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EZB macht die Rechnung ohne den Markt

Von Dr. Oliver Everling | 15.Januar 2015

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Märkte mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses für den Franken überrascht. Die Kursreaktion ist deutlich: In kürzester Zeit verlor der Euro deutlich an Wert. Möglicherweise ist dies erst der Anfang einer Volatilität, die die Europäische Zentralbank vor neue Herausforderungen stellen wird.

Die Überraschung war zweifellos das wichtigste Tagesthema der Chefvolkswirte. „Die SNB hat die Vor- und Nachteile der Mindestkursbeschränkung gegeneinander aufgewogen und die Nachteile für größer befunden“, sagt Steen Jakobsen, Chefvolkswirt bei der Saxo Bank.

„Die Schweiz setzt damit ein starkes Signal an Staaten wie Japan. Der Weg zu einem starken Wachstum und langfristigem Wohlstand führt über die Selbstbestimmung des Marktes bezüglich der Währungskurse “, sagt Jakobsen. „Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank ist absolut rational und gibt den Märkten Hoffnung, indem sie das Auf und Ab des Geschäftszyklus als einzigen Weg zur Besserung akzeptiert“, sagt Jakobsen.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro aufgehoben. Gleichzeitig senkte sie den Zins für Guthaben auf Girokonten, die einen bestimmten Betrag überschreiten um 0,5 Prozentpunkte auf minus 0,75 Prozent.

Dirk Aufderheide, Chief Currency Strategist Active der Deutschen Asset & Wealth Management (Deutsche AWM): „Das ist ein überraschender Schritt der SNB. Die Zentralbank hat erkennen müssen, wie schwer es ist eine solche Marke zu halten und nun das Ende mit Schrecken statt den Schrecken ohne Ende gewählt. Denn die SNB ist schon seit langem einer der größten Eurokäufer und hat das Geld unter anderem in Euro-Staatsanleihen investiert. Angesichts der zu erwartenden EZB-Politik hätte die SNB das zu stark zunehmenden Preisrisiken der Währungsreserven fortsetzen müssen. Sie hätte aber auch eine sanftere Abkehr wählen können, etwa über eine Bindung an einen Währungskorb. Der völlige und abrupte Rückzug erscheint aktuell kontraproduktiv für die EZB. Es ist auch ein Befreiungsschlag der SNB. Sie kann sich nun wieder auf ihr geldpolitisches Mandat und die Makroökonomie konzentrieren.“

„Die Frage ist nun,“ so Aufderheide, „was das für die Realwirtschaft bedeutet. Der strake Ölpreisverfall zusammen mit `flash crash`-Aufwertung des Franken birgt eine sehr große Deflationsgefahr. Die Schweizer Unternehmen verlieren stark an Wettbewerbsfähigkeit. Und in der Finanzindustrie könnte es einige Investoren auf dem falschen Fuß erwischt haben. Auf das Vertrauen in Zentralbanken eine Anlagestrategie aufzubauen, ist hochproblematisch. Und natürlich stellt sich nun die Frage: Wie vertrauenswürdig sind Zentralbanken?“

Das Signal der Schweizerischen Nationalbank könnte auch als Indiz dafür verstanden werden, dass zunehmend außerdem Zweifel an der Überlegenheit der lenkungswirtschaftlichen Ausrichtung der Europäischen Union aufkommen, die durch Entliberalisierung seit der Finanzkrise und der Verschuldungskrise der Staaten die Politik bestimmt. Diese neue Form einer Zentralverwaltungswirtschaft, wie sie mit den Maßnahmen der Europäischen Zentralbanken ihren Anfang nahm, gerät aufgrund mangelnder Planbarkeit von Wachstum und Beschäftigung zunehmend in Kritik.

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