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Am Pulsschlag des Retailbankings

Von Dr. Oliver Everling | 13.Juni 2014

Impulse für die Zukunft des Retail Banking in Deutschland – zum Pulsschlag spricht Prof. Dr. Andreas Hackethal von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt anlässlich des Blogger-Events „#bankingzweinull – innovativ einfach“. Schon die unkonventionelle Veranstaltungsform will Zeichen setzen: Statt in Nadelstreifen begegnen sich Blogger und Vorstand und Gründer der vaamo Finanz AG in entspannter Atmosphäre eines Hinterhausbüros an der Galluswarte.

Anlass des Blogger-Events ist die Markteinführung des neuen Finanzportals für jedermann, http://www.vaamo.de/.  Der komplette Vorstand – u.a. gelernte Bankkaufmänner mit Berufserfahrungen bei der Deutschen Bank oder McKinsey – stellt sich den Fragen der Blogger. Dr. Thomas Bloch, Dr. Yassin Hankir und Dr. Oliver Vins brechen mit Prof. Dr. Andreas Hackethal auf, um Retail Banking in Deutschland neu zu definieren.

Dr. Yassin Hankir, Vertriebskopf von vaamo, skizziert wie seine Kollegen Dr. Oliver Vins und Dr. Thomas Bloch die Motive, als Mitgründer die neue Plattform vaamo geschaffen zu haben. Hackethal ist der gemeinsame Doktorvater der drei Vorstandsmitglieder. Die Vorstellungsrunde der Blogger zeigt deren Hintergrund als ex-Banker und Kommunikationsexperten.

Hackethal macht in seiner Einführung die Fakten klar: Bei Selbstentscheidern unter den deutschen Anlegern gibt es eine große Renditelücke. Den Anteil beziffert Hackethal mit mehr als 80 %. Der größte Teil der Anleger liegt sogar weit unter jedem Wert, der mit einem passiven Investment in den DAX erreicht worden wäre.

Verantwortlich für die Rendite-Lücke sind bekannte Anlagefehler: Mangelnde Streuung, übermäßiges Trading, Deutschlandfokus, Jagd auf Trends, Verlierer aussetzen und spekulative Wertpapiere („lottery stocks“) macht Hackethal für die Fehler und bezieht sich auf eine Untersuchung von 5000 Online-Kunden.

Alarmierend sind die Kursreaktionen rund um Spamkampagnen. Dies zeigt die Analyse von 180 Kampagnen von 2011 bis 2014. „Niemand will zugeben, auf so etwas zu reagieren. Die Fakten sprechen aber dafür.“ Der Umgang mit Risiko sei für viele Anleger sehr schwierig. Der durchschnittliche Anleger dürfte etwa 4 % unter seinen Möglichkeiten liegen, schätzt Hackethal anhand der Statistik.

„Je besser das Wetter, desto zufriedener ist der Kunde“, zeigt Hackethal eine weitere Irrationalität im Anlegerverhalten auf. Der Gesamtzusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Risiko ist nicht überraschend, je höher das Risiko, desto niedriger die Zufriedenheit. „Je mehr Geschichten im Depot sind, desto zufriedener sind aber die Anleger.“ Für eine interessante Story seien Anleger bereit, höhere Risiken einzugehen.

Hackethal kommt auf die Idee vom „Problem der letzten Meile“ zu sprechen. Viele Anleger biegen im Entscheidungsprozess im letzten Moment ab, so dass sie nicht wirklich erfolgreiche Anlagestrategien umsetzen. Der Sparer sei zumeist psychologisch im „System 1″ (Intuition) und nicht im „System 2″ (Logik) gefangen, drückt sich Hackethal in der Terminologie des Nobelpreisträgers Daniel Kaneman aus. Hackethal gibt konkrete Beispiele, wie die Intuition zu irrationalen Wahrscheinlichkeitsurteilen führen kann.

Hackethal wendet sich mit seinen Aussagen auch an die Aufsicht und den Regulierer. Umfassende Produktinformation, bestreiten Produktauswahl, zulässiges Produktrisiko, optimales Timing für den Produktkauf und -verkauf korrespondieren mit dem System 1 zur Mustererkennung. System 2 heißt dagegen, Regeln zu befolgen: Relevante Porfolioinformation breit gestreutes Portfolio, passendes Gesamtrisiko, Sparzielorientierung und Anpassung.

Hackethal dämpft die Hoffnung, durch Finanzbildung den Menschen zu rationaleren Anlageentscheidungen verhelfen zu können. Vorgaben wie Produktverbote und Verbot bestimmter Beratungsmodelle helfen dem Sparer auch nicht, um Vermögen aufzubauen. „Gebraucht wird daher Unterstützung.“ Finanzbildung oder Vorgaben sieht Hackethal nicht als Lösungen. „Vereinfacht gesagt, auch Erfahrung bringt nichts“, denn erfahrenere Privatanleger schaffen nicht unbedingt bessere Anlageergebnisse.

„Gute Beratung wird nicht befolgt“, analysiert Hackethal die Ergebnisse einer Untersuchung von 8000 Anleger. „Es nutzt nichts, das beste Produkt und die besten Berater zu haben“, sagt Hackethal und tritt damit der Vorstellung der Bankenaufsicht entgegen, durch Verbesserung der Beraterqualität und der zugelassenen Produkte jeden Missstand im Retail Banking beseitigen zu können. Analog die Ergebnisse der World Health Organization: Mangelndes Vertrauen, mangelnde Selbstkontrolle und Umsetzungskosten führen dazu, dass rund die Hälfte der chronisch Kranken wichtige Therapien nicht umsetzen.

„Klopft man vaamo auf diese Punkte ab, findet man alle drei wieder“, argumentiert Hackethal. Ordnet man Wertschwankungen des Deopots Risikoklassen zu, wären Lerneffekte und Handlungsimpulse möglich. Selbstkontrolle sei der entscheidende Faktor. Ziele zu setzen, sein eigenes Verhalten zu überprüfen und Verhaltensimpulsen zu widerstehen, das seien die zentralen Bausteine.

„Vaamo wird den Menschen helfen, sich Ziele zu setzen, das eigene Verhalten im Sinne von Selbstkontrolle zu überprüfen und den Versuchungen zu widerstehen“, sagt Hackethal und kommt auf die aus dem Gesundheitsbereich bekannten „kleinen Helfer für mehr Selbstkontrolle“ zu sprechen. Kleine Helfer, um Kaufimpulse umzulenken gibt es beispielsweise durch das Klicksparen: Statt z.B: 49,90 € für Schuhe auszugeben, lenkt eine App auf dem Smartphone um ins Sparen.

Hackethal fasst die Erfolgsfaktoren im Retail Banking mit drei Schlagworten zusammen: Smart Disclosure – Transparenz, Nudges – regelbasiertes Entscheiden, Simplification – Fehlervermeidung.

Themen: ETF-Rating, Existenzgründerrating | Kein Kommentar »

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