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Autozulieferer investieren wieder

Von Dr. Oliver Everling | 11.August 2015

Erstmals seit vier Jahren erhöhen kleine Autozulieferer aus Europa wieder ihre Investitionen, übertrumpfen dabei teilweise sogar deutlich größere Konkurrenten. Durchschnittlich mehr als zehn Prozent des Umsatzes, berichtet die Ratingagentur Scope aus Berlin, flossen in Erweiterungsinvestitionen für den Auf- und Ausbau von Produktionsanlagen sowie in Forschung und Entwicklung, zeigen Zahlen von Scope Ratings.

In den Jahren zuvor waren Autozulieferer mit einem Jahresumsatz von weniger als 1,5 Milliarden Euro bei Investitionen wesentlich zurückhaltender und haben damit auf die Probleme der Branche nach der Finanzkrise reagiert: Zwischenzeitlich hatte die durchschnittliche Investitionsquote nur noch bei rund sieben Prozent des Umsatzes gelegen. „Auf Dauer wäre das zu wenig gewesen, um dem Anspruch der Autohersteller nach globalen Produktionskapazitäten und nach zunehmenden Produktinnovationen nachkommen zu können“, sagt Timo Schilz, der zuständige Analyst bei Scope Ratings. Zum Vergleich: Große Zulieferkonzerne hatten ihre Investitionsquote nahezu konstant bei rund neun Prozent gehalten. Nun haben die Kleinen aufgeholt und im Jahr 2014 sogar mehr investiert als große Unternehmen der Branche. „Die kleinen Zulieferer senden damit das Signal, dass sie wieder im Rennen sind“, sagt Schilz.

Autozulieferer stehen in einem scharfen Konkurrenzkampf. Ihre wichtigsten Kunden – die großen Autohersteller – verhandeln hart. Die Verhandlungsposition kleiner Zulieferer ist traditionell schwächer als die großer Zuliefer-Konzerne. Mit Ausbruch der Finanzkrise waren viele kleine Autozulieferer zusätzlich unter Druck geraten, weil Kredite nur noch spärlich flossen und im Sog der Krise der weltweite Pkw-Markt eingebrochen war. Viele Firmen mussten Restrukturierungsprogramme starten, um zu überleben. Darunter litten auch die Investitionen.

Zwischenzeitig hat sich der Absatzmarkt für Pkws wieder erholt. „Viele kleine Unternehmen konnten davon bislang allerdings nur relativ wenig profitieren, weil sie sich erst neu aufstellen mussten“, sagt Schilz. „In der Folge ist ihr Marktanteil in den vergangenen Jahren gesunken.“

Nun haben die Unternehmen ihre Restrukturierung erfolgreich beendet und die Investitionsquoten wieder hochgefahren. „Viele Zulieferer aus der zweiten Reihe sind gestärkt aus der Krise hervorgegangen“, sagt Schilz. „Die Chancen stehen gut, dass sie verlorenes Terrain zurückerobern.“

Der deutsche Autoelektronik-Zulieferer Paragon AG etwa hat seine Wachstumsinvestitionen von 3,2 Prozent im Jahr 2013 auf 13,7 Prozent im vergangenen Jahr massiv gesteigert, unter anderem, um seine Position im Markt für Elektroautos auszubauen.

Analyst Schilz sieht die Entwicklung positiv, auch wenn die gestiegenen Investitionen viele Finanzkennzahlen aktuell schlechter aussehen lassen: Die frei verfügbare Cash-Flows-Marge der Firmen ist von durchschnittlich 1,1 Prozent im Jahr 2013 auf minus 2,5 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Verschuldung gestiegen: Sie beträgt aktuell das Vierfache des EBITDAR (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Leasingzahlungen). „Für uns ist das kein Grund für Rating-Herabstufungen“, sagt Schilz. „Der Ausbau der Fertigungskapazitäten und das Lancieren neuer, innovativer Produkte wird die Kennzahlen der Unternehmen mittelfristig deutlich verbessern. Zudem könnten die Gewinnmargen wachsen, weil viele Zulieferer nach absolvierter Restrukturierung kostengünstiger produzieren als früher.“

Spätestens für das Jahr 2016 erwartet Schilz einen spürbaren Anstieg des frei verfügbaren Cash Flows und aus Investorensicht ein insgesamt deutlich verbessertes Risikoprofil der Unternehmen. „Dann werden die Investitionen Früchte tragen“, ist der Scope-Analyst überzeugt. Denn die weltweite Autoproduktion zeigt sich nach wie vor robust – auf wichtigen Wachstumsmärkten wie China genauso wie auf etablierten Märkten in Europa und in den USA. „Wir erwarten, dass die kleinen Zulieferer mit ihren jetzt getätigten Investitionen auch über 2016 hinaus wachsende Free Cash-Flows erwirtschaften sollten und damit mittelfristig finanziell gut aufgestellt sind“, sagt Schilz.

Themen: Unternehmensrating | Kein Kommentar »

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