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Weltordnung bleibt auf Schulden aufgebaut
Von Dr. Oliver Everling | 20.August 2025
„Die Vereinigten Staaten haben in den vergangenen 17 Jahren eine Phase erlebt, die Werner Krämer, Geschäftsführer und Senior Economic Analyst bei Lazard Asset Management Deutschland, als „goldenes Zeitalter“ bezeichnet. „Im Vergleich zu den G7-Staaten sahen wir hier die beste Entwicklung beim Bruttosozialprodukt und bei der Arbeitsproduktivität. Die USA führen bei Innovation und auf dem Aktienmarkt, bei der militärischen Stärke und bei der Soft Power, also kulturelle Werte und positive Außenwahrnehmung. In den letzten 17 Jahren haben die USA ein goldenes Zeitalter erlebt.“
Doch nach Ansicht Krämers ist diese Ära an ihr Ende gekommen. Die Vereinigten Staaten entfernten sich zunehmend von den Grundlagen ihres Erfolgs: Globalisierung, Freihandel und offene Märkte. „Was wir derzeit erleben, ist nichts weniger als eine neue Weltordnung“, warnt Krämer. Maßnahmen wie Steuersenkungen, die sonst als Wachstumsimpuls gelten, führten heute zu „gravierenden Ungleichgewichten“. Besonders kritisch sieht er die Folgen für die Staatsverschuldung, den Arbeitsmarkt und die Soft Power der USA.
Die Dimension der Verschuldung ist aus Sicht Krämers dramatisch: „Die Ausgaben für die Zinslast (zuletzt rund 1,1 Milliarden US-Dollar/Jahr) übertreffen inzwischen die Ausgaben für Verteidigung (zuletzt rund 855 Milliarden US-Dollar/Jahr).“ In Kombination mit einer restriktiven Einwanderungspolitik und Defiziten im Bildungswesen entstehe eine gefährliche Gemengelage, die nicht nur die US-Wirtschaft, sondern auch die internationale Ordnung betreffe.
Besondere Sorge bereiten Krämer die Währungsmärkte. Der US-Dollar sei so schwach wie seit 1971 nicht mehr, während alternative Anlageformen wie Gold, Bitcoin oder der Schweizer Franken gefragt seien. „Sollte die Rolle des US-Dollar als Reservewährung ernsthaft infrage gestellt werden, wären wir in einer anderen Welt“, betont Krämer. Zwar fehle derzeit eine wirkliche Alternative, insbesondere da der Rohstoffhandel in US-Dollar abgewickelt werde, doch die Signale seien eindeutig: „Das erste Quartal 2025 ist für den US-Dollar in der Breite – nicht nur gegenüber dem Euro – das schlechteste seit 1971 gewesen.“
Während sich die Devisenmärkte in Schieflage befinden, wirken die Anleihemärkte bislang erstaunlich stabil. Krämer verweist jedoch auf eine auffällige Entwicklung: „Credit Spreads zeigen den Aufpreis, den Emittenten für ein höheres Risikoprofil zahlen müssen. Doch der Unterschied zwischen vermeintlich sicheren Staatsanleihen und anderen Bonds ist historisch gering – und in den USA ist der Spread sogar noch enger als in Europa.“ Für ihn ist dies ein Signal, dass Investoren den Schuldenberg der Vereinigten Staaten kritisch sehen und die Finanzierung zunehmend teuer wird.
Die Analyse von Werner Krämer macht deutlich, dass die USA zwar noch immer das Flaggschiff der Weltwirtschaft sind, die Grundfesten dieser Position jedoch wanken. Eine neue Weltordnung sei im Entstehen – und sie sei „auf Schulden gebaut“.
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