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Inflation ohne Zügel

Von Dr. Oliver Everling | 23.März 2022

Tabulas Chief Investment Officer (CIO), Jason Smith, warnt davor, dass die wichtigsten Zentralbanken mit dem Anziehen der geldpolitischen Zügel im Zuge steigender Inflationsraten zu lange gewartet haben.

Zwar habe zum einen die US-Fed den Startschuss für einen avisierten Zinserhöhungszyklus gegeben und zum anderen die Bank of England (BoE) bereits den dritten Monat in Folge das Zinsniveau angehoben. „Die EZB hingegen hat klargestellt,“ so sieht es der Experte, „dass sie sich derzeit nicht in diesem Fahrwasser sieht. Vor dem Hintergrund, dass die Inflation in der Eurozone in Richtung 6% anzieht, erwarten die Investoren vor dem Ende des Jahres dennoch Zinsanhebungen von etwa 0,5%.“

Er erwartet, dass die Inflationsraten dieses Jahr auf außergewöhnlich hohen Niveaus verharren. Während die Fed eine Teuerung von 4,1% für 2022 erwartet, geht die EZB von 5,1% aus. Die BoE räumt sogar ein, dass eine Teuerungsrate von 8% gegenüber dem Vorjahresmonat in den nächsten Monaten möglich sind.

Dazu sagt Jason Smith: „Die wichtigsten Zentralbanken konnten sich letztes Jahr nicht zu Zinserhöhungen durchringen, obwohl bereits 2021 klare Hinweise für anziehende Teuerungsraten vorhanden waren, inklusive Anzeichen dafür, dass eine hohe Inflation ein hartnäckigeres Problem sein könnte und eben kein vorübergehendes Phänomen. Nun kommt mit dem Krieg in der Ukraine weiterer Druck auf ohnehin strapazierte Lieferketten gerade im Rohstoffsektor hinzu. Die bisherigen bereits erfolgten und in Aussicht gestellten geldpolitischen Straffungen werden den angebotsseitigen Aufwärtsdruck bei den Preisen nicht verhindern können. Es besteht sogar die Gefahr, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen werden, die Inflation selbst auf längere Sicht in Richtung der Zielwerte zu drücken.“

Dabei stellt sich über die von Jason Smith aufgeworfenen Aspekte hinaus die Frage, ob überhaupt die Inflation in einem Währungsraum wie dem der Teilnehmerländer der Europäischen Union gesteuert werden kann. So, wie jahrelang eine – vermeintlich – ausreichend hohe Inflation nicht erreicht wurde, kann nun die Phase beginnen, in der die Inflation nicht mehr abgesenkt werden kann.

Hinter beiden Ideen, der geldpolitischen Erhöhung oder Absenkung der Inflation, steckt letztlich eine Selbstüberschätzung von Menschen, nämlich der Glaube einzelner Menschen an ihre Fähigkeit, die Transaktionen von hunderten Millionen Menschen verstehen und beeinflussen zu können. Außerdem impliziert eine solche Politik zu wissen, was für alle Menschen gut wäre. Das wahrscheinlichste Szenario bleibt daher, dass die EZB die Zügel nicht in der Hand hat.

Themen: Bankenrating, Länderrating | Kein Kommentar »

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