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Bei EY steht das Eigenkapital auf der falschen Bilanzseite

Von Dr. Oliver Everling | 8.Juli 2021

Bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY) findet sich das Eigenkapital auf der Aktivseite, nämlich als ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ in Höhe von 62.715 T€. Die Rückstellungen, Verbindlichkeiten, passiven Rechnungsabgrenzungsposten sowie latente Steuern und Treuhandverpflichtungen übersteigen das Vermögen der Gesellschaft binnen Jahresfrist um einen achtstelligen Betrag in Euro. Forderungen gegen diese Gesellschaft sind somit nicht mehr vollständig durch bilanzielle Vermögenswerte gedeckt.

Die Trendlinie, die für das Eigenkapital und die Eigenkapitalquote für EY schon am 3. März 2021 hier gezeigt werden musste, setzt sich erwartungsgemäß weiter fort. Gemäß Konzernabschluss und Konzernlagebericht zum 30. Juni 2020 der in Stuttgart ansässigen Muttergesellschaft verfügt das Unternehmen über kein Eigenkapital mehr. Die Umsätze entwickelten sich schwächer als bei den anderen großen Wirtschaftsprüfern in Deutschland.

Unter dem Aufsichtsratsvorsitzenden Georg Graf Waldersee macht die Gesellschaft seit Jahren nur Verluste. So auch in der aktuellen Berichtsperiode. In der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr vom 1.07.2019 bis zum 30.06.2020 wird der Konzernjahresfehlbetrag mit 49.608 T€ angegeben. Gemäß dem Wahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB wurden im Geschäftsjahr selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände in Höhe von 10.292 TEUR (Vorjahr: 15.976 TEUR) aktiviert, was nicht ausreichte, um den hohen Fehlbetrag zu vermeiden.

„Bestandsgefährdende Risiken sind für EY in Deutschland nach unserer Einschätzung derzeit nicht erkennbar“, lautet nach eigener Darstellung der Wirtschaftsprüfer die Gesamtaussage zur Risikosituation. Wegen der Ausschüttungssperren nach § 268 Abs. 8 HGB und § 253 Abs. 6 Satz 2 HGB ist das der Muttergesellschaft zuzurechnende ausschüttungsfähige Eigenkapital vollständig ausschüttungsgesperrt, heißt es in den Erläuterungen zur Konzernkapitalflussrechnung und zum Konzerneigenkapitalspiegel.

Die Schäden in Milliardenhöhe aus dem Wirecard-Skandal sind dabei außen vor und (noch) nicht mit eingerechnet: „Im Zusammenhang mit dem Fall Wirecard haben vor und nach dem Bilanzstichtag Anspruchsteller mit außergerichtlichen Schreiben versucht, gegen uns zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Erst nach dem 30. Juni 2020 wurden uns Klagen von Anlegern zugestellt, die sowohl intern als auch von den für unsere Verteidigung beauftragten Rechtsanwaltskanzleien als unbegründet bewertet werden.“

Das Aufzehren von bilanziellem Eigenkapital kennt Georg Graf Waldersee auch aus seiner Tätigkeit für eine Ratingagentur in Berlin, denn auch für die Scope SE & Co. KGaA nimmt Georg Graf Waldersee den Aufsichtsratsvorsitz wahr. Im Falle der Berliner Ratingagentur kumulieren sich die Verluste allerdings trotz Ausschöpfung zahlreicher gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten schon seit den frühen 2000er Jahren.

Die „Scope Group“ schreibt seit fast zwei Jahrzehnten eine Geschichte andauernder bilanzieller Kapitalvernichtung. Auch die Übernahme anderer Ratingagenturen brachte keinen Erfolg. So gehören zu der Gruppe aktuell auch zwei von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) registrierte Ratingagenturen, die derzeit unter den Namen „Scope Ratings GmbH“ bzw. seit kurzem auch „Scope Hamburg GmbH“ firmieren und im Internet mit verschiedenen Websites auftreten. Über die Scope Ratings GmbH wurde im Zusammenhang mit dem Greensill-Skandal bereits berichtet.

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