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Derivate und Interne Modelle in 5. Auflage

Von Dr. Oliver Everling | 22.August 2014

Wer die 5. Auflage des Buches „Derivate und Interne Modelle: Modernes Risikomanagement“ von Hans-Peter Deutsch und Mark Beinker in die Hand nimmt, sollte zuerst Seite 637 aufschlagen. Hier gibt es nämlich einen Anhang zur „Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik“.

Der Anhang ist eine nützliche Aufwärmübung für jeden, der sich länger nicht mit der Modellierung von Derivaten beschäftigt hat, denn er bringt die Propädeutik aus wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen aus deutschen Hochschulen in Erinnerung. Hier wird genau das Maß an Wissen über die Grundlagen der Wahrscheinlichekitsrechnung und der Statistik präsentiert, das auch im Studium z.B. der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten verlangt ist (oder sein sollte).

Danach fällt die Lektüre des Buches umso leichter, denn die Autoren verwenden konsequent dieselbe Symbolik und fügen nur modellspezifisch neue Symbole und Definitionen ein. Wer mit Grundbegriffen der Stochastik wie Ito Calcuclus, Girsanov-Theorem nicht vertraut ist, wird im Haupttext des Buches noch genügend eingewiesen.

Das Buch setzt aber nicht nur Freude an Statistik und Stochastik voraus, sondern auch Grundlagenwissen zur den Finanzmärkten, insbesondere auch zu Derivaten. Der Einstieg ins Buch mit den grundlegenden Risikofaktoren der Finanzmärkte käme sonst zu unvermittelt. Wer nämlich unter den Risikofaktoren an den Finanzmärkten etwa geopolitische Spannungen, konjunkturelle Einbrüche, irrationale Blasenbildungen, staatliche Eingriffe oder geldpolitische Kapriolen versteht, wird überrascht sein, bei Deutsch und Beinker unter dieser Überschrift „Zinsen“ und „Kurse“ zu lesen und sich mit den unterschiedlichen Konventionen der Zinsberechnung zu befassen (Day Count Conventions, Business Day Conventions, Diskontfaktoren usw.). Das Buch ist vielmehr fachlich klar positioniert: Es geht nur um Derivate, aber nicht um die fundamentalen Faktoren, die die Preisbildung der Underlyings beeinflussen.

Über Derivate und Interne Modelle liest man daher in sechs Teilen: Grundlagen, Methoden, Instrumente, Risiko, Portfolien und Marktdaten.

Eine bemerkenswerte Neuerung in der 5. Auflage ist die deutliche Ausweitung der Ausführungen zur Konstruktion des Zinskurvenuniversums. „Gab es früher nur einige wenige Zinskurven pro Währungsraum, hat man es heute mit einem ganzen Zoo von Zinskurven zu tun, weshalb man auch von einem Zinskurvenuniversum spricht.“ Hier ziehen die Autoren Lehren aus der Finanzkrise, die der Vorstellung einer „Ein-Kurvenwelt“ endgültig ein Ende setzte.

Wie es nun einmal für „saubere“ wissenschaftliche Arbeit zwingend notwendig ist, kommen auch die Darstellungen von Deutsch und Beinker nicht ohne eine Anzahl von mehr oder weniger realitätsfernen Prämissen aus. Diese werden von den Autoren übersichtlich auf Seiten 59 und 60 präsentiert. Zu den 14 Voraussetzungen, von denen jeweils ein unterschiedliches Bündel für einzelne Modelle „benötigt“ werden, gerhöen Annahmen über Arbitragemöglichkeiten, Liquidität, Kontrahentenrisiko oder eine Reihe möglicher „Reibungsverluste“ wie Transaktionskosten und Steuern. Das Übersehen dieser Annahmen kann Ausgangspunkt einer neuen Finanzkrise sein, wenn Teilnehmer an den Finanzmärkten massenhaft ihre Entscheidungen unter falschen bzw. realitätsfernen Annahmen trefffen. Dem Leser des Buches ist daher zu empfehlen, stets auch die Prämissen im Blick zu behalten, bevor es an die Umsetzung in die Praxis geht. Trotz Mathematisierung ist das Buch keineswegs als reines Theoriewerk zu verstehen, sondern vermittelt letztlich Praxiswissen, State of the Art.

Das Buch „Derivate und Interne Modelle: Modernes Risikomanagement“ ist ein „Muss“ für jeden im deutschsprachigen Raum, der sich professionell mit der Bewertung von Derivaten befassen will – oder muss. Titel mit vergleichbarem Anspruchsniveau sind in deutscher Sprache rar. Wer kompaktere Einführungen sucht, wird kaum fündig. Das Buch bleibt daher die Empfehlung zur Lektüre über modernes Risikomanagement mit Derivaten und Internen Modellen, insbesondere für Banker, Experten in Versicherungen, Pensionskassen und für sonstige Finanzdienstleister, aber auch für Treasurer in großen Unternehmen.

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