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Von der Wall Street zur Main Street

Von Dr. Oliver Everling | 31.Januar 2010

Der US-amerikanische Präsident Barack Obama bediente sich dieser Formulierung schon oft: Aus der auf die Adressen an der Wall Street beschränkten Subprime-Krise ist längst eine allgemeine Wirtschaftskrise geworden, die sich auf der Hauptstraße, der „Main Street“, abspielt. Daher der Titel des neuen Buches im Oldenbourg Verlag München (http://www.oldenbourg.de/) mit dem Untertitel „Die Weltwirtschaft nach der Finanzkrise“ von Michael Bloss, Dietmar Ernst, Joachim Häcker und Nadine Eil.

Die Autoren sind schon früher durch ihre Schlagfertigkeit aufgefallen, schnell zu aktuellen Themen ein Buch zu liefern. „Von der Subprime- zur Finanzkrise“ kann praktisch als „Band 1″ zu dem nun vorgelegten „Band 2″ gesehen werden. Die Erfahrungen im Schreiben eines solchen Buches wirken sich positiv auf den neuen Titel aus: Mit 368 Seiten nicht zu lang und nicht zu kurz, optisch ansprechend zweifarbig gestaltet, vielen Tabellen und Diagrammen und aufgelockert durch Fotoillustrationen. Ein Lesebändchen hilft beim Wiederauffinden von Textstellen.

Die Hauptkapitel sind strikt nach Fragestellungen organisiert: Wie kommt es von einer Finanzkrise zu einer Weltwirtschaftskrise? Geldpolitik und Finanzmarkthysterie – eine Welle von wandernden Blasen? Lüsst sich die aktuelle Finanzkrise anhand von Behavioral Finance erklären? Wie John Maynard Keynes und Adam Smith die Finanzkrise in Deutschland heute lösen würden. Welche Rolle spielen Bilanzausgliederungen in der Finanzkrise? Die Rolle von IFRS und US-GAAP bei der Fair Value-Bewertung in der Finanzkrise? Welche Rolle spielen die Hedgefonds in der Finanzkrise? Wie werden die Investmentbanken nach der Finanzkrise aussehen? Wie sind die BRIC Länder von der Finanzkrise betroffen?

Nach der Suche nach Antworten auf diese Fragen – teils in der Theorie, teils in der Praxis, gemessen an statistischen Daten – folgen Handlungsempfehlungen des DICF, des Deutschen Instituts für Corporate Finance (http://www.dicf.de/). „Das bestehende System der Ratingagenturen muss geändert werden“, fordern die Autoren und zeigen einige Missstände auf. „Es erscheint uns nicht einsichtig, warum nur im Wesentlichen drei amerikanische Ratingagenturen weltweit Unternehmen, Institutionen und sogar Länder raten. Im Prinzip decken drei Ratingagenturen den gesamten europäischen Markt ab, zwei von ihnen kontrollieren 80 % des Marktes.“

Die Autoren plädieren für die Einrichtung von europäischen Ratingagenturen, die grundsätzlich so ausgestaltet sein sollten, dass sie eine Reihe von Ansprüchen erfüllen. Dazu zählen sie die Interessenkonflikte, den Ausschluss der Haftung und die Transparenz der Ratings. Leider werden speziell die Forderungen bezüglich der Ratingagenturen nicht aus den vorhergehenden Kapiteln hergeleitet, sondern stehen eher isoliert: So müsste beispielsweise eingehender der Anspruch diskutiert werden, dass „ein klarer Zusammenhang von Rendite und Risikobewertung sichergestellt werden“ muss. Hier fragt sich, an wen sich die Forderung richtet – da Ratingagenturen Ausfallrisiken einschätzen und nicht selbst am Markt agieren, können sie keinen direkten Einfluss auf die Marktbewertungen ausüben.

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