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Ratingagentur nach dem Zufallsprinzip

Von Dr. Oliver Everling | 24.März 2010

Der Kritik an den Ratingagenturen entzündet sich vor allem an der Bezahlung der Ratingagentur durch das zu ratende Unternehmen bzw. den Emittenten von Wertpapieren, berichtet Karl-Heinz Bächstädt in seiner Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 24. März 2010 im Deutschen Bundestag, Finanzausschuss, zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung)“.

Der potentielle Zusammenhang zwischen Umsatzgenerierung seitens der Ratingagentur und der Ratingnotenvergabe lässt nicht unerhebliche Zweifel an einer neutralen Erstellung des Ratings und der Güte einer Ratingnote aufkommen, meint Bächstädt. Seit der Umsetzung von Basel II ist eine „gute“ Ratingnote für ein Unternehmen nicht mehr nur für die Mittelbeschaffung auf dem Kapitalmarkt, sondern auch für die Kreditaufnahme bei Banken und Sparkassen essentiell.

Die Regelungen der EU-Ratingverordnung mindern zwar insbesondere durch organisatorische Anforderungen an die Ratingagenturen die Interessenkonflikte, aber können sie weder beseitigen noch entscheidend reduzieren. Bächstästd: „Die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen sichert nicht die Unabhängigkeit, wie wir aus zahlreichen anderen Bereichen des Finanzsektors, z.B. der Anlageberatung, wissen.“

Um den genannten Interessenkonflikt aufzulösen, schlägt Bächstädt ein Auswahlverfahren vor, das bestimmt, welche Ratingagentur, die gemäß EU-Ratingverordnung in der Gemeinschaft zugelassen sein muss, das Rating eines Emittenten durchführen soll. Die Auswahl sollte – unter Berücksichtigung von wenigen Kriterien, die auf die zu ratenden Objekte abstellen, z.B. international – national, Komplexität, – nach dem Zufallsprinzip erfolgen. Dabei sind zumindest für die Anfangszeit Unterschiede zwischen den Ratingagenturen hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Kapazitäten und Kompetenzen zu berücksichtigen. Aufgrund der Anbieterstrukturen des heutigen Ratingmarktes (drei große Ratingagenturen sowie eine hinreichende Zahl mittelgroßer Ratingagenturen in den einzelnen Staaten) steht eine ausreichende Zahl von Ratingagenturen zur Verfügung. Zudem wäre der Zugang zu diesem Markt nicht beschränkt; die heute de facto existierenden Markteintrittsbarrieren reduzieren sich.

Die Auswahl einer Ratingagentur gilt nach dem Vorschlag von Bächstädt für das Erstrating sowie eine kleine Anzahl der Folgeratings. Danach hat eine andere Ratingagentur, die ebenfalls nach dem Zufallsprinzip bestimmt werden sollte, die nächsten (Folge-)Ratings zu erstellen. Die Vergütung der Ratingagentur kann sich nach einer Gebührenordnung richten, so Bächstädt, die auf die heutigen Marktpreise zurückgreift und damit Preisbestandteile wie Umfang und Komplexität der Aufgabe erfasst. Damit wird zugleich ein Preiswettbewerb zulasten der Qualität weitgehend unterbunden.

Die organisatorische Durchführung des Auswahlverfahrens kann bei der Aufsichtsbehörde erfolgen, schlägt Bächstädt vor. „Aspekte des vorgestellten Verfahrens sind bereits Gegenstand von Diskussionen in anderen Bereichen der Wirtschaft, in denen Interessenkonflikte auftreten. Ähnlichen Interessenkonflikten wie Ratingagenturen unterliegen die Abschlussprüfer (Wirtschaftsprüfer) bei der Prüfung des Jahresabschlusses eines Unternehmens: Das zu kontrollierende Unternehmen bestellt sich seine eigenen Kontrolleure; Beauftragung und Bezahlung erfolgen durch das zu prüfende Unternehmen. Zudem führt der zunehmende Wettbewerbsdruck zwischen den Wirtschaftsprüfern verstärkt zu Abhängigkeiten und finanziellem Druck auf die Wirtschaftsprüfer. Die BaFin empfiehlt, dass die Kreditinstitute in größeren Zeitabständen (nach mehreren Jahren) den Abschlussprüfer wechseln. Diesem Wunsch wird auch entsprochen.“

Die Einschränkung der freien Wahl von Vertragspartnern in besonderen Fällen besteht bereits heute, darauf weist Bächstädt hin: Nicht jeder Wirtschaftsprüfer darf Kreditinstitute prüfen. Die BaFin trifft eine Vorauswahl. Eine entsprechende Regelung für Ratingagenturen findet sich bereits in der EU-Ratingverordnung. Auch bei den „§ 44er“-Prüfungen (Sonderprüfungen auf Veranlassung der BaFin gem. § 44 KWG) kann das zu prüfende Institut sich seinen Prüfer nicht selbst aussuchen, sondern bekommt ihn von der BaFin zugewiesen. Trotzdem hat das Institut die Kosten der Prüfung zu tragen. Angesichts der enormen Bedeutung von Ratings in der heutigen Zeit sind Einschränkungen bei der Auswahl der Ratingagenturen vertretbar.

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