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Trotz Verbesserung kaum Haushaltsflexibilität der Bundesländer

Von Dr. Oliver Everling | 13.Mai 2016

Das Schweizer Bonitätsinstitut Independent Credit View AG (I-CV) analysierte die Kreditprofile der deutschen Bundesländer. I-CV versteht sich seit 2003 als „erste unabhängige Research Boutique für institutionelle Bondinvestoren“. In der umfangreichen Untersuchung ermittelte I-CV zuerst die intrinsische (stand-alone) Kreditqualität jedes einzelnen Bundeslandes und im zweiten Schritt die Bonität unter Berücksichtigung der Komponente Systemstärke. Hier fließen Faktoren wie Stabilität, Transparenz und Unterstützung der Länder untereinander sowie vom Bund ein. Die Ergebnisse der Analyse zeigen, so berichtet die Gesellschaft aus Zürich, dass bei Ausblendung der Systemunterstützung und Fokussierung auf die intrinsische Kreditqualität die Bundesländer aus Kreditperspektive immer weiter auseinanderdriften. Anleiheninvestoren sollten daher diese Bonitätseinstufung bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen, folgern die Analysten von I-CV.

„Der Ansatz dieser zweistufigen Analyse ermöglicht eine differenzierte Betrachtung und erlaubt es dem Anleiheninvestor, sich entsprechend bei den soliden Emittenten im Universum zu positionieren und die Anfälligen zu meiden“, erläutert Gabriele Baur, Autorin der I-CV-Analyse zu den deutschen Bundesländern. Während das Rating-Spektrum unter Berücksichtigung der Unterstützungsfähigkeit und -bereitschaft des Bundes sowie der Länder von AA+ bis A reicht, weist die stand-alone Kreditqualität gemäß den aktuellen Untersuchungen eine breite Spannweite von acht Ratingstufen (AA+ bis BBB-) aus. „Wir empfehlen Anlegern aus diesem Grund ein besonderes Augenmerk auf die intrinsische Bonität der Emittenten zu legen und so Überraschungen vorzubeugen“, sagt Baur.

Das Scoring-Modellergebnis, basierend auf den aktuell verfügbaren 2014er Zahlen, reflektiert die gute wirtschaftliche Entwicklung der Mehrheit der deutschen Bundesländer, die sich ebenfalls positiv auf die Einnahmenseite der Länderhaushalte ausgewirkt hat. Demzufolge ist der durchschnittliche Score (auf vergleichbarer Basis) der Länder leicht angestiegen. Die einzige Ausnahme bildet Schleswig-Holstein, wo sich die Wirtschafts- und Haushaltsdaten verschlechtert haben und in der Folge zu einem schwächeren Score-Wert führten. Das deutsche Wirtschaftswachstum für 2014 und 2015 war vor allem im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern positiv.

Die Wirtschaft wuchs 2014 um 1,6% und 2015 um 1,7% (Eurozone: 0,9% und 1,5%). Diese Entwicklung schlug sich in stark steigenden Steuereinnahmen für die Gesamtheit der Bundesländer nieder. Für 2014 stiegen die Steuereinkommen der Länder (nach Umverteilung) um 4,1% auf EUR 254,3 Mia. und für 2015 um 5,4% auf EUR 267,9 Mia. Die Schätzungen für das Steuerwachstum der Länder 2016 sind etwas moderater, jedoch mit 2,9% weiterhin sehr positiv im Kontext der global eher verhaltenen Wirtschaftssituation.

Entsprechend konnte die Mehrzahl der Bundesländer ihre Haushaltssituation in 2014 verbessern. „Dies zeigte sich schon auf Niveau der bereinigten laufenden Haushalte,“ bemerken die Analysten aus Zürich, „in denen höhere Überschüsse erzielt wurden oder wenigstens gehalten werden konnten. Es gab nur eine Ausnahme, das bereits erwähnte Schleswig-Holstein, wo sich der Saldo im laufenden Haushalt signifikant vermindert hat.“ Ein Hauptgrund für den schlechteren Abschluss in diesem Bundesland sei der Rückgang der Steuer- und den steuerähnlichen Einnahmen, trotz eines mäßigen Ausgabenwachstums.

„Ein weiterer Wehrmutstropfen bei den generell positiven Haushaltsergebnissen war das teils sehr geringe Wachstum der Steuereinnahmen in den neuen Bundesländern, außer in Mecklenburg-Vorpommern. Auch haben acht Länder trotz gesamtwirtschaftlichem Rückenwind immer noch mit einem Gesamtdefizit abgeschlossen, wenn auch in geringerem Umfang als bei unserem letzten Review. Die Verschuldung in Prozent der laufenden Einnahmen hat sich im Durchschnitt über die 16 Bundesländer betrachtet von 240% auf 221% reduziert“, so Baur.

Innerhalb des intrinsischen Ratings wurden aufgrund der jüngsten Untersuchungen drei Ratings nach unten revidiert. Rheinland-Pfalz auf BBB+ von A- in Folge der weiterhin schwachen Haushaltsdaten (starke Zuwächse bei den laufenden Ausgaben, anhaltende Defizite und ein signifikantes Defizit im Gesamthaushalt). Das Saarland wurde auf BBB von BBB+ reduziert wegen der sich weiter verschlechternden Haushaltssituation und den hohen und stark gestiegenen Schulden der Kommunen (+32% im Zeitraum 2010-2014) mit einem hohen Anteil an Kassenkrediten.

Bremens Herabstufung auf BBB- von BBB+ erfolgte aufgrund der sich trotz Konsolidierungsbemühungen weiterhin verschlechternden Haushaltssituation und der extrem hohen Verschuldung (in % der Einnahmen). Die Ratings unter Berücksichtigung der Unterstützung durch das System (Bund und Länder) haben sich jedoch nicht verändert. Bayern mit AA+ sowie Baden-Württemberg und Sachsen mit AA im intrinsischen Rating bleiben die am besten gerateten Bundesländer.

„Nach unserer Einschätzung sollte sich die Mehrzahl der Haushalte 2015 weiter verbessert haben. Jedoch für 2016 gestaltet sich das wirtschaftliche Umfeld schwieriger und Länder wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen werden weiterhin unter Druck bleiben, da diese kaum die notwendige Haushaltsflexibilität besitzen und jede Verschlechterung der Einnahmen- oder Ausgabenseite sich direkt negativ auswirkt. Gerade auf der Ausgabenseite bleiben alte Herausforderungen wie Vorsorgeausgaben, Transfers an die Kommunen (nicht reguläre wie etwa in NRW), Investitionen in die Infrastruktur, indirekte Verpflichtungen aus Eigenbetrieben und Beteiligungen bestehen, während sich neue Problemfelder (Kostenaufteilung für Flüchtlingshilfe und -integration) eröffnet haben. Für Investoren sind daher die laufenden Bonitätseinstufungen eine gute Orientierungshilfe, um die Chancen und Risiken ihrer Anleiheninvestments besser abwägen zu können“, sagt Baur abschließend.

Die in der Schweiz ansässige I-CV wird nicht von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA beaufsichtigt, da sich die EU-Verordnung über Ratingagenturen nur auf die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bezieht.

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