus oder höherer Volatilität einen wichtigen Schutz nach unten bietet“, erklärt Brillois. Abschließend hält er fest: „Wandelanleihen sind und bleiben aus unserer Sicht eine attraktive Möglichkeit, an Aktienerholungen zu partizipieren und gleichzeitig die Abwärtsrisiken in volatilen Zeiten zu reduzieren.“
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Eine starke Marke setzt sich durch
Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2023
Das Bad Homburger Multi Asset-Investmenthaus FERI treibt die Fokussierung auf die Marke voran und passt infolgedessen seine Organisationsstruktur an: Die FERI Trust GmbH wurde in FERI AG umbenannt. Sie bildet gemeinsam mit den beiden Auslandsgesellschaften in Luxembourg sowie in der Schweiz den Kern der FERI-Gruppe. „Mit diesem Schritt möchten wir unser Unternehmen noch effizienter aufstellen und für die Zukunft positionieren“, sagt Marcel Renné, Vorsitzender des Vorstands der FERI AG. Ziel sei es, die DNA von FERI als Multi Asset-Investmenthaus nach innen und nach außen noch stärker in den Vordergrund zu stellen.
Die Leitung der FERI in der neuen Struktur wird über das Management Committee umgesetzt. Diesem Gremium gehören neben den Vorständen auch die Bereichsvorstände für die einzelnen Kundensegmente und Geschäftsfelder sowie Vertreter der Auslandsgesellschaften an.
Mitglied im Vorstand der FERI AG ist seit 1. Juli Marcus Brunner, der bereits seit 2016 als Head of Finance und Geschäftsführer für FERI tätig war. „Wir freuen uns sehr, dass Marcus Brunner das Vorstandsteam als Chief Operating Officer ergänzt und die Verantwortung für die wichtigen Bereiche Finance & Operations übernimmt“, sagt Dr. Uwe Schroeder-Wildberg, Vorsitzender des Aufsichtsrats der FERI AG und des Vorstands des MLP-Konzerns. Bis zu seinem Eintritt bei FERI war Marcus Brunner mehr als zehn Jahre Leiter Konzernrevision bei MLP. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der TH Nürnberg und absolvierte berufsbegleitend einen MBA an der Mannheim Business School und der ESSEC Business School in Paris.
Weitere Vorstandsmitglieder der FERI AG sind Dr. Marcel V. Lähn (CIO) sowie Marcel Renné als CEO. Dr. Heinz-Werner Rapp leitet als Gründer weiterhin das FERI Cognitive Finance Institute.
Vor dem Hintergrund der Nachricht über die Umbenennung der FERI Trust GmbH in FERI AG und der Fokussierung auf die Marke FERI als Multi Asset-Investmenthaus könnte argumentiert werden, dass es ein Fehler der Berliner „Scope Group“ war, beim Erwerb der FERI EuroRating Services nicht auch den Namen „FERI“ zu erwerben. Hier sind einige Gründe dafür:
Die Umbenennung der FERI Trust GmbH in FERI AG deutet darauf hin, dass das Unternehmen seine Markenidentität aus guten Gründen stärken möchte. Der Name „FERI“ wird nun als primäre Marke sowohl intern als auch extern hervorgehoben. Wenn die FERI EuroRating Services ebenfalls den Namen „FERI“ beibehalten oder sogar exklusive Rechte am Namen erworben hätten, wäre die Markenidentität und -konsistenz gestärkt worden, was zu einer besseren Wahrnehmung und Positionierung des Unternehmens am Markt geführt hätte.
Der Name „FERI“ hatte schon damals, bei Erwerb der FERI EuroRating Services, bereits eine internationale Bekanntheit und Reputation in der Branche. Der Erwerb des starken Markennamens hätte dazu beigetragen, die Wiedererkennung und Einprägsamkeit des Unternehmens als Kompetenzträger zu erhöhen.
Die Verwendung des stärkeren Markennamens hätte auch zu einer erhöhten Effizienz führen können, da weniger Aufwand für die Verwaltung und den Schutz des neuen Markennamens „Scope Ratings“ erforderlich gewesen wäre. Noch heute erinnern sich viele Marktteilnehmer an die Klagen von Geschädigten, für die sich der Name „Scope“ mit Fehlentscheidungen und Verlusten verbindet.
Darüber hinaus hätten sich Kosten für Marketing- und Werbemaßnahmen reduziert, da die Markenbekanntheit der FERI bereits etabliert war. Stattdessen blieben durch die Integration in „Scope Ratings“ die Belastungen aus der Vorgschichte der Berliner Ratingagentur in Erinnerung und die Reputation des starken Namens der FERI ging der Ratingagentur in Berlin verloren.
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Aktienmärkte im Aufwind: Ausblick und Anlagestrategie von Eyb & Wallwitz
Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2023
Nach einem turbulenten Vorjahr haben sich die Kurse an den Finanzmärkten im ersten Halbjahr 2023 teils deutlich erholt, insbesondere im Bereich der Big Tech-Unternehmen. Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Eyb & Wallwitz, erklärte diese Erholung damit, dass die Erwartungen zum Jahreswechsel 2023 einseitig und negativ waren. Doch trotz dieser positiven Entwicklung mahnt Eyb & Wallwitz zu einem kühlen Kopf und rät Anlegern, ihr Portfolio in Richtung einer „kontrollierten Offensive“ auszurichten.
Die aktuelle Einschätzung des unabhängigen Vermögensverwalters zeigt, dass die konjunkturelle Korrektur noch anhält und der Tiefpunkt voraussichtlich zum Jahreswechsel 2023/24 erreicht wird. Während die US-Wirtschaft ein Soft Landing mit einem moderaten Wachstum von etwa 1% erwartet, prognostiziert Eyb & Wallwitz für Europa ein negatives Wachstum von insgesamt etwa 1% im Jahr 2023.
Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Entwicklung verstärkt Eyb & Wallwitz ihre defensive Ausrichtung und nutzt Konsolidierungsphasen für aktive Investitionen in Unternehmen, die von langfristigen Wachstumstrends profitieren, insbesondere in den Bereichen digitale Welt und demografischer Wandel.
Die Anlagestrategie des Vermögensverwalters fußt auf zwei zentralen Überzeugungen: der säkularen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und der nachlassenden Dynamik des globalen Konjunkturzyklus. In einer Welt mit niedrigem Wachstumspotenzial und geringer Konjunkturzyklus-Amplitude sind laut Eyb & Wallwitz jene Bereiche der Wirtschaft interessant, die sich von diesen Entwicklungen abkoppeln können. Dabei dominieren mittelfristig die säkularen Wachstumstrends die Entwicklung an den Kapitalmärkten, während zyklische Risiken oder Investitionen in die Gesamtwirtschaft an Bedeutung verlieren.
Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführender Gesellschafter und Lead Portfoliomanager von Eyb & Wallwitz, betont die Bedeutung der richtigen Aktienselektion. Dabei setzt der Vermögensverwalter auf eine Mischung aus „Monopolisten“ und „Herausforderern“. Beispiele für Monopolisten sind Unternehmen wie Palo Alto, führender Anbieter für IT-Netzwerksicherheit, und Icon, ein Unternehmen für Auftragsforschung im Pharmabereich. Als Herausforderer gilt beispielsweise Mercado Libre, führender Anbieter im E-Commerce und digitalen Zahlungsdiensten in Lateinamerika, der den stationären Handel in der Region herausfordert.
Die Anlagestruktur von Eyb & Wallwitz bleibt weitgehend unverändert, wobei Aktien neutral gewichtet sind. Die Experten betonen die Bedeutung einer „kontrollierten Offensive“, die eine stabile Defensive aus traditionellen Staatsanleihen aus dem Euro-Raum und US-Treasuries beinhaltet. Besonders interessant sind derzeit Euro-Anleihen aufgrund ihrer negativen Korrelation zu Aktien, wobei Eyb & Wallwitz längere Laufzeiten in den USA und kürzere bis mittlere Laufzeiten im Euro-Raum bevorzugt. Der Risikofaktor „Duration“ erlebt nach jahrelanger Bedeutungslosigkeit eine Renaissance, da die favorisierten säkularen Wachstumstrends je nach ihrem Reifegrad durchaus schwankungsanfällig sein können.
Hinsichtlich der Zinspolitik gehen die Experten davon aus, dass die US-Notenbank (FED) trotz des robusten Arbeitsmarkts den Disinflationstrend beibehalten wird, was zu einer Kerninflation von etwa 3% bis 4% zum Jahresende führen dürfte. In Europa hingegen verläuft dieser Prozess zäher, und die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich bis in den Herbst eine falkenhaftere Rhetorik beibehalten. Der Zinsgipfel in Europa dürfte bei etwa 4% liegen und somit deutlich über dem langfristigen neutralen Niveau.
Abschließend betont Eyb & Wallwitz die Bedeutung einer ausgewogenen Anlagestrategie, die auf langfristige Wachstumstrends setzt und gleichzeitig defensiven Schutz bietet. Die konsequente Ausrichtung auf säkulare Wachstumstrends soll Anlegern helfen, Schwankungen im Konjunkturzyklus erfolgreich zu bewältigen und langfristig von den Chancen der Märkte zu profitieren.
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Spekulation um das EZB-Zinshoch: Steigende Rezessionsgefahr im Euroraum
Von Dr. Oliver Everling | 27.Juli 2023
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat kürzlich den Euro-Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent angehoben, während der Spitzenrefinanzierungszins nun bei 4,50 Prozent und der Einlagenzins bei 3,75 Prozent liegen. Diese Zinserhöhung geht einher mit dem schrittweisen Abbau der Wertpapierbestände, die im Rahmen des „APP“-Aufkaufprogramms von der EZB angehäuft wurden. Gleichzeitig werden die Tilgungszahlungen aus dem „PEPP“-Aufkaufprogramm bis Ende 2024 weiter reinvestiert, wodurch die EZB eine bedeutende Rolle im Euro-Kapitalmarkt mit erheblicher Manipulationskraft für die Euro-Zinsen beibehält.
Eine wichtige Maßnahme, die von der EZB ergriffen wurde, besteht darin, die Verzinsung der Mindestreserven, die die Euro-Banken bei der Zentralbank halten, auf null Prozent zu senken. Dadurch sollen die Banken angeregt werden, ihre Reserven für Kreditvergaben und/oder Wertpapierkäufe einzusetzen, was wiederum die Euro-Geldmenge ausweiten könnte und zur Verringerung der Verluste in der EZB-Bilanz beiträgt.
Trotz der jüngsten Zinserhöhung versucht die EZB, die Möglichkeit weiterer Anhebungen in den Märkten aufrechtzuerhalten. Allerdings hegen Experten wie Prof. Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH, Zweifel an dieser Aussicht. Die EZB selbst stellt keine weitere Zinserhöhung auf dem nächsten Ratstreffen in Aussicht. Es könnte sogar sein, dass das Zinshoch im aktuellen Euro-Zinszyklus bereits erreicht ist, auch wenn die offizielle Jahressteigerung der Konsumgüterpreise im Juni ’23 immer noch bei 5,5 Prozent lag.
Die Sorge vor weiteren Zinserhöhungen liegt darin begründet, dass diese die Euro-Volkswirtschaften erheblich belasten und die bereits im Gange befindliche Verschlechterung der Euro-Konjunkturdaten verstärken könnten. Die volle Wirkung der bisherigen Zinserhöhungen ist noch nicht ersichtlich, da geldpolitische Maßnahmen üblicherweise eine gewisse Zeitverzögerung aufweisen.
Eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung der künftigen Inflation spielt das Wachstum der Geldmenge (M3). In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass das Geldmengenwachstum bereits deutlich abgenommen hat. Im Juni ’23 betrug das Jahreswachstum der Geldmenge M3 nur noch 0,6 Prozent, und seit September ’22 ist die Geldmenge sogar geschrumpft. Dies deutet auf einen starken Abwärtsdruck auf die künftige Inflation hin, der sogar vorübergehend zu einer Preisdeflation führen könnte.
Die Veränderung der Geldmenge M3 ist nicht allein auf zinsbedingte Umschichtungen zurückzuführen, sondern zeigt sich auch in der markanten Abschwächung der Euro-Bankkreditvergabe. Zudem ist die reale Euro-Geldmenge M1 seit geraumer Zeit rückläufig, was auf einen erheblichen Abwärtsdruck auf die Euro-Konjunktur hinweist und die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im Euroraum weiter erhöht.
Angesichts dieser Entwicklungen drängt sich die Einschätzung auf, dass die EZB möglicherweise die Zinsschraube bereits überdreht hat und eine übermäßige monetäre Kontraktion verursacht. Dies könnte zu einer starken Inflation und vor allem zu einer erheblichen Konjunkturabschwächung führen, es sei denn, die EZB ändert ihren Kurs bald.
Für Anleger sollten die zunehmenden monetären und realwirtschaftlichen Instabilitäten im Euroraum nicht unbeachtet bleiben, und es könnte ratsam sein, vorausschauend zu handeln. Eine Möglichkeit, auf diese Entwicklungen zu reagieren, besteht im Halten von physischem Gold und Silber. Auch eine verstärkte Diversifizierung des Anlagekapitals und eine Verringerung des Anteils des Vermögens, das in Euro oder im Euroraum gehalten wird, könnten sich als sinnvolle Optionen erweisen.
Vor allem vor dem Hintergrund, dass die EZB voraussichtlich bald wieder die Zinsen senken und zu einem inflationären Politikkurs zurückkehren wird, könnten Investitionen in internationale Unternehmensaktien ebenfalls als attraktiv erscheinen. Es bleibt abzuwarten, wie die Situation im Euroraum weiterhin verlaufen wird, aber eine vorausschauende und ausgewogene Anlagestrategie erscheint in diesen unsicheren Zeiten als vernünftiger Ansatz.
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Technologische Transformation erfordert freien Wettbewerb
Von Dr. Oliver Everling | 27.Juli 2023
Der globale Wandel stellt die Europäische Union vor ernste Herausforderungen. Geopolitische Machtverschiebungen erfordern von Europa klare Strategien, politische Entschlossenheit und Mut zu neuen Ideen. Konkrete Problemstellungen sind die zunehmende Fragmentierung der Weltwirtschaft und hohe Energiekosten, aber auch Rohstoff-Abhängigkeiten sowie der verschärfte Technologie-Wettbewerb. Dies sind die Kernaussagen einer aktuellen Studie zu den Zukunftschancen der EU, die das FERI Cognitive Finance Institute in Kooperation mit dem CEP, Centrum für Europäische Politik, erstellt hat. „Die EU gerät zunehmend in Gefahr, im Systemkonflikt zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Gleichzeitig verliert Europas Wirtschaft den Anschluss an wichtige Zukunftsmärkte. Damit ist klar: Europas derzeitiges ‚Betriebssystem‘ benötigt ein Update!“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Vorstand der FERI Management AG sowie Leiter des FERI Cognitive Finance Institute.
Die in der Studie analysierten Rahmenbedingungen sowie die daraus abgeleiteten Zukunftsperspektiven und Handlungsoptionen vermitteln ein ernüchterndes Bild: Demnach liegen die größten Herausforderungen für das auf Freihandel ausgerichtete EU-Wirtschaftsmodell in protektionistischen Tendenzen sowie der zunehmenden Fragmentierung des Welthandels. Um auch zukünftig Wohlstand zu sichern, müsse sich die EU für den Abbau von Handelshemmnissen einsetzen und die Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen verbessern. Dies sei nur über Kooperationen mit verlässlichen Partnern möglich, die Zugang zu Innovation und Zukunftsressourcen bieten. Dazu müsse die EU in ihren Außenbeziehungen pragmatischer werden und explizit auch strategische Sicherheitsinteressen berücksichtigen: „Statt wohlfeiler Visionen braucht Europa klare Strategien, die nicht nur zukunftsgerichtet und lösungsorientiert sind, sondern auch der Realität standhalten“, fordert FERI-Vorstand Rapp.
Mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 habe die EU eine sehr ambitionierte Agenda ausgerufen. Wie sich die „Green Transition“ auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas auswirke, sei derzeit jedoch noch völlig offen. „Die aktuelle Energiepolitik, speziell in Deutschland, zeigt das offensichtliche Strategiedefizit der Europäischen Union. Für Unternehmer und Investoren ist das ein gravierendes Problem. Frühere Standortvorteile verlieren überall in Europa an Strahlkraft“, warnt Rapp. Im Wettlauf um zukünftige Marktführerschaft bei emissionsarmen Energiesystemen habe die EU bislang keine wegweisende Antwort gefunden. Gleiches gelte auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, wo Europa gegenüber den USA und China bereits klar abgeschlagen sei.
Europas Probleme seien zu einem großen Teil hausgemacht und auf langjährige eigene Versäumnisse zurückzuführen. Um eine effektive Antwort auf die globalen Herausforderungen zu finden, müssten strategische Defizite der EU offen angesprochen und gelöst werden. „Ein erhöhtes Risikobewusstsein nach außen und der Abbau interner Strukturprobleme sind die Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft der EU“, sagt Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des CEP und Vorstand der Stiftung Ordnungspolitik. Bei Lösungen „Made in Europe“ sei auch künftig ein regelbasierter freier Wettbewerb im Binnenmarkt staatlichen Vorgaben vorzuziehen. Dies beginne beim Aufbau einer neuen Energieinfrastruktur und ende bei Abstimmungen zu KI-Regeln. „Ein Subventionswettlauf zwischen den Mitgliedsstaaten hilft niemandem in der EU weiter. Deutschland trägt als Schlüsselakteur in den industriellen Wertschöpfungsketten hier eine besondere Verantwortung“, so Vöpel. Nur mit einem schrankenlosen Binnenmarkt, der Nachfrage schafft und dezentral Innovation hervorbringe, würden Deutschland und die EU zu attraktiven Partnern für die Lösung der großen globalen Herausforderungen unserer Zeit.
Unternehmer und Investoren sollten sich aber von den offensichtlichen Problemen der EU nicht abschrecken lassen, sondern rational und ohne Naivität mögliche Chancen aufspüren und aktiv nutzen. Erforderlich sei dafür aber mehr Realitätssinn und Gestaltungskraft der politischen Ebene. „Solange die EU den Zukunftsplänen großer Wettbewerber wie USA oder China keine klare Strategie entgegensetzt, steht der Standort Europa unter Druck“, erklärt Rapp. Damit werde die Leitfrage der Studie – „Quo vadis, Europa?“ – letztlich zu einer individuellen Frage, die jeder Unternehmer und Investor für sich selbst beantworten müsse.
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Inflation wird bei Industrieimmobilien schlagend, Marktstimmung schlechter
Von Dr. Oliver Everling | 25.Juli 2023
Der IWIP-Index, der Industrie- und Logistikimmobilienindex vom IW Köln und IndustrialPort, zeigt eine weiterhin positive Entwicklung der Mieten von Lager-, Logistik- und Produktionsimmobilien in Deutschland für 2023 um 2,6%. Dies belegt die erste, von IndustrialPort durchgeführte, unterjährige Prognose des IWIP.
Besonders bemerkenswert ist die starke Entwicklung im Bereich der Logistik (+ 7,2%), während sich die Produktionsimmobilienmieten mit – prognostiziert – plus 1,8% am schwächsten entwickeln wird. Diese Entwicklung verdeutlicht die anhaltende Volatilität der Mietentwicklung bei Produktionsflächen. Hier lassen sich – sozusagen – schon die ersten Auswirkungen der von Presse, Politik und Interessenverbänden immer wieder genannten Auswirkungen der Deindustrialisierung erkennen. Unter Beachtung des, seitens des ifo-Institutes für das Jahr 2023 prognostizierten Anstieges des Verbraucherpreisindexes in Höhe von 5,8%, ergibt sich eine positive Mietsteigerung somit nur noch für das Segment der Logistikimmobilien.
Die Ergebnisse des halbjährlichen IndustrialObservers bestätigen diesen Trend (Link). Die Umfrage wurde von 67% Bewertern, 24% Eigentümern, 6% Maklern und 3% Assetmanagern von Industrieimmobilien beantwortet. Dabei gehen 42% der Teilnehmer von weiter steigenden Mieten aus, während 49% der Meinung sind, dass die Mieten stagnieren, und nur 9% einen Rückgang erwarten. Allerdings hat sich dieser Wert im Vergleich zum vierten Quartal 2022 verschlechtert (Rückgang: 5%, Anstieg: 63%, Stagnation: 32%). Zu beachten ist bei diesen und den folgenden Zahlen, dass sich die Aussagen auf den Gesamtmarkt und nicht die Top-Standorte beziehen.
Trotz des immer noch vorhandenen Trends zur Halle trübt sich die Markstimmung zusehends ein. Im Vergleich zu Q4 2022 (16% gut, 74% befriedigend, 10% schlecht) sehen heute – nur 6 Monate später – die Teilnehmer die Situation am Hallenmarkt deutlich differenzierter (18% gut, 58% befriedigend, 24% schlecht). Damit geht die Meinung der Immobilienprofis einher mit dem Kippen der Stimmung bei den Logistikern, wie etwa der ifo-Geschäftsklimaindex für diesen Sektor – aber auch für den am Beginn jeder Wertschöpfungskette stehenden Chemiesektor zeigt.
Hintergründe hierfür dürften vor allem die zweistelligen Umsatzeinbußen im Online-Handel sein – der nun das zweite Jahr in Folge erhebliche Umsatzeinbußen erleidet, das Auftragsminus der deutschen Industrie, Produktionsverlagerungen ins Ausland, Verkleinerungen der Sortimentsbreite in der Lebensmittelindustrie, Kaufzurückhaltung aufgrund inflationsbedingter Reallohnverluste, aber auch die zunehmende Deindustrialisierung, wie sie sich etwa in den Rekord-Kapitalabflüssen aus Deutschland abzeichnet. Dies alles spiegelt sich im geringeren Cargo-Aufkommen am Frankfurter Flughafen, dem immerhin umschlagstärksten europäischen Hub, oder etwa dem geringeren Containerumschlag im Antwerpener Hafen – dem zweitgrößten Hafen Europas wieder. Im Hamburger Hafen, dem drittgrößten Hafen Europas, ist aus dem gleichen Grund sogar rückwirkend zum 1. Mai Kurzarbeit angemeldet worden. Dennoch ist rund die Hälfte der Marktteilnehmer (52%) der Meinung, dass Incentives für Mietflächen nicht verstärkt gewährt werden, was auf eine weiterhin hohe Nachfrage hinweist.
Des Weiteren erwartet die überwiegende Mehrheit der Marktteilnehmer (58%) einen Anstieg des Leerstands. Dies deckt sich auch mit der aktuellen Entwicklung der Untermietflächen, die bereits zur Jahresmitte die Anzahl des gesamten Vorjahres erreicht haben, wie eine Sonderauswertung von IndustrialPort ergab. Auch hier dürfte wohl die die oben genannte Entwicklung mit ursächlich sein – ebenso wie die aufgrund der hohen und hartnäckigen Inflation bedingten Umsatzrückgänge im Einzelhandel.
Das in der Presse von Seiten der Makler genannte geringere Vermietungsvolumen spiegelt sich auch im Stopp der Expansionstätigkeiten vieler Logistiker wider. Somit korreliert der ifo-Index mit dieser Reaktion. Aus Sicht der Maklerhäuser ziehen die Nutzer wegen erwartbar höherer Mieten nicht um. Gleichzeitig belegt eine aktuelle Sparkassenstudie die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten von rund 60% der Bevölkerung, was eine direkte Auswirkung auf die Binnennachfrage hat. Bedenkt man nun, dass die Auftraggeber der Logistiker in nicht geringem Umfang Deutschland verlassen – Stichwort Deindustrialisierung – oder mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen (und auch zukünftig kämpfen werden – Stichwort Mauerhöhung), so stellt sich die Frage, ob die Logistiker, die oftmals kontraktgetrieben anmieten, nicht aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihrer Auftraggeber untervermieten bzw. nicht neu anmieten. Die Antwort hierauf beantwortet auch gleichzeitig die Frage, wann sich die Situation grundlegend ändern wird – genau wie die Frage, ob eine heute vollvermietete Halle auch morgen noch unbedingt dauerhaft vollvermietet sein wird.
Steigende Leerstände, aber auch unsichere wirtschaftliche Aussichten, sind immer ein Grund, weshalb Banken Projektentwicklungen restriktiver begleiten. Dies zeigt auch, dass obwohl die Leerstandsraten laut Maklerangaben sehr gering sind und kaum spekulative Projektentwicklungen angestoßen werden. Werden aber weniger spekulative Neubauten errichtet, steigt die Miete. Die Aussage, dass „gute Logistikimmobilien am richtigen Ort alle vollvermietet“ sind, beinhaltet eben, dass mäßige Logistikimmobilien an mäßigen Standorten eben nicht vollvermietet sind. Aber auch, dass an mäßigen Standorten Hallen stehen – eben, weil an geeigneteren Standorten keine Grundstücke mehr verfügbar waren zu Preisen, die aus wirtschaftlicher Sicht für den Nutzer einen Sinn ergaben. Sollte sich diese Situation noch verschärfen, so wandert der Nutzer ins Ausland ab. Die momentan noch im Bau befindlichen Projektentwicklungen beruhen auf einer besseren wirtschaftlichen Aussicht der zukünftigen Mieter – auch hier korreliert der ifo-Index mit dem Projektvolumen.
Bezüglich der Entwicklung der Renditen sieht die Mehrheit der Teilnehmer ein Ende des Steigens noch nicht gekommen. So gehen aktuell 42% von weiter steigenden Renditen aus gegenüber 26% vor noch 6 Monaten. Fallende Renditen erwarten nun 36% der Befragten, vor 6 Monaten waren dies noch 21%. Der Anteil derer, die stagnierende Renditen erwartet, sank von vormals 53% auf nun 21%. Hier zeigt sich also noch große Unsicherheit im Markt, die wohl auch in der Unsicherheit der Erwartung der Entwicklung der Anleihezinsen, aber auch der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder ESG-Risiken zu sehen ist.
Besonders interessant ist, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer davon ausgeht, dass langjährige Zeitreihen an Bedeutung gewinnen werden. Diese sind bereits seit ca. einem Jahr in der Beleihungswertermittlung verpflichtend anzusetzen. Eine zunehmende Bedeutung von Zeitreihen deutet auf eine gewisse Unsicherheit im Markt hin.
„Angesichts dieser Entwicklungen wird eins deutlich: Unruhig ist jetzt Dauerzustand!“ So das Fazit von Peter Salostowitz. Eine Transformation ist dringend erforderlich, und der Ruf nach mehr Daten wird deshalb zunehmend lauter. Langfristige und detaillierte Daten sind gewünscht. Die aktuellen Herausforderungen in Organisationen, wie disruptive Technologien und Geschäftsmodelle, Komplexität, operativer Ergebnisdruck und Transformationszwang, erfordern ein Umdenken. Das bisherige „Weiter so“ funktioniert nicht mehr. Der Trend zum Datenaustausch, wie zum Beispiel im hauseigenen Benchmark-Tool von IndustrialPort, nimmt zu und wird sich in Zukunft weiter verstärken. Dabei werden positive und langjährige Erfahrung mit solchen Tools aus anderen Abteilungen im Hause – etwa dem Nutzen von Vergütungsdatenbanken durch die Personalabteilungen – der Entwicklung im Immobilienbereich dienlich sein.
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Marktzyklus in der Marktanalyse
Von Dr. Oliver Everling | 24.Juli 2023
In einer Marktanalyse spricht Michael McEachern, Co-Head of Public Markets bei Muzinich & Co, einer nicht börsennotierten, institutionellen Investmentgesellschaft mit Schwerpunkt auf öffentlich gehandelten und privaten Unternehmensanleihen und -krediten (Corporate Credit), über den aktuellen Stand des Kreditzyklus und die Auswirkungen auf die Rentenmärkte. Er beleuchtet wichtige makroökonomische Themen und gibt Einblick in die Positionierung seiner Multi-Asset-Kreditstrategien in Anbetracht des unsicheren Umfelds.
Im Fokus steht die Inflation, die zwar zurückgegangen ist, aber dennoch Unsicherheit hinsichtlich der Reaktionsfähigkeit der Zentralbanken mit sich bringt. Angesichts dieser Lage positioniert sich Muzinich & Co vorsichtiger, indem sie auf qualitativ hochwertige Kredite wie US-Investment Grade und US-Treasuries setzen, da sie eine Verlangsamung des Makrozyklus erwarten.
Ein Barbell-Ansatz bei der Duration wird verfolgt, um sich auf mögliche Veränderungen der langfristigen Zinssätze vorzubereiten. Die Duration wurde erhöht, indem hochwertige Anleihen mit langen Laufzeiten übergewichtet wurden, aber auch eine Verlagerung in den Bereich der 7- bis 10-jährigen Laufzeiten erfolgte, um der Umkehrung der US-Kurve Rechnung zu tragen. Das Kreditrisiko ist vorwiegend am vorderen Ende der Kurve positioniert.
Hinsichtlich der aktuellen Bewertungen in US-Treasuries, Investment Grade und High Yield bevorzugt das Unternehmen vorerst eine zurückhaltende Haltung und wartet auf attraktivere Bewertungen, bevor weitere Investitionen getätigt werden. Die Strategie konzentriert sich auf den US-Investment Grade-Bereich, während ein gewisses High Yield-Exposure besteht, das jedoch auf qualitativ hochwertige BB-Anleihen fokussiert ist.
Michael McEachern vergleicht die Situation in den USA, Europa und den Emerging Markets und betont, dass jede Region ihre eigenen Herausforderungen hat. Der US-Markt wird als größer und liquidester Markt angesehen und bietet daher einen besseren Abwärtsschutz. In Europa ergeben sich attraktive relative Wertchancen, während in den Emerging Markets ein gewisses Potenzial vorhanden ist, jedoch Staatsanleihen mit fundamentalen Problemen gemieden werden.
In Bezug auf Banken ist Muzinich & Co vorwiegend in Europa engagiert und hält sich vom US-Bankensektor fern, da Bedenken hinsichtlich Gewerbeimmobilien bestehen. Obwohl die Banken für schwierigere Zeiten gut gerüstet sein sollen, wird auch hier auf ein Umfeld mit breiteren Spreads gewartet, bevor wieder in Banken investiert wird.
Die aktuellen Herausforderungen und Chancen auf dem Primärmarkt werden beleuchtet, wobei festgestellt wird, dass die Märkte für mehr Emissionen offen sind. Muzinich & Co ermutigt Unternehmen, die 2025 beginnende Fälligkeitsmauer im High Yield-Markt rechtzeitig anzugehen, anstatt den Markt zu timen.
Die attraktiven Bewertungen erscheinen für das Unternehmen noch nicht erreicht, und es wird darauf hingewiesen, dass ein Wiedereinstieg in den Markt in Betracht gezogen wird, wenn die Spreads bei etwa 500 Basispunkten liegen. Aktuell sind die Spreads etwa 70 Basispunkte von diesem Punkt entfernt, um bei High Yield-Anleihen aufzustocken, und etwa 30-40 Basispunkte für die Aufstockung von Investment Grade-Anleihen.
Insgesamt zeigt die Marktanalyse von Michael McEachern eine vorsichtige und abwägende Positionierung im Hinblick auf die Herausforderungen und Unsicherheiten im aktuellen Kreditzyklus, wobei das Unternehmen auf hochwertige Anlagen setzt und auf attraktivere Bewertungen in den Märkten wartet, um zukünftige Chancen zu nutzen.
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Risiko geldpolitischer Fehlentscheidungen steigt
Von Dr. Oliver Everling | 20.Juli 2023
In China ist das Wirtschaftswachstum mit etwa 5 % relativ niedrig, in den USA liegt es unter 2 %, und in Europa beginnt sich eine Kontraktion abzuzeichnen. Einen Rückgang des globalen Konjunkturwachstums unter die Schwelle von 2 % – also ein klassisches Rezessionsszenario – hält der Chefanlagestratege von ODDO BHF Asset Management für möglich. „So weit ist es noch nicht, aber die Fortschreibung der aktuellen Entwicklung verheißt mit einem Wachstum von unter 3 % im dritten Quartal nichts Gutes“, schreibt Laurent Denize, Co-CIO von ODDO BHF, in seinem jüngsten monatlichen Marktkommentar. In der Vergangenheit lösten vor allem steigende Arbeitslosenzahlen eine Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit aus. Auch wenn in Deutschland parallel zur Kontraktion der Wirtschaft auch die Arbeitslosenquote um 0,7 % gestiegen sei, zeige sich diese Entwicklung in den Industrieländern noch nicht. Aber in China dürfte der Eintritt von Millionen junger Menschen des Abschlussjahrgangs 2023 in den Arbeitsmarkt die mit 20,4 % bereits hohe Arbeitslosigkeit bei jungen Arbeitnehmern noch verschärfen und könnte den von der Regierung gepriesenen „Sozialpakt“ gefährden, so Denize.
Sollte sich die Weltwirtschaft am Beginn einer klassischen Rezession befinden, wären aus Sicht von Laurent Denize die folgenden Entwicklungen zu erwarten: Preisrückgang bei Erdöl und Metallen, trendlose Phase bei Hochzinsanleihen, Underperformance der zyklischen Sektoren und ein globaler Abwärtstrend der Aktienindizes. Abgesehen von der Entwicklung der Aktienindizes deuteten die anderen bereits auf eine Rezession. Eine Erklärung für den globalen Anstieg der Aktienindizes sieht er in der spektakulären Performance der „Glorreichen 7“: Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta und Tesla. „Die Outperformance der sieben Tech-Riesen könnte zwar noch eine Weile anhalten, aber selbst der Technologiesektor ist nicht immun gegen eine Rezession und erst recht nicht gegen steigende Zinsen“, so Denize. Darüber hinaus habe die Nasdaq eine Neugewichtung angekündigt, um die Konzentration der MegaCaps im Nasdaq100 zu verringern. „Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich die Kurse dieser Aktien bis zur Neugewichtung am 24. Juli entwickeln und ob andere Indexanbieter diesem Beispiel folgen werden“, so der Chefanlagestratege.
Angesichts der restriktiveren Kreditbedingungen und ihren negativen wirtschaftlichen Auswirkungen in den Industrieländern (Europa und USA) empfiehlt ODDO BHF AM eine leichte Untergewichtung von Aktien. Ein Konjunkturabschwung werde wahrscheinlicher, daher biete sich eine Umschichtung aus überbewerteten Aktien in Value-Titel, die relativ solide Fundamentaldaten und Wachstumsaussichten aufweisen, an. Auf Sektorebene dürfte der Luxussektor seine „privilegierte Position“ behalten und weitgehend vor Margendruck gefeit sein. Angesichts der attraktiven Bewertungen und in Erwartung eines beschleunigten Wachstums gewichtet ODDO BHF Schwellenländer und insbesondere China höher. „Bisher kommen die Signale für eine Verlangsamung der globalen Konjunktur hauptsächlich aus China und zeigen sich an überdurchschnittlichen Preisrückgängen bei Metallen und Industrierohstoffen. In den kommenden Monaten wird die Schwächung jedoch nicht mehr von China ausgehen, sondern von den Industrieländern“, so Denize. Er rechnet damit, dass die chinesische Regierung mit starken Unterstützungsmaßnahmen eingreift, um die von ihr ausgegebene Wachstumsuntergrenze von 5 % zu erreichen.
Das Kreditrisiko gebe weiterhin Anlass zur Vorsicht, insbesondere bei stark verschuldeten Unternehmen, denn ein Risiko in Bezug auf finanzielle Stabilität führt zu restriktiveren Kreditkonditionen. „Den überschuldeten Immobiliensektor sehen wir weiterhin mit großem Vorbehalt. Nur Anleihen mit kurzer Duration bieten ein attraktives Risiko-Rendite-Verhältnis mit angemessenem Carry.“ Denize zufolge sollte ein möglicher Rückgang der Liquidität am Markt genau im Blick behalten werden, da die Notenbanken ihre Bilanzen verkürzen und die für die kommenden Monate erwarteten Emissionen des US-Schatzamtes absorbiert werden müssen. ODDO BHF präferiert deutsche und US-Anleihen mit Laufzeiten von 5–7 Jahren und erhöht nach Gewinnmitnahmen die Untergewichtung bei Anleihen aus Peripherieländern. „Das Risiko geldpolitischer Fehlentscheidungen ist gestiegen. Finanzsystem und Wirtschaft sind fragil“, so Denize. Darüber hinaus werde es für die Notenbanken vor dem Hintergrund einer beschleunigten Transmission der Geldpolitik zunehmend schwerer, Preis- und Finanzmarktstabilität auszutarieren.
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Jetzt Investment Grade oder High Yield?
Von Dr. Oliver Everling | 18.Juli 2023
Um im Rentenbereich eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften, sind Anleger nicht länger gezwungen, die Risikoleiter hochzuklettern. Selbst der Investment-Grade-Bereich eröffnet mittlerweile wieder attraktive Anlagemöglichkeiten. Doch wie sollten Anleger beim Aufbau ihrer Fixed-Income-Quote vorgehen? Desiree Sauer, Investment-Strategin bei Lazard Asset Management, und Michael Weidner, Leiter des europäischen Rentenmanagements, nennen vier Punkte, die Anleger bedenken sollten.
„Die Realrenditen sind auf Grundlage der aktuellen Inflationsraten zwar noch niedrig oder (leicht) negativ. Nimmt man jedoch die erwarteten Inflationszahlen als Grundlage, dann ändert sich das Bild. Dann notieren beispielsweise viele 10-jährige Staatsanleihen bereits über oder nahe der Null, da der Markt von sinkenden Inflationszahlen ausgeht“, erklärt Desiree Sauer. „Das heißt, auf der Grundlage der Inflationserwartungen sind diese Papiere wieder attraktiv. Wir sehen gerade bei Qualitätsanleihen aktuell gute Einstiegsniveaus.“
Duration: Kurz oder lang? „In der Vergangenheit sind Anleger dafür entschädigt worden, dass sie die mit langfristigen Anleihen verbundene zusätzliche Unsicherheit (Zinsänderungsrisiko) auf sich nahmen“, sagt Weidner. Seit geraumer Zeit sei dies jedoch nicht mehr der Fall: Die Laufzeitenprämie, sprich die Renditekompensation für das Halten länger laufender Anleihen, sei negativ. „Deshalb präferieren wir aktuell Anleihen mit kurzer Duration“, so Weidner. „Die Reduzierung der Zinssensitivität durch einen Fokus auf Anleihen mit kurzer Duration ist ein einfacher Weg, die Ertragskraft trotz hoher Volatilität und weiter steigender Zinsen aufgrund hartnäckiger Inflation hoch zu halten.“
Bonität: Investment Grade oder High Yield? Qualitätsanleihen (Investment-Grade-Anleihen privater und öffentlicher Aussteller aus OECD-Ländern) seien historisch die Basis einer ausgewogenen Vermögensallokation gewesen, sagt Weidner. Sie hätten die solide Basis eines Portfolios gebildet, da sie einen stabilen Anlageertrag in vordefinierter Höhe (Einstandsrendite) mit begrenzter Volatilität und vollständiger Liquidität geboten hätten. Angesichts niedriger bzw. negativer Leitzinsen und aggressiver Zentralbankkäufe in den vergangenen Jahren hätten Qualitätsanleihen diese Rolle jedoch zwischenzeitlich nicht mehr erfüllen können. „Nun hat sich die Situation allerdings wieder normalisiert. Attraktive Renditen sind auch im Investment-Grade-Segment wieder möglich“, betont Weidner.
Aber nicht nur die guten Renditeniveaus sprechen aus Sicht des Experten für Anleihen hoher Qualität, sondern auch das aktuelle wirtschaftliche Umfeld. „Steigende Zinsen stellen eine Herausforderung für Anleihe-Emittenten im Allgemeinen dar“, so Weidner. „Besonders betroffen sind High-Yield-Emittenten, die stark unter Druck geraten können, denn die höheren Finanzierungskosten reduzieren die Erträge. Besonders in der Eurozone könnte es daher das eine oder andere Unternehmen nach Jahren künstlich niedriger Zinsen schwer haben, sich zu refinanzieren, so dass das Ausfallrisiko der eher bonitätsschwächeren Euro-Emittenten steigt.“ Weidner und seine Kollegen präferieren deshalb derzeit (mit regionalen Ausnahmen wie nordische High-Yield-Anleihen) bonitätsstarke Emittenten.
Benchmark: Ja oder nein? „Der Einsatz von Benchmarks bei Renteninvestments hat den Vorteil, dass die geläufigen Indizes eine breite Abdeckung in Bezug auf Regionen, Währungen und Segmenten bieten“, sagt Investmentstrategin Sauer. Allerdings sei der globale Anleihemarkt wesentlich größer als das, was in den Indizes vertreten sei, denn „benchmarkfähige“ Emissionen müssten ein Mindestvolumen aufweisen, um berücksichtigt zu werden. Aus Sicht der Expertin ist ein weiterer Nachteil, dass die Gewichtung der einzelnen Komponenten in einem Index gemäß der Marktkapitalisierung erfolge. Dadurch bestehe das Risiko einer wachsenden Gewichtung hoch verschuldeter Emittenten, da der Marktwert dieser Emissionen zunehmend steige. Gleichzeitig nehme auch die Gewichtung von Emissionen, deren Verzinsung gefallen und damit deren Kurs gestiegen ist, zu. Und schließlich entstehe während einer Rentenhausse eine quasi automatische Durationsverlängerung, denn je niedriger die Rendite, desto höher die Duration.
„Um diese Nachteile zu vermeiden, können Anleger bewusst Indizes wählen, die nicht nach Marktkapitalisierung, sondern auf Grundlage anderer fundamentaler Faktoren gewichten“, erläutert Sauer. „Das kann zum Beispiel eine Gewichtung nach Bruttoinlandsprodukt sein.“ Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, zwar eine marktkapitalisierungsgewichtete Benchmark zu wählen, dem Portfoliomanager aber große Freiheiten und Spielräume in Form eines hohen Tracking Errors und Investments außerhalb des Index einzuräumen. So könne der Manager zum Beispiel eine wesentlich geringere Duration als die Benchmark fahren.
„Anleger können sich aber auch für den Verzicht auf eine Benchmark entscheiden, indem sie einen Total-Return-Ansatz wählen“, sagt Sauer. „Hier gewährt der Anleger dem Manager zwar die größtmögliche Freiheit, hat aber dennoch die Chance, Einfluss auszuüben.“ So könne der Anleger beispielsweise Maximalgewichtungen in Bezug auf Länder, Sektoren, Bonität oder Emittenten vorgeben.
Währungsabsicherung: Mit oder ohne? Eine andere zentrale Entscheidung bei Rentenanlagen sei der Umgang mit Fremdwährungen. „Die Volatilität der Anleihekomponenten (Preis und Kupon) kann gering sein im Vergleich zu den Währungsfluktuationen“, erklärt Weidner. „Währungsgesicherte und währungsungesicherte Indizes können sich je nach Marktzyklus stark unterscheiden. Eine Vermögensallokation in verschiedenen Zielwährungen bietet zweifelsfrei Anlagechancen und verbessert in der Regel das Risikoprofil eines breiten Anlageportfolios.“ Verschiedene Währungsräume und damit verbunden verschiedene Zinsregime und geldpolitische Zyklen würden für einen zusätzlichen Diversifikationseffekt sorgen.
Allerdings könne sich eine offene Währungsquote für den Anleger nachteilig auswirken. Sollten Anleger daher nicht über ein eigenes Währungs-Overlay verfügen und Währungen nicht als bewusste Diversifikationsentscheidung ansehen, dann empfiehlt sich aus Sicht des Anleiheexperten eine Währungsabsicherung. „Letztlich ist für den Anlageerfolg wichtig, die Ausgangswährung im Blick zu halten und Chancen sowie Risiken stets aus Sicht eines Euro-Anlegers zu betrachten. Auch attraktivste Anlagechancen in Fremdwährung sind faktisch substanzlos, wenn die Kosten der Währungssicherung vernachlässigt oder ausgeblendet werden“, so Weidner. Aktives Management sei auch hier der Schlüssel zum Erfolg.
Anleiheexperte Weidner resümiert: „Angesichts des aktuellen makroökonomischen Umfelds bietet es sich aus unserer Sicht an, ein Portfolio aufzubauen, welches sich auf Anleihen hoher Qualität und mit einer kurzen Duration fokussiert. Auch ein Total-Return-Ansatz erscheint uns vorteilhaft.“
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Nachhaltigere und nahrhaftere Ernährung im Rating
Von Dr. Oliver Everling | 13.Juli 2023
„Um unser Nahrungsmittelsystem umzugestalten,“ schreibt Pjotr Tjallema, Sustainability Researcher bei Triodos Investment Management (IM), „bedarf es einer Reihe von Maßnahmen, die über die Lebensmittelwertschöpfungskette hinausgehen. Wir brauchen einen Ansatz, der alle wichtigen Akteure, einschließlich Investoren und Regierungen, miteinbezieht, aber auch das Nahrungsmittelumfeld, d. h. alle kontextuellen Faktoren berücksichtigt, die die Wahl der Verbraucher beeinflussen.“ Im Folgenden finden sich weitere Erkenntnisse aus seinen Recherchen.
Die Konzentration auf nur eine dieser Lösungen greift jedoch zu kurz und kann zu Rebound-Effekten führen. Stattdessen braucht das Nahrungsmittelsystem eine umfassende Umstellung vom Erzeuger zum Verbraucher. Änderungen der Ernährungsgewohnheiten, der Preissysteme, des Lebensmittelumfelds und der landwirtschaftlichen Praktiken sind allesamt bedeutende Elemente dieses Wandels.
Unser Nahrungsmittelsystem leidet unter dem übermäßigen Konsum und der Überproduktion von ungesunden und nicht nachhaltigen Lebensmitteln, die eng mit der zunehmenden Einkommensungleichheit zusammenhängen. Etwa 820 Millionen Menschen sind nach wie vor unterernährt, etwa 2 Milliarden Menschen leiden an Mikronährstoffmangel und über 2 Milliarden Erwachsene an Übergewicht. Gleichzeitig ist das Lebensmittelsystem für etwa 30 % der Treibhausgasemissionen und 70 % des Süßwasserverbrauchs verantwortlich, und die Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Nutzflächen ist die Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt.
Studien deuten darauf hin, dass eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten vielleicht die wichtigste Maßnahme ist. Eine Änderung unserer kollektiven Ernährungsgewohnheiten kann erhebliche Vorteile für die Gesundheit und die Nachhaltigkeit bringen, da das Verbraucherverhalten die Einnahmen der Akteure der Wertschöpfungskette beeinflusst. Diese Akteure werden auf nachhaltige Alternativen umsteigen, wenn es dafür nachweislich einen Markt gibt.
Doch wie sollte unsere „neue“ Ernährung aussehen? Die EAT-Lancet-Kommission empfiehlt die Planetary-Health-Ernährung, die auf einem begrenzten Verzehr von tierischen Produkten und mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen basiert. Dazu gehört auch der Verzehr von mehr pflanzlichen Proteinen, z. B. aus Linsen, da diese einen geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen und mit einem geringeren Risiko für koronare Herzkrankheiten in Verbindung gebracht werden. Die Ernährungsumstellung ist ein guter Ausgangspunkt, hat jedoch auch eine Kehrseite, weshalb wir auch andere Lösungen brauchen. Forscher der Universität Wageningen weisen darauf hin, dass der ökologische Nutzen von Ernährungsumstellungen durch Rebound-Effekte zunichte gemacht werden könnte. Verbraucher, die weniger Geld für Lebensmittel ausgeben, verlagern beispielsweise ihr verfügbares Einkommen auf andere Güter mit hohen Umweltauswirkungen. Diese Rebound-Effekte machen deutlich, dass ein umfassender Ansatz erforderlich ist, der Ernährungsumstellungen mit anderen Maßnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit verbindet, beispielsweise durch Preismechanismen.
In einer kürzlich in der Zeitschrift „Nature Food“ veröffentlichten Studie wurden die weltweiten Kosten verschiedener Ernährungsweisen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit berechnet, und es wurde geschätzt, dass 70 % dieser Kosten auf den Verzehr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs (ASF) zurückgeführt werden können. Es ist wichtig, dass politische Entscheidungsträger, Einzelhändler und Produzenten in verständliche Etiketten oder Preissysteme investieren, die diese Kosten auch auf Produktebene ausweisen. Mit solchen Informationen können Verbraucher, Erzeuger und andere Akteure der Wertschöpfungskette andere Entscheidungen treffen. Es ist notwendig, mehr Transparenz zu schaffen und sich auf die Methoden und Daten zu einigen, die für die Berechnung der „wahren Preise“ erforderlich sind: den Kostenwert eines Produkts zuzüglich der ökologischen und sozialen Kosten.
Ein Symbol für Preiswahrheit und Transparenz ist die Banane. Als Grundnahrungsmittel für Millionen von Menschen hat die Banane eine relativ unkomplizierte Lieferkette. Die Banane war eine der ersten Früchte, die Fairtrade- und Rainforest-Alliance-Zertifizierungen erhielten. Auch wenn die Gütesiegel hilfreich sind, würden nachhaltige Bananen sehr von gleichen Bedingungen bei der Preisgestaltung durch Steuern und Subventionen profitieren. Die Informationen liegen vor: Die ökologischen und sozialen Kosten einer Kiste Bananen (18 kg) wurden 2017 auf 6,70 USD geschätzt. Dennoch sollten wir uns umfassender damit befassen, was die Verbraucher in die Lage versetzen kann, gesündere und nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.
Lokale Lebensmittelsysteme können einige der negativen Auswirkungen des Lebensmittelsystems abmildern. Kürzere und direktere Lebensmittelketten können den Landwirten mehr Transparenz und eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel verschaffen. Dennoch kann nur etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ihren Nährstoffbedarf ausschließlich durch den Verzehr lokaler Lebensmittel decken. Darüber hinaus können lokale Lebensmittel die Umwelt stärker belasten, da die Produktion an anderen Orten effizienter sein könnte. Der Übergang zu stärker lokal ausgerichteten Lebensmittelsystemen ist ein Teil der Lösung, doch sollten die Vorteile je nach Produkt gegen die Kosten abgewogen werden. Dennoch kann die Stärkung der Verbindungen zwischen Verbrauchern und Erzeugern die Verbraucher in die Lage versetzen, gesündere und umweltfreundlichere Entscheidungen zu treffen. Solche Verbindungen können auch durch Online-Lebensmittelplattformen oder dadurch gefördert werden, dass die Verbraucher mehr über die Herkunft von Lebensmitteln, einschließlich ihrer Saisonalität, erfahren.
Die Landwirte allein können den notwendigen Wandel hin zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen nicht vorantreiben, obwohl auch ihre Praktiken geändert werden müssen, um zu Lösungen beizutragen. Die Landwirtschaft trägt wesentlich zum Klimawandel und zum Verlust der biologischen Vielfalt bei, insbesondere durch die Umwandlung von Natur in landwirtschaftliche Flächen und die Verschmutzung durch Agrochemikalien. Praktiken, die die Natur einbeziehen, bieten potenzielle Lösungen. So können beispielsweise Lebensmittelwälder mit Obst- und Nussbäumen Kohlenstoff binden, Stickstoff binden, die Artenvielfalt fördern und hohe Erträge sichern. Obwohl dieser Ansatz von Natur aus komplex ist, könnte er für die Ökosysteme und den Lebensunterhalt der Landbevölkerung ein Gewinn sein. In solche Landschaften können auch Nutztiere integriert werden. Doch ohne eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten und der realen Preise dürfte eine Ausweitung der Märkte für nachhaltige und gesunde Produkte kaum machbar sein.
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