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Aktienrating wichtiger als Timing

Von Dr. Oliver Everling | 28.Mai 2024

Drei britische Ökonomen – Paul Marsh und Mike Staunton von der London Business School und Elroy Dimson von der Cambrigde University – haben sich einer mühevollen Arbeit unterzogen: Sie haben 35 Aktienmärkte der Welt so weit wie möglich zurückverfolgt, um eine theoretische Kernfrage der Geldanlage zu überprüfen. Die wichtigsten Kernaussagen daraus und aus seiner Erfahrung hat Jan Viebig, Co-CIO von ODDO BHF, zusammengefasst:

„Die Aussage, dass Aktien über einen langen Zeitraum ein unverzichtbarer Bestandteil einer langfristigen Anlagestrategie sein sollten, lässt sich empirisch gut belegen“, schreibt Prof. Dr. Jan Viebig, der als Co-CIO von ODDO BHF die Anlagestrategie der Polaris-Mischfonds-Familie mitverantwortet. Die drei Ökonomen zeigen, dass US-Aktien seit 1900 im Durchschnitt real, nach Inflation, im arithmetischen Mittel um mehr als 8 Prozent im Jahr gestiegen sind. „Wer früh und langfristig in Aktien anlegt, profitiert länger vom Zinseszinseffekt. Außerdem sinkt das Verlustrisiko von Aktieninvestments entscheidend, wenn ein Anleger sein Kapital über einen langen Zeitraum anlegt und nicht kurzfristig spekuliert“, so Viebig. Im Zeitraum von 1970 bis 2023 haben Anleger ohne Berücksichtigung von Inflation niemals Geld verloren, wenn sie irgendwann am Ende eines Monats in den MSCI World investiert haben und das Investment dann 15 Jahre lang gehalten haben. Auch wenn vergangene Wertentwicklungen kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft sind.

Im Jahr 1900 hatte Deutschland ein Gewicht von 12,6 Prozent am Weltaktienmarkt. Heute sind es nur 2,1 Prozent. Dieser Rückgang lag jedoch nicht nur daran, dass die deutsche Wirtschaft sich langfristig nicht gut entwickelt hat, was in Zeiten von Kriegen und einer verfehlten Wirtschaftspolitik leider zutrifft, und viele Aktienmärkte dazugekommen sind. Der wesentliche Grund liegt darin, dass die amerikanische Börse so unglaublich stark an Bedeutung gewonnen hat. Daraus leitet der Co-CIO von ODDO BHF ab: „Das spricht dafür, global zu diversifizieren und den US-Markt aufgrund der hohen Eigenkapitalrentabilität amerikanischer Unternehmen nicht zu vernachlässigen“.

Immer wieder wird suggeriert, jetzt nicht in Aktien zu investieren, weil der Einstiegszeitpunkt gerade falsch sei. Das äußert sich in fatalistischen Aussagen wie: Der Markt befinde sich auf einem All-Time-High. Diese Einstellung halten wir für falsch. Laut den Berechnungen des US-Brokers Charles Schwab ist ein Rekordhoch kein Ausnahmeereignis: In den Jahren von 1928 bis 2021 hat der amerikanische Aktienindex S&P 500 im Mittel an 14 Handelstagen im Jahr auf einem Rekordhoch geschlossen. „Wichtiger als auf kurzfristige Timing-Aspekte zu setzen, ist die Selektion“, fasst Jan Viebig zusammen. Deshalb investieren wir in Aktien, die langfristig Werte für ihre Aktionäre generieren. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Kapitalrenditen die Kapitalkosten übersteigen und die Umsätze wachsen.

Wenige gute Tage machen den Unterschied zwischen einem mittelmäßigen Portfolio und einem überragenden Portfolio. Ein Anleger, der von Mitte April 2004 bis Mitte April 2024 in den Welt-Aktienindex MSCI World Net Total Return inklusive Dividenden investiert war, konnte im Mittel – wenn er den gesamten Zeitraum von 20 Jahren über voll investiert war – eine Wertsteigerung von 7,9 Prozent jährlich erreichen. „Wenn er allerdings in diesem Zeitraum nur die zehn Tage mit den höchsten Tagesgewinnen verpasst hatte, schrumpfte seine Rendite schon auf 6,8 Prozent jährlich“, verdeutlicht Viebig. Und wenn er auch nur die 40 besten dieser 5220 Handelstage verpasst hatte, fiel seine Rendite mit 3,5 Prozent jährlich nur halb so hoch aus. Er läuft nämlich Gefahr, zur Unzeit Aktienpositionen auflösen und dadurch zwischenzeitlich eingetretene Kursverluste realisieren zu müssen. Aktien sind ein starkes Instrument für einen langfristigen Vermögensaufbau, weshalb sie eine wesentliche Rolle in den Portfolios unserer Multi-Asset-Fonds spielen. Allerdings sind vergangene Wertentwicklungen kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Dies gilt auch heute in einem Umfeld, in dem die Märkte wieder eine höhere Volatilität aufgrund der zunehmenden geopolitischen Risiken aufweisen.

Die Idee des Aktienratings bezieht sich auf die Bewertung von Aktien basierend auf verschiedenen finanziellen und wirtschaftlichen Kriterien, um deren Qualität, finanzielle Stabilität und zukünftiges Wachstumspotenzial einzuschätzen. Solche Bewertungen können auf Faktoren wie Ertragskraft, Kapitalrendite, Umsatzwachstum, Marktstellung, Managementqualität und finanzieller Gesundheit basieren. Ratings helfen Investoren, Aktien zu identifizieren, die voraussichtlich langfristig Wert generieren und deren Erträge die Kapitalkosten übertreffen.

Prof. Jan Viebig hebt hervor, dass langfristige Investments in Aktien, die kontinuierlich Wert für ihre Aktionäre schaffen, überdurchschnittliche Renditen liefern. Ein gutes Aktienrating würde solche Aktien identifizieren, die über lange Zeiträume hinweg stabile und wachsende Kapitalrenditen aufweisen. Diese Aktien sind in der Lage, die Kapitalkosten zu übertreffen, was auf eine solide finanzielle Basis und gutes Management hinweist.

Durch das Investieren in hoch bewertete Aktien kann das Verlustrisiko minimiert werden, insbesondere bei langfristigen Anlagen. Viebig betont, dass die Anlagestrategie, die sich auf solide, bewährte Aktien konzentriert, weniger volatil und damit sicherer ist als spekulative oder kurzfristige Anlageansätze. Ein gutes Aktienrating unterstützt Investoren dabei, solche zuverlässigen Anlagen zu erkennen und zu wählen.

Viebig spricht auch die Bedeutung der globalen Diversifikation an, die dazu beiträgt, Risiken zu streuen und die Abhängigkeit von einzelnen Märkten zu verringern. Aktienratings können hierbei helfen, indem sie es ermöglichen, die besten Aktien über verschiedene Märkte und Regionen hinweg zu identifizieren, wodurch ein diversifiziertes Portfolio aufgebaut wird, das in verschiedenen wirtschaftlichen Umfeldern bestehen kann.

Insgesamt spielt das Aktienrating eine zentrale Rolle in der Anlagestrategie, wie sie von Prof. Viebig vertreten wird, da es ermöglicht, fundierte Entscheidungen zu treffen, die nicht auf kurzfristigen Marktchancen basieren, sondern auf langfristigem, nachhaltigem Wachstum.

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