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Thyssenkrupp Stahlrestrukturierung: Kredit- und Arbeitsmarktanalyse von martini.ai
Von Dr. Oliver Everling | 4.Dezember 2025
Die Analyse von martini.ai, verfasst von Rajiv Bhat, beschäftigt sich mit der umfassenden Restrukturierung des Stahlgeschäfts von Thyssenkrupp und deren Auswirkungen auf Kreditwürdigkeit und Arbeitsmarkt. Laut martini.ai ist Thyssenkrupp eine der kreditempfindlichsten Industriestorys Europas. IG Metall bestätigt, dass Zwangsentlassungen ein „letzter Ausweg“ bleiben, sie aber grundsätzlich möglich sind. Das Unternehmen signalisiert damit tiefgreifende Kostensenkungen in einem kapitalintensiven, hoch verschuldeten Bereich, der zentral für das Kreditprofil von Thyssenkrupp ist. Für Kreditmanager werden Arbeitskosten, Investitionspläne und Verschuldungskennzahlen eines systemrelevanten europäischen Industriekonzerns beeinflusst, mit Auswirkungen auf Lieferanten, Banken und Anleihegläubiger.
Die Kreditkennzahlen des Unternehmens zeigen nach martini.ai starke Schwankungen. Der 5‑Jahres-Z‑Spread stieg von etwa 1,56 % im Mai 2024 auf fast 6,98 % im Oktober 2024, als die Märkte Zweifel hatten, ob das Stahlgeschäft ohne größere finanzielle Probleme restrukturiert werden kann. Seither haben sich die Spreads auf rund 2,60 % verringert, das martini.ai Letter Rating verbesserte sich von B4 auf B2, und die einjährige Ausfallwahrscheinlichkeit sank von einem Höchstwert von 1,00 % auf etwa 0,18 %, bleibt aber mehr als doppelt so hoch wie der Tiefstwert von 0,08 % Anfang 2024. Dies zeigt, dass Worst-Case-Szenarien vorerst abgewendet wurden, Thyssenkrupp aber weiterhin im High-Yield-Bereich mit fragiler Kreditreserve verbleibt.
Die Vereinbarung mit IG Metall vom Dezember 2025 sieht laut martini.ai eine tiefgreifende, mehrjährige Überholung des Stahlbereichs vor. Geplant ist der Abbau oder die Auslagerung von rund 11.000 Arbeitsplätzen, etwa 40 % der Stahlbelegschaft, innerhalb von fünf Jahren, während die jährliche Stahlkapazität von 11,5 Millionen Tonnen auf etwa 8,7 bis 9 Millionen Tonnen reduziert werden soll. Da formale Zwangsmaßnahmen vermieden werden, setzt das Unternehmen auf teure freiwillige Programme und interne Umsetzungen, was die kurzfristigen Restrukturierungskosten erhöht, gleichzeitig aber die Kostenbasis senken soll. Diese Maßnahmen folgen auf aufeinanderfolgende hohe Verluste von rund 1,5 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2023/24, einem Rückgang des operativen Stahlgewinns um 18 % und einem jüngsten Quartal mit einem Nettoverlust von 255 Millionen Euro sowie einem Umsatzrückgang im Stahlbereich von 13 % im Vergleich zum Vorjahr.
Trotz der operativen Belastung verfügt Thyssenkrupp laut martini.ai über eine ungewöhnlich starke Konzernbilanz. Ende 2024 hielt das Unternehmen rund 5,7 Milliarden Euro an Barmitteln gegenüber 1,4 Milliarden Euro Schulden, was einem Nettoguthaben von etwa 4,3 Milliarden Euro entspricht. Die niedrigen Verschuldungskennzahlen stehen im Vergleich zu vielen Industriekonkurrenten gut da. Der freie Cashflow von rund 323 Millionen Euro, mehr als das Doppelte des ausgewiesenen EBIT, und zugesagte Restrukturierungsfinanzierung bis 2030 geben dem Management Zeit für die Umsetzung. Dennoch bleibt das Stahlgeschäft strukturell unrentabel, belastet durch schwache europäische Nachfrage, hohe Energiekosten und starken asiatischen Wettbewerb, während gleichzeitig hohe Investitionen für ein grünes DRI-Werk in Duisburg nötig sind, um die Dekarbonisierungsziele 2030 zu erreichen.
Die martini.ai-Analyse skizziert drei Kredit-Szenarien für Thyssenkrupp. Im Basisszenario (ca. 60 % Wahrscheinlichkeit) stabilisieren sich die Spreads im Bereich von 250 bis 350 Basispunkten bei einem Rating von B2/B3, die Stahlverluste verringern sich allmählich, bleiben aber bis etwa 2027/28 unrentabel, während die Refinanzierungsrisiken durch die Nettobarmittel des Konzerns begrenzt werden. Im Abschwung-Szenario (30 % Wahrscheinlichkeit) könnten sich die Spreads wieder auf 400 bis 600 Basispunkte ausweiten, das Rating auf B4/C1 fallen, wenn Restrukturierungskosten steigen, Zeitpläne verzögert werden oder Stahlverluste die Liquidität belasten, was möglicherweise Verkäufe von Vermögenswerten oder Kapitalerhöhungen erforderlich machen würde. Das Aufschwung-Szenario (10 % Wahrscheinlichkeit) sieht eine Straffung der Spreads auf 150 bis 200 Basispunkte vor, falls die Nachfrage im Automobil- und Bausektor wieder anzieht, das geplante Joint Venture schneller Synergien liefert und Preismacht im Bereich „grüner Stahl“ entsteht.
Für Kreditverantwortliche stellt die Stahlrestrukturierung laut martini.ai einen Test dar, wie weit eine starke Konzernbilanz einen strukturell schwachen Kernbereich ausgleichen kann. Wichtige Beobachtungspunkte sind der quartalsweise Cash-Burn des Stahlgeschäfts im Verhältnis zur Konzernliquidität, die Umsetzung von Stellenabbau und Kapazitätsreduktionen, die Entwicklung des Auftragseingangs sowie die Disziplin bei Investitionen in das DRI-Werk. Die Spreads bleiben deutlich breiter als bei besser positionierten europäischen Industriekonkurrenten, was zeigt, dass der Markt weiterhin eine Prämie für Thyssenkrupps Umsetzung und Sektorrisiko verlangt. Entlassungen und Investitionskürzungen können die Verschuldung stabilisieren und Zeit verschaffen, doch ohne nachhaltige Nachfragebelebung oder glaubwürdige Wirtschaftlichkeit des grünen Stahls wird das Stahlgeschäft von Thyssenkrupp laut martini.ai über Jahre hinweg eine High-Yield-Kreditstory bleiben.
Themen: Unternehmensrating | Kommentare deaktiviert für Thyssenkrupp Stahlrestrukturierung: Kredit- und Arbeitsmarktanalyse von martini.ai
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