Klimarisiken für Banken in Norwegen

Von Dr. Oliver Everling | 12.April 2022

Norwegische und schwedische Banken haben im Verhältnis zur Gesamtkreditvergabe unter europäischen Konkurrenten das höchste Engagement in Immobilien, berichtet die norwegische Ratingagentur Nordic Credit Rating (NCR). Dabei hebt die Ratingagentur die starke Verbriefung von Kreditforderungen im Allgemeinen als vorteilhaft für die Bonitätsbewertung von Bankportfolios hervor.

Das Immobilienengagement der Banken führt jedoch zu Klimarisiken, warnen die Analysten von NCR, sowohl in Bezug auf das physische als auch auf das Übergangsrisiko.

Der heute von NCR veröffentlichte Artikel befasst sich mit den Übergangs- und physischen Risiken, denen der norwegische und der schwedische Bankensektor aufgrund ihres Immobilienengagements ausgesetzt sind. Es untersucht die Maßnahmen der Aufsichtsbehörden und der Banken selbst, um die Transparenz über diese Risiken zu erhöhen und wie sie gemindert werden können.

„Wir erwarten, dass Banken sich der Auswirkungen des Klimarisikos auf ihre Kreditportfolios bewusster werden“, sagte NCR-Kreditanalystin Ylva Forsberg. „Dazu gehört, diese Risiken systematischer und konsequenter als bisher in die Kreditprozesse zu integrieren.“

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AAA für Deutschland – im Rating von KBRA

Von Dr. Oliver Everling | 8.April 2022

Am 8. Dezember 2021 wurde Christian Lindner im Rahmen der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene zum Bundesminister der Finanzen ernannt. Daher lohnt sich der der Blick auf die Urteile internationaler, unabhängiger Ratingagenturen, die über die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu befinden haben. Für die Ratingagenturen steht nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunftsperspektive im Vordergrund.

Wie wird sich unter einem Bundesfinanzminister Christian Lindner die wirtschaftliche Fähigkeit, rechtliche Bindung und Willigkeit Deutschlands entwickeln, stets allen zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen vollständig und rechtzeitig zu erfüllen?

Kroll Bond Rating Agency (KBRA) bestätigt die langfristigen Emittentenratings der Bundesrepublik Deutschland mit einem stabilen Ausblick für das Bestrating AAA. Die Bestätigung der Ratings durch KBRA spiegelt Deutschlands große, diversifizierte und weltweit bedeutende Wirtschaft, ein hohes Maß an wirtschaftlicher Widerstandsfähigkeit, einen starken Governance- und institutionellen Rahmen, ein umsichtiges politisches Umfeld und eine gesunde Position der öffentlichen Finanzen wider.

Deutschlands beträchtlicher fiskalischer Spielraum und sein hohes Maß an finanzieller Flexibilität ermöglichen es der Regierung nach Ansicht der US-amerikanischen Ratingagentur, auf unerwünschte wirtschaftliche Schocks zu reagieren. KBRA hebt in der Begründung des Ratings Deutschlands große, fortschrittliche, einkommensstarke und weltweit bedeutende Wirtschaft hervor. Die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit Deutschlands werde durch seine stark diversifizierte Wirtschaft, seinen Status als weltweit führender Exporteur und seine Position als größte europäische Volkswirtschaft untermauert.

Deutschlands ausgewogenes Wachstumsmodell generiere stabiles Wachstum und Beschäftigung und zeichne sich im Vergleich zu vielen Vergleichsländern durch eine moderate Abhängigkeit von der Fremdfinanzierung aus. Deutschlands robustes institutionelles Profil wird durch ein pragmatisches und konsensbasiertes politisches Umfeld, starke Governance-Kennzahlen, langjährige politische Stabilität, seine zentrale Rolle in der Europäischen Union (EU) und eine bedeutende globale geopolitische Bedeutung gestützt.

Die starke Position der öffentlichen Finanzen Deutschlands wird durch einen robusten haushaltspolitischen Rahmen gestützt, der eine Schuldenbremsregel und die Verpflichtung zu ausgeglichenen Haushalten umfasst. Obwohl die nationalen Haushaltsregeln im Zuge der COVID-19-Krise vorübergehend ausgesetzt wurden, hat ein hohes Maß an fiskalischer Flexibilität es Deutschland ermöglicht, eine umfassende politische Reaktion zu ergreifen, um die Wirtschaft durch die Krise zu stützen.

Der Status des Bundes als europäisches Referenzinstrument für festverzinsliche Wertpapiere bietet Deutschland ein hohes Maß an Finanzierungsflexibilität. Deutschlands tiefe und liquide Kapitalmärkte, die Eigenschaften des Bundes als sicherer Hafen, niedrige durchschnittliche Finanzierungskosten, die durch die akkommodierende Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) unterstützt werden, und eine robuste Investorennachfrage stellen sicher, dass die Schuldenlast Deutschlands sehr erschwinglich ist.

Deutschlands großer struktureller Leistungsbilanzüberschuss und sein positiver Nettoauslandsvermögensstatus (Netto-Gläubigerposition) unterstreichen robuste Außenbilanzkennzahlen, argumentiert KBRA, die von anhaltenden Handelsbilanzüberschüssen und hohen Renditen auf seinen Bestand an Auslandsinvestitionen angetrieben werden.

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Russische Invasion nicht der Rede wert

Von Dr. Oliver Everling | 8.April 2022

Die russische Ratingagentur Analytical Credit Rating Agency (ACRA) aus Moskau erteilt für russische Emittenten unbeirrt Bestratings. Die Kreditwürdigkeit von Sankt Petersburg basiert zwar unstrittig auf der gut entwickelten Wirtschaft der Stadt, der ausgeglichenen Haushaltsstruktur, der geringen Schuldenlast und der hohen Haushaltsliquidität. Ob dies aber ein AAA(RU) als Emittentenrating für die Stadt (Санкт-Петербург, Город) wie auch ein AAA(RU) als Rating ihrer Emissionen rechtfertigt, kann hinterfragt werden.

Sankt Petersburg ist eine Stadt von föderaler Bedeutung und Heimat von 3,7 % der russischen Bevölkerung. Das Bruttoregionalprodukt der Stadt beträgt etwa 6 % des gesamten BRP Russlands.

Ende 2021 betrug die Verschuldung der Stadt 10 % der laufenden Einnahmen, was gemäß der ACRA-Methodik ein Hinweis auf die geringe Schuldenlast im Haushalt der Stadt ist. Nach Schätzungen von ACRA wird das Verhältnis von Schulden zu laufenden Einnahmen bis Ende 2022 niedrig bleiben. Im Jahr 2022 wird nach Angaben der Ratingagentur die Schuldenquote der Stadt im Bereich von 1–3 % liegen.

Ab dem 1. Januar 2022 enthielten die Schulden nur Anleihen mit Fälligkeit zwischen 2022 und 2028. Der Kapitaldienst belaste den städtischen Haushalt nicht. Zum angegebenen Datum waren 25 % der Schuldenverpflichtungen der Stadt in den Jahren 2022 und 2023 fällig.

Die Stadt kommt ihren Ausgabenverpflichtungen pünktlich nach und legt regelmäßig vorübergehend freie Mittel bei Kreditinstituten und über Repo-Geschäfte an, die durch russische Bundesanleihen und Anleihen der Stadt besichert sind. Die Stadt erwirtschaftet zusätzliche Einnahmen, um einen Teil ihrer Schuldendienstkosten zu decken, indem sie ungenutzte Haushaltsmittel verwaltet; diese seien zum 1. März 2022 doppelt so hoch wie die durchschnittlichen monatlichen Haushaltsausgaben im Jahr 2022 gewesen.

Für den Zeitraum 2018-2022 sollte das durchschnittliche Verhältnis von Steuer- und Nichtsteuereinnahmen (tax and non-tax revenues, TNTR) zu den internen Einnahmen ohne Subventionen 96 % betragen, schreiben die Analysten von ACRA. Die Investitionsausgaben sollten im oben genannten Zeitraum durchschnittlich 20 % der Gesamtausgaben ohne Subventionen ausmachen. In den Jahren 2018–2022 sollte das Verhältnis des durchschnittlichen Leistungsbilanzsaldos zu den laufenden Einnahmen 17 % betragen, und das Verhältnis des durchschnittlichen modifizierten Haushaltsdefizits zu den laufenden Einnahmen sei mit -1 % zu beziffern.

Vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stiegen im Jahr 2021 die Einnahmen des Stadthaushalts um 26 % und die Ausgaben um 12 %. Der Haushaltsüberschuss im Jahr 2021 betrug 6 % der TNTR. Das Haushaltsgesetz der Stadt sieht für 2022 ein Haushaltsdefizit von 9 % der TNTR vor, das durch neue Anleiheemissionen gedeckt werden soll. Bei ungünstigen Verhältnissen auf dem Fremdkapitalmarkt kann die Stadt in Vorjahren angesammelte Kontoguthaben zur Deckung des Defizits verwenden.

Die hochentwickelte Wirtschaft der Stadt sorgt für eine diversifizierte Steuerbasis. Das BRP pro Kopf in Sankt Petersburg liegt konstant um das 1,5-fache über dem Landesdurchschnitt. Die Steuereinnahmen sind nach Sektoren stark diversifiziert: Nach Berechnungen von ACRA überstieg die durchschnittliche Schätzung des maximalen Anteils einer einzelnen Branche an den Steuereinnahmen der Stadt im Zeitraum 2018-2021 nicht 17 %. Die Arbeitslosigkeit blieb bisher konstant niedrig und habe im betrachteten Zeitraum 3 % nicht überschritten. Der durchschnittliche Monatslohn war 2021 fast sechsmal höher als das Existenzminimum der Stadt.

Die Ratingagentur geht von der Aufrechterhaltung der TNTR der Stadt im Jahr 2022 auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2021 sowie einem Ausgabenwachstum von 8 % aus, wie auch von der Beibehaltung einer konservativen Schuldenpolitik und Aufrechterhaltung einer hohen Budgetliquidität.

Die Invasion in die Ukraine spielt bei dem glänzenden Bild, das die Ratingagentur von der Bonität der russischen Hafenstadt an der Ostsee zeichnet, keine Rolle und findet nicht einmal Erwähnung. Für den stabilen Ausblick geht ACRA davon aus, dass das Kreditrating innerhalb von 12 bis 18 Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit unverändert bleibt. Eine negative Bewertungsaktion kann veranlasst werden durch ein Anwachsen der Schuldenlast auf über 30 % der aktuellen Einnahmen der Stadt oder bei einem signifikanten Rückgang der verfügbaren Liquidität.

Die Argumentation der Ratingagentur lässt nicht auch nur andeutungsweise den Schluss zu, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland eine politische Wirkung entfalten könnten. Das Wort „Ukraine“ kommt nicht vor. So begründet ACRA die Beibehaltung der Bestnote AAA(RU) für Sankt Petersburg. Der Ratingbericht der Agentur liest sich so, als wäre der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht der Rede wert.

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EIU bewirbt sich mit ESG

Von Dr. Oliver Everling | 6.April 2022

Als Dr. Walter Homolka und Tung-Quan Nguyen-Khac 1996 ihren Beitrag „Ethisch-ökologisches Rating“ im „Handbuch Rating“ (Büschgen/Everling) veröffentlichten, war es noch umstritten, ob ein dieses Thema überhaupt in ein solches Standardwerk der Finanzwirtschaft gehört, zumal es sich um die erste derartige Veröffentlichung im deutschen Sprachraum handelte. Heute dagegen bewerben sich alle führenden Ratingagenturen darum, ihr Knowhow zur Beurteilung von Unternehmen nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien aufzubauen und anzubieten.

So verspricht auch die „Economist Intelligence Unit“ (EIU) umfassende Bewertung: „Gewinnen Sie eine solidere Perspektive. Anhand von 90 Indikatoren in neun verschiedenen Kategorien gehen wir über die Schlagzeilen hinaus, um den Einfluss zu messen, den Regierungen, Unternehmen und die Gesellschaft auf die ESG-Nachhaltigkeit haben.“

Die ESG-Analysten der EIU sind die Forschungs- und Analyseabteilung von The Economist Group, dem Schwesterunternehmen der Zeitung „The Economist“. Zwar wurde die Einheit schon 1946 gegründet und verfügt über mehr als 70 Jahre Erfahrung darin, Unternehmen, Finanzunternehmen und Regierungen dabei zu helfen, sich in der sich ständig verändernden globalen Landschaft zurechtzufinden. Der Anspruch im Bereich Nachhaltigkeit wird heute aber wie kaum zuvor in den Vordergrund gestellt.

EIU wirbt mit globaler Abdeckung: „Messen Sie einfach den ESG-Fußabdruck Ihres gesamten Anlageportfolios oder Ihrer gesamten Lieferkette. Unser Service deckt 95 % der Weltwirtschaft mit einem Index von 150 Ländern ab und ermöglicht es Ihnen, ESG-Risiken in allen Märkten genau zu identifizieren.“

Mit vierteljährlichen Updates sollen EIU-Kunden der sich verändernden ESG-Dynamik auf der ganzen Welt immer einen Schritt voraus bleiben können. „Erfassen Sie die wichtigsten Trends, die die Nachhaltigkeitsagenda prägen, mit der umfassenden politischen und wirtschaftlichen Berichterstattung und der vierteljährlichen Berichterstattung von EIU.“

EIU erklärt Länderrisiken aus dem Umwelt-, Sozial- und Governance-Umfeld (ESG) mit Expertenanalysen und greift bei den Bewertungen auf qualitative Indikatoren und umfangreiche offizielle Daten von EIU zu. Der ESG-Gesamtindex, einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Aufschlüsselungen, reflektiert historische ESG-Risikobewertungen und -indikatoren allerdings erst seit dem Jahr 2015, während Wettbewerber wie die oekom research (heute ISS/Deutsche Börse) bereits seit 1993 Daten sammeln. Immerhin bringt nun auch EIU vierteljährliche Berichte zu wichtigen ESG-Trends und -Entwicklungen.

Der ESG-Fußabdruck von Anlageportfolios oder von Lieferketten, Benchmarking der ESG-Richtlinien der Länder nach Gesamtauswirkungen oder spezifischen Treibern, die Entwicklung der  Treiber der Nachhaltigkeit im Laufe der Zeit und weltweit sowie Bewertungen der langfristigen Risiken und Chancen, die durch ESG-Faktoren entstehen, gehören nun zum Programm von EIU.

The Economist Intelligence Unit Ltd gehörte zu den nach der EU-Verordnung über Ratingagenturen von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) registrierten Agenturen. ESMA gab bekannt, dass eine De-Registrierung bereits zum 1. Januar 2021 erfolgte. Seither verzeichnet ESMA weder eine Registrierung noch eine Zertifizierung der Credit Ratings dieser Ratingagentur.

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Globales Anlageuniversum gegen Krisen und Kriege

Von Dr. Oliver Everling | 5.April 2022

Die Aktienmärkte werden nicht vom Krieg in der Ukraine getrieben, auch wenn die Volatilität deshalb hoch und Anleger besorgt sind. Beatrix Ewert, Client Portfolio Manager bei Lazard Asset Management, rät zu Qualitätsaktien mit langfristiger Perspektive.

Im ersten Quartal 2022 hat der globale Aktienindex MSCI World rund 4,1 Prozent verloren, argumentiert die Expertin – das entspricht dem Wertverlust von Januar. „Die Ankündigungen der US-amerikanischen Notenbank Federal Reserve, die Zinsen zu erhöhen, hat die Korrekturen am Aktienmarkt ausgelöst. Nicht die Ukraine-Krise“, zieht Kapitalmarktspezialistin Ewert ihre Schlüsse. Aus ihrer Sicht hat der Krieg sicherlich die Probleme verschärft, indem er die Energiepreise und die Inflation noch weiter antreibt. Aber Auslöser einer Aktienbaisse sei er bislang nicht.

„Wir sehen massive Verkäufe an den Bondmärkten, aber nicht bei Aktien“, berichtet die Client-Portfoliomanagerin von Lazard. Die Stärke auf der Aktienseite sei zunächst überraschend, aber: „Aktien können einen gewissen Inflationsschutz bieten und sind damit alternativlos.“ Doch die hohe Inflation bringe natürlich Probleme mit sich: In den USA strebt die allgemeine Teuerungsrate auf die 8-Prozent-Marke zu, in Deutschland erreicht sie im März diesen Jahres 7,3 Prozent. „Diese Werte beruhen nur zu einem geringen Teil auf Einmaleffekten. Hier liegen strukturelle Probleme zugrunde, die auch die Notenbanken unterschätzt haben. Daher sind sie jetzt in Zugzwang“, erklärt Ewert.

Konnten in den großen Krisen der letzten 20 Jahre – das Platzen der Dotcom-Blase (2000 bis 2003), die Finanzmarktkrise (2007 bis 2009), die Pandemie (seit 2020) – die Notenbanken stark gegenlenken, ist ihr Spielraum jetzt eng. Angesichts der höchsten Inflation seit den 1970er Jahren bleibt die Fed bei ihrem Plan, in jeder Sitzung einen Zinsschritt von mindestens 25 Basispunkten durchzuführen. „Die gute Nachricht ist, dass diese Zinsschritte erwartet und deshalb bereits eingepreist sind. Klar ist aber: Wir sind bei den Festverzinslichen in einem Bärenmarkt und bleiben es in den nächsten Jahren auch“, erklärt Beatrix Ewert.

„In unserem Basisszenario kommt es nicht zu einer Apokalypse und die Unternehmen verdienen weiterhin gut. Dennoch ist das Timing in der aktuellen Situation schwierig. Wir halten Aktien für einen Teil der Lösung, empfehlen aber ein Risikobudget beziehungsweise einen längeren Anlagehorizont“, empfiehlt die Expertin. „Aktien bleiben alternativlos – wenn man sich die Schwankungen leisten kann.“

Bei den Anlagestilen zeigt sich aktuell ein Comeback der Value-Werte. Doch die Experten von Lazard verfolgen eine präzisere Strategie, erklärt Beatrix Ewert: „Bei einem Vergleich von Value-, Growth- und Qualitätsaktien zeigt sich, dass Qualität Value und Growth in jedem Marktumfeld schlägt.“ Solche Unternehmen sind hoch profitabel, besitzen Preismacht, sind idealerweise wenig kapitalintensiv, verfügen über eine stabile Bilanz und eine attraktive Bewertung. „Mit solchen Titeln lassen sich auch Zeiten mit hohen Kursschwankungen gut aushalten“, sagt Beatrix Ewert.

Bei der regionalen Titelauswahl empfiehlt die Expertin von Lazard ein globales Anlageuniversum – gerade in Zeiten von Krisen und Kriegen. Es bietet eine breitere Aufstellung, die geopolitische Verwerfungen leichter abfedern kann. „Europäische Aktien bleiben aber attraktiv: Sie sollten schon aufgrund ihrer hohen Dividendenrenditen eine wichtige Rolle im Portfolio spielen“, rät die Expertin. Außerdem sei viel Kapital aus Europa abgeflossen. Nach der Beendigung des Konflikts bestehe die Chance, dass dieses wieder zurückfließt.

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Prognosemodelle mit vielen Unwägbarkeiten

Von Dr. Oliver Everling | 4.April 2022

Als Winston Churchill im Mai 1940 britischer Premierminister wurde, beendete er die Appeasement-Politik gegenüber Deutschland und setzte gegen Widerstand in seinem eigenen Kabinett eine kompromisslose Haltung durch, die auf einen militärischen Sieg über Nazi-Deutschland abzielte“, schreibt Axel D. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. Es sei nicht überliefert, so Axel D. Angermann, dass Churchill für diese Entscheidung Ökonomen zu Rate gezogen hätte, die ihm anhand ihrer Modelle vorher ausgerechnet hätten, welche Kosten der Krieg für Großbritannien mit sich bringen und um wieviel Prozentpunkte die britische Wirtschaftsleistung einbrechen würde.

„Die Entscheidung über ein Rohstoffembargo gegen Russland ist auch heute eine genuin politische“, warnt der Chef-Volkswirt aus Bad Homburg v.d.H.: „Es geht dabei letztlich darum, welche Wirkung wir von einem solchen Embargo auf die russische Position erwarten, ob wir bereit sind, selbst dafür auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten in Kauf zu nehmen und ob wir eine solche Maßnahme zur Verteidigung unserer eigenen Freiheit für notwendig erachten. Ökonomen können möglicherweise einen Beitrag zur Entscheidungsfindung leisten, indem sie die wirtschaftlichen Folgen eines Embargos abschätzen. Die Debatte der vergangenen Tage zeigt allerdings eindrücklich vor allem die Grenzen, die einer Sozialwissenschaft wie der Ökonomie in dieser Hinsicht noch immer gesetzt sind.“

Axel D. Angermann sieht insbesondere drei Faktoren:

Erstens ist die Vorhersagekraft von Modellen wesentlich davon abhängig, dass in der Vergangenheit eine vergleichbare Situation schon einmal vorlag, so dass sich die daraus gewonnenen Erfahrungen – in modifizierter Form – auf die Gegenwart anwenden lassen. Dies ist hier nicht der Fall: Für eine massive und wahrscheinlich länger andauernde Störung der Energieversorgung, die die Stilllegung von Industrieanlagen erzwingen und in deren Folge weitreichende Störungen entlang der Wertschöpfungsketten eintreten würden, gibt es kein geeignetes historisches Vorbild. Selbst die Ölpreiskrise der 70er Jahre entfaltete ihre negative Wirkung auf die Gesamtwirtschaft nicht in erster Linie über die Entstehungsseite, sondern über die Nachfrageseite.

Zweitens sind Modelle naturgemäß ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit. Das ist so lange kein Problem, wie die wesentlichen Aspekte eingefangen und von den eher unwesentlichen Aspekten abstrahiert werden kann. Im vorliegenden Fall jedoch gibt es eine Reihe wesentlicher Aspekte, die in ökonomischen Modellen nur sehr schwer bis gar nicht berücksichtigt werden können. Dazu gehören vor allem die logistischen Probleme, die ein Rohstoffembargo auslösen würde: Um die Folgewirkungen abzuschätzen, reicht eine Durchschnittsbetrachtung eben nicht aus, sondern es dürfte wesentlich sein, bei welchen Unternehmen an welchen Standorten eine Substitution von russischem Gas durch andere Rohstoffe möglich ist, mit welchen Kosten das verbunden wäre und wo das – vorerst zumindest – nicht gelingen wird.

Drittens schließlich sind dynamische Folgewirkungen schon immer ein großes Problem der Modellbildung gewesen: In einem marktwirtschaftlichen System löst ein exogener Schock Reaktionen aus, die sich oft, aber bei weitem nicht immer vernünftig abschätzen lassen, weil das hierfür erforderliche Wissen überhaupt erst in den ablaufenden Marktprozessen generiert wird. Im vorliegenden Fall betrifft das vor allem die wichtige Frage, in welchem Umfang industrielle Güter, die in Deutschland wegen des Rohstoffembargos nicht mehr hergestellt werden können, aus anderen Regionen bezogen werden können und – in langfristiger Perspektive noch wichtiger – in welchem Maße industrielle Wertschöpfung dadurch für immer verlorengeht.

Seinen Kollegen vom DIW, des Sachverständigenrates, des IMK und anderen, die sich jetzt in Studien mit den Folgewirkungen eines Embargos befasst haben, billigt Axel D. Angermann zu, sich hinsichtlich der Einschränkungen, denen ihre Modelle unterliegen, durchaus bewusst zu sein. Er ruft haber dazu auf, in der gesellschaftlichen Debatte daraus auch die richtige Konsequenz zu ziehen: Die könne nämlich nur darin bestehen, dass jedes Modell für sich genommen wesentliche Fragen unbeantwortet lässt, dass eine hinreichend genaue Abschätzung der Folgen deshalb kaum zu leisten ist und dass es sich genau deshalb um eine politische Entscheidung handeln muss.

Der Kern der Debatte wäre dann nicht, ob die deutsche Wirtschaftsleistung um 2, 3 oder 6 Prozent zurückgeht, sondern die Frage, ob hierin eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung gesehen werden soll. Churchill sei seinerzeit genau dieser Meinung gewesen und schwor deshalb seine Bürger darauf ein, ihre Insel (heute: unsere Freiheit) zu verteidigen, „wie hoch auch immer der Preis sein mag“ und versprach, „sich nie zu ergeben“.

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„Privat“ und „Privat“ ist nicht dasselbe

Von Dr. Oliver Everling | 1.April 2022

Zum Konsultationspapier vom 28. Januar 2022 der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) legt der Verband europäischer Ratingagenturen, EACRA, seine Ansichten dar. Darüber hinaus können einzelne EACRA-Mitglieder gemäß der EACRA-Geschäftsordnung separate Antworten übermitteln.

Das Konsultationspapier erwähnt mehrfach, dass die Entwicklungen auf dem Markt für Privatplatzierungen, wo häufig private Ratings verwendet werden, der Haupttreiber für die Aktualisierung dieser Richtlinie sind. Die Absicht der ESMA ist es, private Ratings zu erfassen, die sowohl von Nicht-CRAs als auch von Ratingagenturen erstellt wurden. EACRA legt in der Stellungnahme dar, dass es große Unterschiede zwischen diesen beiden Arten von „Ratingproduzenten“ und der Art der erstellten Ratings und ihrer Verbreitung gibt.

Einerseits gebe es Banken (oder andere Finanzinstitute), die private Ratings erstellen, um diese bei Privatplatzierungstransaktionen zu verwenden. Diese privaten Ratings, die nicht von einer Ratingagentur stammen, werden von anderen Finanzinstituten als Benchmarks bei der Bewertung der vorgeschlagenen Transaktion verwendet.

Andererseits erstellen mehrere Ratingagenturen zwei unterschiedliche Arten von Ratings, die beide fälschlicherweise als „private“ Ratings bezeichnet werden, so die Argumentation von EACRA. Das erste und „normale“ private Rating entspricht den Anforderungen des Artikels 2 (2) der CRA-Verordnung, da sie „ausschließlich der Person bereitgestellt werden, die den Auftrag erteilt hat, und die nicht zur Veröffentlichung oder Verteilung im Abonnement bestimmt sind“. Die zweite bezieht sich auf Ratings mit Offenlegung gegenüber (manchmal begrenzte) Abonnenten im Rahmen von Privatplatzierungen. Während der erste nicht in den Anwendungsbereich der CRA-Verordnung fällt, fällt der zweite unter die CRA-Verordnung. Im zweiten Fall kann das Rating für regulatorische Zwecke verwendet werden.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen privaten Ratings, die von Nicht-CRAs und von Ratingagenturen erstellt werden, liegt nach Darstellung der EACRA in der Verfügbarkeit der Zuordnung von Kreditratings zu regulatorischen Kreditqualitätsstufen. Im Fall von Ratingagenturen stellen die europäischen Aufsichtsbehörden eine Zuordnung der Ratings bereit, wodurch potenziellen Anlegern ein klarer und objektiver Hinweis auf die Kreditqualitätsstufe und damit auf die Kapitalanforderungen gegeben wird. Bei Nicht-CRAs ist kein Mapping verfügbar, daher kann das private Rating nur als Ratingindikation verwendet werden. Zusätzlich werden von Ratingagenturen erstellte „Private Placement Ratings“ überwacht und sind daher auch für Sekundärmarkttransaktionen geeignet.

Quelle: EACRA response to ESMA consultation on Revision to Guidelines and Recommendations on the Scope of the CRA Regulation

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Stoned oder nüchtern?

Von Dr. Oliver Everling | 1.April 2022

In seinem Newsletter „Investmentcheck-News KW 13/2022″ bekennt Stefan Loipfinger freimütig, „in den letzten Tagen habe ich mich mehrfach mit Cannabis beschäftigt.“

Passt eigentlich zum 1. April. Aber er korrigiert gleich im nächsten Satz: „Nein, keine Sorge, mir ging es nicht um den eigenen Konsum, sondern um Anlagemöglichkeiten in dieses faszinierende Hanfgewächs.“

Ihm scheint es so zu ergehen wie vielen anderen, die auf allen Kommunikationswegen zu den variantenreichen Investments in Cannabis ermuntert werden sollen: „Mir schickte ein Finanzberater einen Flyer zu, mit dem er als Vermittler für die Schweizer Firma Cannerald gewonnen werden sollte. Sieben Prozent Abschlussprovision des Kaufpreises von 2.320 Euro pro Cannabispflanze wurden ihm geboten. Noch überzeugender ist für manche Finanzvermittler vielleicht die Bestandsprovision von sieben Prozent der Ernte.“

Auf Anfrage habe ihm der Unternehmenschef mitgeteilt, Cannerald biete keine Investments an: „Man könne nur ein Asset kaufen. Seine Firma aus dem schweizerischen Pfäffikon würde sich darum kümmern und auch die Ernte übernehmen. Da es seine Pflanzen sind, entscheidet der Kunde, ob er die Ernte verkauft oder sich liefern lässt. Dass es keinen Flyer gäbe, obwohl mir ein solcher vorliegt, hat bei mir die Frage aufgeworfen, ob der Unternehmenschef selbst ein guter Kunde ist.“

„Ob er wohl stoned oder nüchtern war,“ scherzt Stefan Loipfinger, „als die 7,56 Prozent Jahresperformance in dem nicht existierenden Flyer berechnet wurden?“

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Keine Herabstufung im Land des Putins

Von Dr. Oliver Everling | 31.März 2022

„Die Bonitätseinstufung der Region Tambow spiegelt die begrenzte Flexibilität der Haushaltsausgaben, die begrenzte Liquidität und die regionalen Wirtschaftsentwicklungsindikatoren wider, die hinter dem nationalen Durchschnitt zurückbleiben. Das Rating wird durch die antizyklische Wirtschaft der Region und den reibungslosen Schuldenrückzahlungsplan unterstützt, der größtenteils das Ergebnis der Umstrukturierung der gewerblichen Schulden ist“, schreibt die russische Ratingagentur Analytical Credit Rating Agency (ACRA) in ihrer neuesten Pressemitteilung zur Begründung ihres BBB+ (RU) für die Schulden der Region Tambow bzw. deren Anleihen.

Die Region Tambow liegt im Zentralrussland und beherbergt etwas weniger als 1 % der russischen Bevölkerung. Auf die Region entfallen etwa 0,5 % des gesamten Bruttoregionalprodukts (BRP) des Landes. Die Regierung der Region schätzt, dass sich ihr BRP im Jahr 2021 auf 409 Mrd. RUB belaufen könnte, wobei die Agroindustrie (einschließlich Agrarindustrie und Lebensmittelproduktion) etwa ein Drittel dieser Summe erwirtschaftet.

In der Urteilsbegründung kommen die Worte „Ukraine“ oder gar „Krieg“ nicht vor. Das bisherige Rating der Region wird vielmehr bestätigt, als wäre nichts geschehen.

ACRA, die Ratingagentur in Moskau, die 2015 u.a. als Antwort auf die globale Finanzkrise und die Rolle der US-amerikanischen Ratingagenturen darin und als Gegenpol zum Duopol aus Amerika gegründet wurde, stand schon damals im Ruf einer „Putin-Ratingagentur“.

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Dun & Bradstreet Holdings, Inc. zieht sich aus deutschem B2C zurück

Von Dr. Oliver Everling | 31.März 2022

Dun & Bradstreet Holdings, Inc., ein weltweit führender Anbieter von Geschäftsentscheidungsdaten und -analysen, gab den Abschluss einer Vereinbarung zur Veräußerung der Vermögenswerte seines deutschen Business-to-Consumer-Geschäfts bekannt (B2C), mit dem Marketinglösungen in Deutschland angeboten wurden.

Diese eigenständige, nicht zum Kerngeschäft gehörende Einheit erwirtschaftete im Jahr 2021 weniger als 6 Millionen Euro – oder etwa 7 Millionen US-Dollar – an Einnahmen.

Die Einnahmen aus diesem Geschäft für das laufende Jahr und das Vorjahr werden bilanziell für Zwecke des organischen Wachstums mit Wirkung zum 1. Januar 2022 eliminiert. Dun & Bradstreet erwartet keine wesentlichen Auswirkungen dieser Transaktion auf das bereinigte EBITDA im Jahr 2022.

Der Verkauf wird voraussichtlich im zweiten Quartal 2022 abgeschlossen, kündigt Dun & Bradstreet  an, vorbehaltlich der üblichen Abschlussbedingungen.

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