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Marktdaten im Immobilienrating

Von Dr. Oliver Everling | 22.Februar 2009

Seit Ende der 1990er Jahre hat das Immobilienrisikomanagement große Fortschritte gemacht. Dies kann man an verschiedenen Fakten festmachen, beispielsweise der Zahl der Publikationen zu dem Thema, der Verbreitung von Risikoinstrumenten in der Praxis oder der Etablierung von Risikomanagement in der Aufbau- und Ablauforganisation von Immobilienunternehmen. „Doch im Vergleich zu anderen Branchen, insbesondere der Finanzwirtschaft, bleibt noch viel zu tun“, schreiben Prof. Dr. Carsten Lausberg, Professor für Immobilienwirtschaft, insb. Immobilienbanking an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (http://www.hfwu.de/), und Dipl. Geogr. Andreas Wiegner von der Bulwiengesa AG (http://www.bulwiengesa.de/) im Praxishandbuch „Rating von Immobilienportfolios“, herausgegeben von Oliver Everling und Raphael Slowik im Immobilien Manager Verlag, Köln 2009, http://www.immobilienmanager.de/, ISBN 978-3-89984-197-8. „Wir sehen insbesondere auf den folgenden vier Feldern großen Bedarf: Verbesserung der Datenlage, Formalisierung von Risikomanagement, Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung.

Lausberg und Wiegner systematisieren die für ein Rating in Frage kommenden Marktdaten, beschreiben ihre Erhebung und prüfen anhand diverser Kriterien ihre Eignung für Immobilienratings. Dabei bringen sie ihre Erfahrungen aus der Praxis des Immobilienratings ein, um zu verdeutlichen, welche Defizite bei Immobilenmarktdaten im globalen Kontext existieren und welche Einflüsse dies auf das Immobilienportfoliorating hat. Anschließend beschreibt der Artikel, wie die Marktdaten in einem Rating verarbeitet werden und demonstriert das Vorgehen anhand zweier Beispiele: einem Scoring-Modell zur segmentspezifischen Bewertung von Immobilienmärkten und einem simulationsgestützen Cashflow-Modell zur Risikoberechnung von Immobilienportfolios. Zum Schluss folgt ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.

Der Beitrag von macht an verschiedenen Stellen auf Datenmängel aufmerksam, die zuverlässigeren Immobilienratings entgegenstehen. „Die völlig unzureichende Abbildung der Immobilienwirtschaft in der amtlichen Statistik, die relativ kurzen Zeitreihen von Immobilienmarktdaten und die schlechte internationale Vergleichbarkeit von Marktdaten sind nur drei Gründe dafür“, sagen die beiden Experten. „Zur Überwindung dieser Hindernisse sind Geduld, guter Wille und gemeinsames Bemühen der Marktteilnehmer notwendig. Hierbei kommt Vereinigungen wie dem BVI und der gif eine wichtige Leitfunktion zu.“

Solange zentrale Begriffe wie Rendite, Risiko und Rating noch so unterschiedlich definiert werden wie momentan in der Immobilienbranche, sei der Status quo des Risikomanagements als mangelhaft zu bezeichnen, urteilen Lausberg und Wiegner: „Unternehmen, für die besondere Regeln wie das Investmentgesetz, die Mindestanforderungen an das Risikomanagement oder das KonTraG gelten, sind schon etwas weiter, weil sie zu einer gewissen Vereinheitlichung gezwungen sind. Aber erstens stellen die genannten Gesetze/Verordnungen nur eine Basis dar, der weit vom State of the art im Risikomanagement entfernt ist; zweitens gelten die Regeln für weite Teile der Branche nicht.“ Es wäre für die Immobilienwirtschaft daher sicher förderlich, sind sich Lausberg und Wiegner auch mit anderen Autoren des Herausgeberwerkes im Immobilien Manager Verlag einig, „wenn sie aus Gründen der Transparenz gegenüber Kunden und Öffentlichkeit sowie aus Selbstschutz vor Risiken an gemeinsamen Regeln arbeiten würde.“

Dass es mit Vorschriften allein nicht getan ist, hat die Finanzkrise 2008 in vielfacher Hinsicht gezeigt. Eine Ursache für die Krise waren beispielsweise die falschen Schätzungen der Ausfallraten von Collateralized Debt Obligations und anderen Finanzinstrumenten durch US-amerikanische Ratingagenturen, dokumentieren Lausberg und Wiegner. „Die Ratings waren im Großen und Ganzen regelkonform, aber sie waren aus Erfahrungs- und Wissensmangel in wichtigen Aspekten wie der Schätzung von Korrelationen und Eintrittswahrscheinlichkeiten seltener Ereignisse grob fehlerhaft“, stellen Lausberg und Wiegner fest. „Hinzu kamen Incentives, die fehlerhaftes Verhalten begünstigten, und uninformierte Investoren. Das zeigt dreierlei: zum einen Forschungsbedarf hinsichtlich der Risiken, zum zweiten Entwicklungsbedarf für bessere Ratings und andere Risikoinstrumente, zum dritten die Notwendigkeit menschliche Schwächen und Fehler immer ins Kalkül einzubeziehen.“

Die Prognosekraft eines Ratings hängt nicht nur am Ratingsystem, denn die Instrumente können nur so gut sein, wie die Menschen, die sie entwickeln und bedienen. Lausberg und Wiegner zeigen in ihrem Beitrag zum Buch, dass menschliche Intuition und Erfahrung in so einem komplexen Verfahren wie dem Immobilienrating einen hohen Stellenwert haben und auf absehbare Zeit nicht durch quantitative Verfahren ersetzt werden können: „Daher müssen die im Risikomanagement tätigen Mitarbeiter gut aus- und weitergebildet werden, um die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben.“

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