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Schluss mit „Putins Krieg“

Von Dr. Oliver Everling | 28.April 2022

Jeder – und wahrscheinlich auch die russischen Angreifer – wünscht sich ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine. Schluss mit „Putins Krieg“ – ja, aber inzwischen hat dieser Satz auch eine weitere Bedeutung: „Schluss mit dem Krieg“ – Schluss aber auch mit „Putins Krieg“.

In Gabor Steingarts „The Pioneer Briefing Economy Edition“ heißt es heute: „Putins Krieg ist nicht allein Putins Krieg. Wenn Olaf Scholz in mittlerweile jedem zweiten Satz von ‚Putins Krieg‘ spricht, dann will er damit sich und Merkel und vielen anderen einen Persilschein ausstellen, auf dem steht: Putin war’s. Ich bin unschuldig.“

Für die Toten in der Ukraine sind nicht allein diejenigen verantwortlich, die die Kanonen betätigen oder die Panzer steuern. Putin allein verantwortlich? „Dem muss widersprochen werden. Putin wurde zum Losschlagen regelrecht ermuntert und zwar durch eine Politik der Unentschlossenheit“, heißt es im Pioneer Briefing.

Der Beginn der Fehler in der deutschen Politik lässt sich sogar datieren: 2013 wurde die FDP vom deutschen Wähler nicht nur aus der Bundesregierung, sondern auch aus dem Deutschen Bundestag geworfen. Die Außenpolitik unter der Führung von Guido Westerwelle fand ein abruptes Ende (wie übrigens auch die damals schon weitsichtig angelaufenen Maßnahmen zur Vorsorge gegen jede eventuelle Corona-Epidemie).

In der erneuten Großen Koalition von Union und SPD nach der Bundestagswahl 2013 wurde Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 17. Dezember 2013 im dritten Kabinett Merkel wieder Außenminister. Seitdem wurde die Außenpolitik in der entscheidenden Zeit, um einen Krieg in der Ukraine zu verhindern, von der SPD gestaltet, Sigmar Gabriel (SPD) vom 27. Jan. 2017 bis 14. Mär. 2018, Heiko Maas (SPD) 14. Mär. 2018 bis 8. Dez. 2021.

In der seit Juni 2014 tagenden semi-offiziellen, quadrilateralen Kontaktgruppe im „Normandie-Format“ (auch „Normandie-Quartett“ genannt), spielte Deutschland vornehmlich auf Regierungs- und Außenministerebene zwischen Russland, Frankreich und der Ukraine zu Fragen des Ukraine-Konflikts die entscheidende Rolle.

Die blutrote Spur der Ursachen des Krieges führt aus der Ukraine auch nach Deutschland – eine unbequeme Tatsache, die vermutlich angesichts des besonderen Verhältnisses von Gabor Steingart bzw. des Teams von „The Pioneer“ zu Sigmar Gabriel im heutigen „Briefing“ nicht auch an den Personen der verantwortlichen SPD-Außenminister festgemacht wird.

Welche Last Deutschland noch aufgrund der 2021 sogar ins Kanzleramt gewählten SPD-Genossen zu tragen hat, wurde im Rahmen des 35. FERI-Konjunktursymposiums am 27. April 2022 deutlich: „Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit bedeuten Reputationsverlust“, hieß es dort, und die Liste der Fragezeichen ist lang: Gestaltung der Beziehungen zu Russland, strategische Ausrichtung der Außenpolitik, Verteidigungsfähigkeit, Nord-Stream 2 und insbesondere Umgang mit Besorgnissen europäischer Partner, eigene Abhängigkeit von russischen Energieimporten, fehlender Ausbau alternativer Energieträger, usw.

Axel Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe, machte auf den inhärenten Widerspruch zwischen der Bedeutung, die Deutschland qua Größe für EU und EWU zukommt, und tatsächlich gelebter Vorbildfunktion aufmerksam und zeigte die Folgen auf: Einfluss Deutschlands auf künftige Gestaltung Europas geringer als möglich; größere Heterogenität innerhalb der EWU (und Risiko des Auseinanderbrechens) oder stärkere Transferelemente innerhalb der EWU.

Deutschland wird mit einem gesamtwirtschaftlichen Wachstum von weniger als 2 Prozent im laufenden Jahr das Schlusslicht im Euroraum bilden. Bereits die niedrige Impfquote und das lange Festhalten an Beschränkungen haben dazu geführt, dass die Wirtschaftsleistung noch unter dem Vor-Corona-Niveau liegt.

„In der veränderten geopolitischen Lage erweisen sich die zahlreichen Versäumnisse in der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre und insbesondere eine katastrophale Energiepolitik mit ihrer enormen Abhängigkeit von russischem Gas bei gleichzeitiger Unfähigkeit zum Ausbau regenerativer Energieträger als schwere Hypothek für die deutsche Wirtschaft“, führte der Chef-Volkswirt der FERI Gruppe in seinem Vortrag beim Konjunktursymposium aus.

Bei der Veranstaltung, die in diesem Jahr zum 35. Mal durchgeführt wurde, diskutierten Branchenexperten aus verschiedenen Bereichen der deutschen Wirtschaft sowohl in Präsenz als auch online die konjunkturellen Perspektiven.

Themen: Branchenrating, Länderrating | Kein Kommentar »

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