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Insolvenzwahrscheinlichkeit beeinflusst Unternehmenswert

Von Dr. Oliver Everling | 20.Mai 2013

In der Unternehmensbewertungspraxis hat sich eine Art „best practice“-Herangehensweise etabliert, die immer noch maßgeblich auf dem CAPM beruht und vom IDW S.1 geprägt wird. Diese „best practice“-Herangehensweise weist einige methodische Schwächen und auch schlicht Fehler in der Anwendung auf, die insbesondere bei Marktunvollkommenheiten zu deutlichen Fehlbewertungen führen können.

Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst, Deutsches Institut für Corporate Finance (DICF) und Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen, und Dr. Werner Gleißner, FutureValue Group AG, haben führende deutsche Bewertungsspezialisten (Hochschullehrer, Mitglieder des  IDW FAUB und Vorstände des Bewerterverbandes IACVA) in einer Studie hinsichtlich der Relevanz verschiedener Problembereiche  befragt.

Die Bewertungsexperten machen sich insbesondere Sorgen bezüglich der adäquaten Berücksichtigung der unternehmerischen Risiken bei der Unternehmensbewertung. Es besteht ausgeprägter Konsens, dass identifizierte und quantifizierte Risiken in der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden müssen. Dies sollte einhergehen mit Risikotransparenz durch eine „mehrwertige Planung“ (Wahrscheinlichkeits- oder Häufigkeitsverteilung).

Die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit Chancen und Gefahren (Risiken) der Erträge oder Cash-Flows eines Unternehmens wird auch dadurch unterstrichen, dass die Bewertungsexperten der Vorstellung nicht zustimmen, man könne aus historischen Aktienkursschwankungen auf die bewertungsrelevanten Risiken der zukünftigen Erträge und Cash-Flows eines Unternehmens schließen. Entsprechend akzeptieren die befragten Experten mehrheitlich auch, dass nur begrenzt intersubjektiv nachprüfbare Risikoinformationen in der Bewertung berücksichtigt werden – analog der sowieso in Praxis üblichen Verwendung von Planwerten, die ebenfalls nur begrenzt intersubjektiv nachvollziehbar sind.

Deutliche Zustimmung zeigen die Befragungsergebnisse auch für die Berücksichtigung der Insolvenzwahrscheinlichkeit (des Ratings) in der Unternehmensbewertung und – möglicherweise besonders überraschend – für die Bewertungsrelevanz auch unternehmensspezifisch (prinzipiell diversifizierbarer) Risiken. Auch dies impliziert die Notwendigkeit einer intensiven (quantitativen) Risikoanalyse und Risikoaggregation, unabhängig davon, ob man die Bewertungsrelevanz unsystematischer Risiken „nur“ sieht über deren Wirkung auf (a) Erwartungswerte von Erträgen und Cash-Flows und (b) Rating/Insolvenzwahrscheinlichkeit.

„Es wäre somit wünschenswert,“ folgert Gleißner, „wenn bei der Weiterentwicklung von Bewertungsstandards wie des IDW S1 die Verfahren einer quantitativen Risikoanalyse, die Möglichkeit der Umrechnung von Informationen über Ertrags- und Cash-Flow-Schwankungen auf Diskontierungszinssätze und auch die Implikationen von Rating und Insolvenzwahrscheinlichkeit deutlicher aufgezeigt würde. „

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