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Souverän durch Technologie: Wie die DZ Bank ihre digitale Unabhängigkeit neu definiert

Von Dr. Oliver Everling | 3.Dezember 2025

Die Closing Keynote von Dr. Christian Brauckmann, Mitglied des Vorstands der DZ Bank, setzte auf der Handelsblatt-Tagung BankenTech 2025 ein markantes Ausrufezeichen hinter zwei Themen, die die Branche für das kommende Jahrzehnt prägen werden: digitale Souveränität und die Fähigkeit, technologische Innovation kontrolliert, sicher und effizient zu skalieren. Sein Vortrag machte deutlich, dass Banken technologische Fortschritte nicht nur adaptieren, sondern aktiv gestalten müssen, wenn sie ihre Unabhängigkeit wahren und zugleich die Erwartungen eines zunehmend digitalen Finanzmarkts erfüllen wollen.

Brauckmann skizzierte die Strategie der DZ Bank entlang eines klaren Grundsatzes: Abhängigkeiten reduzieren, Innovation steigern. Dies zeigt sich besonders in der Modelloffenheit der hauseigenen GenAI-Plattform, auf der Lösungen wie der DZ Chat betrieben werden. Die Bank setzt bewusst auf verschiedene Anbieter, um technologische Flexibilität zu sichern und Exit-Strategien jederzeit möglich zu halten. Diese Offenheit schützt nicht nur vor Lock-in-Effekten, sondern erlaubt es auch, stets die besten Modelle und Technologien einzusetzen, ohne langfristig an einen Hyperscaler oder ein proprietäres Ökosystem gebunden zu sein.

Von zentraler Bedeutung ist für Brauckmann die Frage, wo und wie Daten verarbeitet werden. Die DZ Bank verfolgt deshalb eine Cloud-Strategie, die auf Rechenzentren in Europa setzt und die regulatorische wie technologische Souveränität in den Mittelpunkt stellt. Europäische Standorte für Datenhaltung und Compute sind kein politisches Statement, sondern eine geschäftskritische Notwendigkeit, um langfristige Sicherheit, Compliance und Kontrolle zu garantieren. Gleichzeitig erlaubt diese Architektur die konsequente Umsetzung von Exit-Szenarien, sollte sich die Abhängigkeit von einem Cloud-Anbieter technologisch oder geopolitisch als kritisch erweisen.

Das Herzstück dieser Strategie bildet das Zielbild der Virtual Hybrid IT-Infrastructure. Brauckmann beschreibt es als hochstandardisierte, übergreifende Plattform, die Cloud-Umgebungen und eigene Rechenzentren so miteinander verbindet, dass Anwendungen immer dieselbe Umgebung vorfinden – unabhängig davon, wo sie tatsächlich betrieben werden. Die IT bestimmt dynamisch den optimalen Ausführungsort, während die Anwendungen einheitliche Operations- und Runtime-Plattformen nutzen können, basierend auf Containern, virtuellen Maschinen und standardisierten Integrations- und Datenbankdiensten. Zero-Trust-Ansätze sichern die Perimeter, während eine konsolidierte Netzwerkarchitektur die Komplexität reduziert.

Dieses Modell ermöglicht Effizienz durch Arbeitsteilung, Kostenvorteile durch intelligente Steuerung von Compute-Kapazitäten und eine signifikante Verringerung technologischer Komplexität. Die Bank schafft damit eine Infrastruktur, die flexibel skaliert, regulatorisch sauber bleibt und Innovation nicht behindert, sondern beschleunigt.

Besonders eindrücklich wurde Brauckmanns Souveränitätsverständnis im Blick auf den Zahlungsverkehr. Während viele Wettbewerber ihre Infrastruktur an externe Dienstleister ausgelagert haben, ist die DZ Bank bewusst den gegenläufigen Weg gegangen und hat den Zahlungsverkehr zurück ins eigene Haus geholt. Damit setzt sie ein starkes Signal: kritische Kerninfrastruktur gehört in die eigene Verantwortung, weil sie zentrale Grundlage für Stabilität, Sicherheit und Unabhängigkeit ist.

Der Single Euro Payments Area (SEPA) war „ein riesengroßer Schritt hin zu europäischer Souveränität“, so Brauckmann, weil es erstmals gelungen ist, den Zahlungsverkehr im gesamten Euroraum zu vereinheitlichen und damit eine eigenständige, robuste Infrastruktur zu schaffen, die nicht von außereuropäischen Systemen abhängig ist. Indem Überweisungen und Lastschriften in Europa genauso einfach und effizient funktionieren wie nationale Zahlungen, wurde ein Binnenmarkt für Zahlungsdienste geschaffen, der Effizienzgewinne, Wettbewerb und Innovation ermöglicht. SEPA hat die technische Grundlage gelegt, auf der heute Echtzeitverfahren, digitale Identitäten und neue europäische Zahlungslösungen aufbauen können. Vor allem aber hat SEPA gezeigt, dass Europa gemeinsame Standards schaffen kann, die wirtschaftliche Integration vertiefen und die strategische Autonomie stärken – ein Prinzip, das angesichts geopolitischer Spannungen und der Dominanz globaler Tech-Plattformen aktueller ist denn je.

Zum Abschluss wurde deutlich, dass Brauckmann nicht technologische Euphorie predigt, sondern strategische Konsequenz. GenAI, Cloud und moderne Zahlungsverkehrsplattformen sind für ihn keine isolierten Innovationen, sondern Bausteine einer Zukunft, in der Banken nur dann erfolgreich bleiben, wenn sie ihre technologische Basis selbst beherrschen. Die DZ Bank setzt dafür auf Diversifikation, europäische Infrastruktur, klare Governance und eine IT-Architektur, die Wandel nicht nur ermöglicht, sondern voraussetzt. Damit lieferte Brauckmann einen kraftvollen Impuls für die gesamte Branche: Souveränität entsteht nicht durch Abschottung, sondern durch bewusste, strategische Gestaltung technologischer Abhängigkeiten – und durch den Mut, kritische Infrastruktur in die eigene Hand zu nehmen.

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