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Plötzlicher Reichtum und Risikoprofiling
Von Dr. Oliver Everling | 20.August 2025
Millionär über Nacht: Eine repräsentative Umfrage der Soziallotterie freiheit+ hat im Juli 2025 unter 1.000 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren erhoben, welche Wünsche und Pläne die Deutschen hätten, wenn Geld keine Rolle mehr spielte. Deutlich wird, dass es weniger um spektakulären Konsum geht als vielmehr um Sicherheit, Unabhängigkeit und persönliche Verwirklichung. Jeder Vierte träumt von einer Weltreise, jeder Fünfte von den eigenen vier Wänden. Männer formulieren häufiger den Wunsch nach einem freien, ortsunabhängigen Leben, während Frauen stärker auf Stabilität durch Wohneigentum setzen. Junge Befragte würden das Geld eher investieren, ältere Befragte sehen den Reichtum eher als Möglichkeit, Reisen zu finanzieren. Mit einer Million Euro würde über ein Drittel der Befragten zuerst für das Alter vorsorgen oder investieren.
Diese Ergebnisse sind nicht nur ein Spiegel gesellschaftlicher Sehnsüchte, sondern auch ein Lehrstück für die Finanzbranche. Sie verdeutlichen, dass Anlageentscheidungen immer im Spannungsfeld zwischen Sicherheitsbedürfnis und Freiheitswunsch stehen. Geld eröffnet Optionen, aber es zwingt zugleich zur Priorisierung. Die Beratungspraxis kann von diesen Erkenntnissen unmittelbar profitieren, da sie die Heterogenität der Anlegerinteressen aufzeigt.
In dem gemeinsam mit Monika Müller verfassten Buch „Risikoprofiling mit Anlegern“ wird dieser Aspekt systematisch aufgegriffen. Der zentrale Gedanke: Anlegerinnen und Anleger treffen ihre Entscheidungen nicht ausschließlich auf Basis von Renditeerwartungen und Risikokennzahlen, sondern entlang ihrer persönlichen Lebensziele, Wertvorstellungen und emotionalen Veranlagungen. Deshalb werden in dem Buch praxisnahe Methoden vorgestellt, wie Finanzberaterinnen und Finanzberater die Risikoneigung ihrer Kunden präzise erfassen und in den Beratungskontext einordnen können. Es wird aufgezeigt, dass klassische Risikoklassen-Modelle allein nicht ausreichen, da sie psychologische Dimensionen ausblenden. Stattdessen sind Instrumente erforderlich, die systematisch nach den Motiven, Wünschen und biografischen Erfahrungen der Kunden fragen.
So lassen sich aus der Analyse nicht nur Risikopräferenzen ableiten, sondern auch Handlungsoptionen für die Beratungspraxis entwickeln. Ein Beispiel: Wenn jüngere Anleger stärker zu Investitionen neigen, wie die freiheit+-Umfrage belegt, sollte die Beratung nicht allein auf Wachstumschancen verweisen, sondern zugleich die Bedeutung einer langfristigen Absicherung herausstellen. Bei älteren Anlegern, die Reisen und Konsum stärker in den Vordergrund stellen, gilt es dagegen, die Liquiditätsplanung und die Absicherung des Lebensstandards hervorzuheben. Genau diese Brücke zwischen quantitativen Anlageparametern und qualitativen Lebenszielen ist Kernstück des Risikoprofilings.
Die neue freiheit+-Studie verdeutlicht, wie heterogen die Wünsche und Pläne im Umgang mit unverhofftem Reichtum sind. Für die Finanzberatung folgt daraus, dass Standardlösungen nicht genügen. Notwendig ist vielmehr eine Beratung, die die individuelle Lebenssituation ernst nimmt, Risikoprofile differenziert analysiert und Anlagestrategien daraus ableitet. Reichtum allein schafft keine Antworten, er schafft Entscheidungssituationen. Die Aufgabe professioneller Beratung besteht darin, diese Entscheidungen im Einklang mit den Zielen, Werten und Risikoneigungen der Anlegerinnen und Anleger zu gestalten.
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