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Great Resignation? Nicht in China

Von Dr. Oliver Everling | 4.Juli 2022

Von den drei schockhaften Ereignisse – US-Inflation, Russland/Ukraine und die Null-Covid-Strategie in China – dürfte der chinesische Null-Covid-Schock zuerst abklingen, prognostiziert Stephen Li Jen, CEO von Eurizon SLJ Capital Ltd: „Nicht nur, dass sich die Lage in Shanghai seit dem 1. Juni durch die Aufhebung der Bewegungsbeschränkungen normalisiert hat, auch die chinesischen Exporte haben im Mai neue Rekorde erreicht, und die Zahlen für Juni werden meiner Meinung nach noch höher ausfallen.“

Sobald die Covid-Beschränkungen aufgehoben werden, werden die chinesischen Arbeitnehmer eifrig an die Arbeit zurückkehren und Überstunden machen, um den Auftragsbestand abzuarbeiten, sieht der China-Kenner voraus. Esoterik, absurde Heilslehren, religiöse Verwirrungen oder auch Klima-Fanatismus erreichen in der Volksrepublik China kaum so bedrohliche Ausmaße wie in anderen Ländern.

Das, was aktuell in den angelsächsischem Ländern unter dem Rubrum „Great Resignation“ diskutiert wird, ist in China nicht zu finden, so der Experte: „Es gibt kaum Überlegungen über den Sinn des Lebens oder darüber, ob man den Beruf wechseln sollte. Infolgedessen werden die Produktion, die Exporte und die allgemeinen Aktivitätszahlen meiner Meinung nach stark ansteigen, vorausgesetzt, es kommt nicht zu weiteren Rückschlägen im Zusammenhang mit Covid.“

Hinzu komme, dass Peking – angeführt von der Fraktion von Premier Li, die für keynesianische Anreize eintritt – das Heft in die Hand nimmt, und gezieltere, aber kräftige Anreize – fiskalisch, nicht geldpolitisch – dazu beitragen werden, dass sich die Wirtschaft im zweiten Halbjahr vollständig erholt. „Das erste Halbjahr war düster, aber ich bin zuversichtlich, dass das zweite Halbjahr nicht so sein wird.“

Auch die regulatorischen Beschränkungen für den Technologiesektor und den Immobiliensektor werden gelockert. Zwar werde es wahrscheinlich keine vollständige Rücknahme der im letzten Sommer begonnenen regulatorischen Verschärfungen geben, aber ein deutliches Drehen an den Stellschrauben werde wahrscheinlich zu recht positiven Aussichten für Renminbi-Anlagen führen, von denen viele unterbewertet sind.

Ob sich die Hoffnung von Stephen Li Jen jedoch bezüglich der überbordenden Geldflutung der Märkte durch die Zentralbanken bestätigen wird, muss die Geschichte erweisen: „Der zweite Schock, der langsam abklingen könnte, ist die US-Inflation. Das allgemeine Preisniveau ist bereits so hoch, dass die Verbraucher selbst bei einer Verlangsamung der Inflation Mühe haben werden, ihre Nachfrage aufrechtzuerhalten, denke ich.“

Der nachhaltigste Schock liegt in der Frage, was die Sanktionen gegen Russland für Europa bedeuten könnten: „Die EZB strafft die Geldpolitik, weil sie als Zentralbank mit einem einzigen Mandat und Inflationsziel keine andere Wahl hat. Die Fed hingegen hat ein doppeltes Mandat und kann daher nach eigenem Ermessen handeln, wenn sich die Konjunkturdaten verschlechtern. Angesichts der geopolitischen Spannungen, die dazu führen, dass die Rohstoff- und Energiepreise erhöht bleiben, befürchte ich, dass Europa von den drei großen Volkswirtschaften das größte Stagflationsrisiko hat.“

Themen: Aktienrating, Länderrating | Kein Kommentar »

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