Coface Country Risk Conference 2024: Globale Wirtschaftsaussichten und Länderrisiken im Fokus

Von Dr. Oliver Everling | 7.Februar 2024

Auf der jüngsten Country Risk Conference in Paris präsentierte der renommierte Kreditversicherer Coface sein neuestes Risiko-Barometer und beleuchtete die aktuellen Entwicklungen in der weltweiten Wirtschaft. Die Analysten von Coface prognostizieren für das Jahr 2024 ein Wachstum des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, nachdem es 2023 noch bei 2,6 Prozent lag.

Coface hat die Risikobewertung von insgesamt zwölf Ländern überarbeitet, wobei Belgien, Dänemark und die Schweiz zu den positiven Überraschungen gehören. Belgien verbesserte sich von A3 auf A2, Dänemark und die Schweiz erhielten die Bestnote A1. Christiane von Berg, Volkswirtin bei Coface, erläutert: „In beiden Ländern liegt die Inflation unter der Zwei-Prozent-Marke. Der private Konsum in Dänemark hat sich erholt und wird durch einen stabilen Arbeitsmarkt gestützt. In der Schweiz hat die Nationalbank die Zinsen nur auf 1,75 Prozent erhöht und damit die Investitionstätigkeit Schweizer Unternehmen weniger gebremst.“

Eine gegenteilige Entwicklung zeigt sich bei Israel, dessen Länderrisiko von A2 auf A3 herabgestuft wurde. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage war bereits vor der Hamas-Terrorattacke spürbar, ausgelöst durch hohe Zinssätze und Inflation sowie politische Unruhen.

Besondere Aufmerksamkeit richtet sich auf die mehr als 60 nationalen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen weltweit in diesem Jahr. Insbesondere die Wahlen in den Vereinigten Staaten, mit voraussichtlichen Kandidaten wie Joe Biden und Donald Trump, könnten zu geopolitischen Verschiebungen führen. Auch das Wahlergebnis in Taiwan und die anstehenden Wahlen in Europa, darunter die Europaparlamentswahl und die politische Lage in Österreich und Großbritannien, werden mit Spannung erwartet.

Die Diskussion über Inflation und Zinsen prägt die wirtschaftliche Debatte. Trotz eines Rückgangs der Teuerungsraten im Jahr 2023 bleibt die Kerninflation in den meisten entwickelten Volkswirtschaften doppelt so hoch wie von den Zentralbanken angestrebt. Die anhaltende Straffung der Geldpolitik soll die Inflationsraten auf das Ziel von 2 Prozent bringen, doch die Herausforderungen an den Arbeitsmärkten und mögliche Angebotsschocks könnten dies erschweren.

Christiane von Berg warnt vor einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld: „Die Markterwartungen von bis zu sechs Zinssenkungen erscheinen uns übertrieben. In Europa rechnen wir aufgrund des anhaltenden Kerninflationsdrucks frühestens ab Sommer 2024 mit einer geldpolitischen Lockerung. Dieses ungünstige wirtschaftliche Umfeld bleibt für Unternehmen ein Risiko, wodurch auch die Insolvenzzahlen deutlich steigen könnten.“

Ein „Soft Landing“ der US-Wirtschaft wird als wahrscheinlichstes Szenario betrachtet, während in Europa eine (Beinahe-)Stagnation erwartet wird, bedingt durch hohe Kosten im verarbeitenden Gewerbe und eine schleppende Auslandsnachfrage.

Die Schwellenländer werden erneut als Haupttreiber der Weltwirtschaft hervorgehoben und sollen 1,7 Prozentpunkte zum globalen BIP-Wachstum von 2,2 Prozent beitragen. Besonders China, das 2023 mit einem BIP-Wachstum von 5,2 Prozent abschloss, spielt eine zentrale Rolle. Allerdings stehen die chinesische Wirtschaft und Südostasien vor Herausforderungen, darunter eine schleichende Erholung des privaten Konsums und Sorgen über den Immobilienmarkt.

Der „Globale Süden“ mag zwar zum Protagonisten der Weltwirtschaft aufsteigen, ist jedoch weiterhin von großer Heterogenität geprägt. Einige der ärmsten und am stärksten verschuldeten Länder wie Sri Lanka, Ghana, Äthiopien, Malawi, Pakistan und Laos sehen sich bereits mit zahlungsunfähigen Situationen oder einem drohenden Staatsbankrott konfrontiert. Angesichts hoher Zinssätze und eines starken Dollars besteht die Furcht vor einem Wiederaufleben von Staatspleiten in dieser Region.

Die Coface Country Risk Conference bietet somit nicht nur Einblicke in die aktuellen Länderrisiken, sondern auch in die entscheidenden Faktoren, die die globale Wirtschaft im Jahr 2024 beeinflussen werden.

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Anhaltende Risiken beim 2 Prozent-Inflationsziel

Von Dr. Oliver Everling | 6.Februar 2024

Die Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben in den letzten Monaten keinen grundlegenden Kurswechsel vollzogen, jedoch eine klare Re-Positionierung vorgenommen, so Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. „Beide Notenbanken schließen weitere Zinserhöhungen praktisch aus, glauben also, mit der derzeitigen restriktiven Ausrichtung ihrer Geldpolitik die Inflationsrate auf das angestrebte Niveau von 2 Prozent drücken zu können.“

Angermann betont, dass die aktuelle Zurückhaltung der Notenbanken angesichts des fundamentalen Umfelds gerechtfertigt ist: „Zwar sinkt die Inflation weiter, und insbesondere im Euroraum dürften noch in diesem Jahr Inflationsraten nahe der 2 Prozent-Marke erreicht werden. Zugleich gibt es aber weiterhin signifikante Risiken.“

Die Preise ohne die volatilen Komponenten Energie und Nahrungsmittel steigen weiterhin zu schnell, und die aktuellen Werte deuten auf eine Inflationsrate von mehr als 3 Prozent sowohl in den USA als auch im Euroraum hin. „Die Erreichung des 2 Prozent-Ziels ist also noch nicht gesichert.“

In Anbetracht dieser Unsicherheiten sei es besser, dass die Notenbanken anhand der aktuellen Datenlage genau analysieren, ob sich die Preisdynamik wie gewünscht abschwächt, anstatt voreilig die Zinsen zu senken und möglicherweise selbst eine erneute Steigerung der Inflation zu begünstigen.

Ein wesentlicher Faktor, der die Entscheidungen der Notenbanken beeinflusst, ist die Lohndynamik. „Für die USA hat das Congressional Budget Office ausgerechnet, dass die inflationsneutrale Arbeitslosenquote bei 4,4 Prozent liegt und damit um 0,7 Prozentpunkte höher als aktuell.“ Hierbei sieht Angermann die Risiken in der Tatsache, dass entweder eine niedrige Arbeitslosenquote zu einem signifikanten Anstieg des Lohnwachstums und damit der Inflation führen könnte oder aber eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit eine Rezession der US-Wirtschaft zur Folge hätte.

Im Euroraum, so gibt die EZB bekannt, werde die Lohnentwicklung genau beobachtet. „Im aktuellen Umfeld verschärfter Knappheit auf dem Arbeitsmarkt sind stärkere Lohnsteigerungen denkbar, die einen Wiederanstieg der Inflation oder zumindest ein Verharren auf einem Niveau von mehr als 2 Prozent begünstigen würden.“

Angermann weist darauf hin, dass trotz der andauernden Wirtschaftsschwäche in Deutschland Streiks für kräftige Lohnerhöhungen zunehmen, wobei Deutschland nicht repräsentativ für den gesamten Euroraum ist.

Auch externe Risiken müssen von den Notenbanken berücksichtigt werden. „Eine Eskalation der Krise im Nahen Osten mit der Folge drastisch steigender Ölpreise ist weiterhin ein valides Risikoszenario.“ Zwar wären Zinserhöhungen keine angemessene Reaktion darauf, dennoch legt das Szenario eine vorsichtige Vorgehensweise der Notenbanken nahe.

Abschließend betont Angermann, dass es gute Gründe gibt anzunehmen, dass die angekündigten Zinssenkungen später kommen und insgesamt weniger intensiv sein werden, als vom Markt erwartet. „Dass die Fed bis zum Jahresende sechs Zinssenkungen vornimmt, wäre nur dann wirklich plausibel, wenn es in der zweiten Jahreshälfte zu einer Rezession der US-Wirtschaft käme.“ Ein solches Szenario würde ein beherzteres Eingreifen der Fed erforderlich machen.

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USA vor Trump-Comeback: Drohender Umbau in eine Autokratie

Von Dr. Oliver Everling | 29.Januar 2024

Bei der US-Präsidentschaftswahl im November 2024 zeichnet sich nach Beobachtung des FERI Cognitive Finance Institute ein ungehinderter „Durchmarsch“ des Kandidaten Trump ab. Darauf deuten nicht nur seine dominante Stellung in der republikanischen Partei, sondern auch der direkte Vergleich mit dem amtierenden Präsidenten und Kandidaten der Demokratischen Partei Joe Biden. Aktuelle juristische Verfahren werden daran nichts ändern, da diese am Ende vom konservativ urteilenden Obersten Gericht der USA entschieden werden. Eine erneute Machtübernahme Trumps hätte gravierende Folgen, nicht nur für die USA, sondern auch für Europa und die Weltwirtschaft. „Trumps Ambitionen gehen diesmal, verglichen mit seiner ersten Amtszeit, sehr viel weiter. Er plant eine massive Machtausweitung; die Vorbereitungen dazu laufen bereits auf Hochtouren“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des FERI Cognitive Finance Institute, in einer aktuellen Analyse zu den Auswirkungen und Risiken einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident.

Trump selbst habe mit Aussagen, er wolle am ersten Tag nach einer Wiederwahl als „Diktator“ agieren, eine deutliche Botschaft gesendet. Dahinter stehe das offen erklärte Ziel, mit einem massiven „Power Grab“ die Mehrzahl der US-Behörden und Institutionen, allen voran die Justiz, unter seine direkte Kontrolle zu bringen. Entsprechende Pläne, eine große Anzahl von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes schlagartig durch Trump-Loyalisten zu ersetzen sowie politische Gegner strafrechtlich zu verfolgen, würden von einem Netzwerk rechtskonservativer Unterstützer bereits seit längerem ausgearbeitet. „Trump will die US-Demokratie in eine auf ihn zugeschnittene Autokratie verwandeln; Amerika könnte sich bald stärker verändern als jemals zuvor in den vergangenen 150 Jahren,“ warnt Rapp.

Die für viele Beobachter unerklärliche Beliebtheit Trumps bei den US-Wählern müsse im Kontext einer extremen Polarisierung zwischen konservativen und liberalen sowie linken Kräften im politischen Spektrum der USA gesehen werden. Daraus resultiere ein zunehmend aufgeheiztes und konfrontatives Umfeld, das einen idealen Nährboden für populistische Zuspitzung und radikale Politik biete. Trump verstehe es wie kaum ein anderer, diese Stimmung für sich auszunutzen. Schon im Verlauf des monatelangen Wahlkampfes sei mit einer akuten Verschärfung des politischen Klimas zu rechnen. „Die USA sind heute so gespalten wie selten zuvor, und alarmierende 85 Prozent der US-Bürger befürworten einen teilweisen oder vollständigen Umbau der US-Demokratie“, erklärt Rapp.

Die Wiederauflage einer Trump-Präsidentschaft würde auch viele geoökonomische und geopolitische Probleme zurückbringen, die schon in dessen erster Amtszeit spürbar waren. Speziell Europa und China müssten erneut mit einem echten Wirtschaftskrieg rechnen, der für China – angesichts derzeit erhöhter Fragilität – schwere Folgen haben könnte. Für Europa wäre von „Trump reloaded“ massiver Druck zu erwarten, der nicht nur über die Handelspolitik laufen würde – Stichwort Strafzölle – sondern vor allem über den von Trump offen angedrohten Rückzug der USA aus der NATO und anderen globalen Ordnungssystemen. Europa wäre dann geostrategisch sich selbst überlassen.

Sollte das System der „Checks and Balances“, das in den USA bislang noch weitgehend für eine Gewaltenteilung sorgt, durch einen „Putsch von rechts“ ausgehebelt werden, würde dies nicht nur die US-Demokratie gefährden. Auch Unternehmer und Investoren aus dem Ausland müssten die Risiken in den USA dann völlig neu bewerten. „Die Aussicht auf eine Wiederwahl Donald Trumps verschärft die Erwartung einer zunehmenden Unberechenbarkeit und Unzuverlässigkeit der USA als Partner, sowohl in den wirtschaftlichen Beziehungen als auch als militärische Schutzmacht. Obwohl die Nervosität vereinzelt zunimmt, scheinen Europa und Deutschland darauf bislang noch völlig unvorbereitet“, verdeutlicht Rapp die mittel- bis langfristigen Risikoszenarien in den USA.

Mit der aktuellen Analyse „‘Trump reloaded‘ – Drohender Umbau der USA in eine Präsidialdiktatur“, setzt das FERI Cognitive Finance Institute seine Reihe ausführlicher Studien zu politischen Risiken der USA fort. Das Paper ist beim FERI Cognitive Finance Institute als „Cognitive Comment“ erschienen.

Die Aussagen des FERI Cognitive Finance Institute deuten somit auf die Möglichkeit eines drohenden Umbaus der USA in eine Präsidialdiktatur unter einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump hin. Diese Entwicklung hätte nicht nur gravierende Auswirkungen auf die USA, sondern könnte auch globale Folgen haben. Inwiefern könnte dies die relative Attraktivität von Investitionen in das ebenfalls autokratisch regierte China erhöhen? Hier sind einige mögliche Überlegungen:

Stabilität vs. Unsicherheit: Investoren suchen in der Regel nach Stabilität und Vorhersehbarkeit. Eine drohende Präsidialdiktatur in den USA könnte Unsicherheit und politische Instabilität mit sich bringen. In einem solchen Szenario könnten Investoren die relative Stabilität, die das autokratisch regierte China bietet, als attraktiver betrachten.

Wirtschaftliche Auswirkungen: Der drohende Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China könnte erhebliche Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben. Investoren könnten versucht sein, ihre Positionen in den USA zu überdenken und vermehrt in China zu investieren, um möglichen negativen Auswirkungen auf ihre Portfolios zu entgehen.

Geostrategische Überlegungen:  Eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump könnte zu einem Rückzug der USA aus globalen Ordnungssystemen führen, was Europa geostrategisch beeinflussen würde. In diesem Kontext könnten Investoren ihre Perspektiven überdenken und verstärkt auf aufstrebende Mächte wie China setzen, das möglicherweise eine größere Rolle in der globalen Führung einnehmen könnte.

Bewertung der US-Demokratie: Der drohende Umbau der USA in eine Präsidialdiktatur könnte das Vertrauen in die US-Demokratie untergraben. Investoren könnten dies als Warnsignal werten und vermehrt nach Alternativen suchen. Das autokratische China könnte in dieser Hinsicht als eine Option erscheinen, besonders wenn es eine vermeintlich stabilere politische Führung bietet.

Risikobewertung: Investoren werden wahrscheinlich ihre Risikobewertung anpassen und die politischen Entwicklungen in den USA genau verfolgen. Eine Verschärfung der politischen Situation könnte dazu führen, dass Investoren vermehrt in Länder mit als stabiler wahrgenommenen politischen Strukturen investieren, wozu auch China gehören könnte.

Autokratische Regime bringen ihre eigenen Herausforderungen und Unsicherheiten mit sich. Die Attraktivität von Investitionen hängt nicht nur von politischen Aspekten ab, sondern auch von wirtschaftlichen Fundamentaldaten, Rechtsstaatlichkeit und anderen Faktoren.

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Herausforderungen und Chancen: Eine Analyse des chinesischen Aktienmarktes

Von Dr. Oliver Everling | 29.Januar 2024

Der Hang Seng China Enterprise Index (HSCEI) erlebte im Februar 2021 einen dramatischen Rückgang von über 12000 Punkten auf nunmehr 5000 Punkte. Diese Entwicklung wirft nicht nur Fragen zur aktuellen Stabilität des chinesischen Aktienmarktes auf, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, mit denen Anleger konfrontiert sind. Renommierte Ökonomen, wie beispielsweise Dr. Markus Viebig von ODDO BHF TRUST, sehen den chinesischen Aktienmarkt derzeit mit Skepsis und weisen auf mehrere Gründe hin.

Ein zentraler Aspekt ist die mangelnde Vertrauenswürdigkeit der statistischen Daten in China. Für Ökonomen, die Rückschlüsse auf die volkswirtschaftliche Entwicklung ziehen wollen, und für Investoren, die in China investieren möchten, wird die Unsicherheit durch undurchsichtige Datenquellen verstärkt. Die chinesische Regierung hat sich zunehmend dazu entschlossen, missliebige Daten und politische Opponenten aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen, was die Transparenz weiterhin beeinträchtigt.

Präsident Xi Jinping hat mit seinem klaren Signal auf dem 20. Parteikongress der KP im Oktober 2022 einen politischen Kurs deutlich gemacht, der im Kontrast steht zu der Zeit, als China sich dem Westen zu öffnen schien. Die jüngsten politischen Entwicklungen werfen Fragen zur politischen Stabilität und Offenheit auf, die für Investoren von großer Bedeutung sind. „Die chinesischen Unternehmen sind traditionell von Effizienzproblemen geplagt, gerade auch die Staatsunternehmen. Die Kapitalrentabilität ist schwach. Die forcierte Unterordnung der privaten Wirtschaft unter staatliche Ziele ist Gift für den Unternehmenssektor und untergräbt das Vertrauen der Anleger“, sagt Markus Viebig.

Die Krise am Immobilienmarkt hat ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft. Die Bautätigkeit ist seit dem Höchststand im Jahr 2020 massiv eingebrochen, und Investoren fürchten, dass die Schieflage im Immobiliensektor auf andere Sektoren, insbesondere den Bankensektor, übergreifen könnte. Staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben tragen zur Verunsicherung von Verbrauchern und Investoren bei, da das Wirtschaftsleben zunehmend politischen Zielen untergeordnet wird.

Effizienzprobleme sind traditionell ein Problem für chinesische Unternehmen, insbesondere Staatsunternehmen. Die forcierte Unterordnung der privaten Wirtschaft unter staatliche Ziele untergräbt das Vertrauen der Anleger. Die Eigenkapitalrenditen des HSCEI liegen bei etwa 10 Prozent, was ungefähr den Eigenkapitalkosten entspricht. Dies deutet darauf hin, dass chinesische Unternehmen trotz des vergangenen volkswirtschaftlichen Wachstums wenig Wert für Anleger geschaffen haben, aufgrund ihrer niedrigen Kapitaleffizienz.

Aktuell handeln chinesische Aktien – gemessen am HSCEI – zum etwa 7-fachen der Gewinne. Die chinesische Regierung reagiert auf die Situation mit einem Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des Aktienmarktes. Dies umfasst unter anderem das Verbot von Leerverkäufen und die Mobilisierung erheblicher Mittel über staatliche Pensionsfonds und Staatsunternehmen, um chinesische Aktien zu kaufen. „Neben dem Verbot von Leerverkäufen sollen über staatliche Pensionsfonds und Staatsunternehmen erhebliche Mittel – die Rede ist von 278 Mrd. US-Dollar – mobilisiert werden, um chinesische Aktien zu kaufen. Zusätzlich sollen wohl 43 Mrd. US-Dollar über staatseigene Investmentfirmen in den Markt geschleust werden“, so der Bericht von ODDO BHF TRUST.

Trotzdem bleibt ODDO BHF TRUST seinem Qualitätsansatz folgend skeptisch. Eine vollständige Abwendung vom chinesischen Aktienmarkt ist jedoch nicht die Lösung. Die Hoffnung liegt in einer möglichen Öffnung der chinesischen Wirtschaft und einer geringeren Beeinflussung von Unternehmen durch politische Zielvorgaben. Aktuell ist davon jedoch leider noch nichts zu spüren. Anleger und Analysten werden die Entwicklungen auf dem chinesischen Aktienmarkt daher weiterhin aufmerksam beobachten und ihre Strategien entsprechend anpassen müssen.

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Wie Unternehmen sich für eine digitale und nachhaltige Zukunft wandeln müssen

Von Dr. Oliver Everling | 28.Januar 2024

Das im Jahr 2022 erschienene Buch von Prof. Dr.-Ing. Hubertus C. Tuczek, „Umsetzung der digitalen Transformation“, stellt auch zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung eine hochaktuelle und relevante Quelle dar. Die rasante Entwicklung in der Digitalisierung, insbesondere durch Technologien wie ChatGPT, hat zwar seitdem viele Veränderungen mit sich gebracht, jedoch bleibt die Dringlichkeit und Relevanz des Buches erhalten. Es zeigt sich an diesem Buch, dass in vielen Unternehmen die Umsetzung der Digitalisierung nach wie vor zu langsam voranschreitet, und zahlreiche Organisationen hinken sogar dem damaligen Stand der Digitalisierung hinterher.

Der Hauptfokus des Buches liegt auf der zentralen Bedeutung der digitalen und grünen Transformation für die Zukunft von Unternehmen, Deutschland und Europa. Die Autoren betonen, dass diese Transformation das wichtigste Projekt des kommenden Jahrzehnts ist und über die Stellung Europas in der globalen Wirtschaft entscheiden wird. Trotz der technologischen Fortschritte haben viele Unternehmen Schwierigkeiten, die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen, und auch die angestrebte nachhaltige Wirtschaftsentwicklung bleibt oft hinter den Erwartungen zurück.

Das Buch gliedert sich in verschiedene Themenbereiche, darunter die digitale Transformation im Kontext des Green Deals der EU, regulatorische Rahmenbedingungen durch den Staat, den gesellschaftlichen Umbruch im Zeichen der Digitalisierung, sowie Enabler der Transformation. Besonders praxisrelevant sind die Kapitel zur digitalen Transformation der Prozesse und aus Anwendungssicht. Die Autoren präsentieren zahlreiche Best-Practice-Beispiele namhafter Unternehmen wie Bosch, Volkswagen, Continental und Siemens, um konkrete Ableitungen für den eigenen Change-Prozess zu ermöglichen.

Die Vielfalt der Beitragsautoren, darunter Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen wie dem Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt), Bayern Innovativ, Continental, Siemens Digital Industries, Volkswagen und Bosch Security and Safety Systems, verleiht dem Buch eine umfassende Perspektive. Die Praxiserfahrungen und Erkenntnisse dieser Fachleute ermöglichen es den Leserinnen und Lesern, die Dimension der digitalen Transformation besser zu verstehen.

Besonders hervorzuheben ist die klare Botschaft des Buches: Der Wandel kann nur gemeinsam mit allen Beteiligten aus Unternehmen, Gesellschaft und Staat gelingen. Die Autoren fordern eine ganzheitliche Herangehensweise und verdeutlichen, dass die digitale und grüne Transformation untrennbar miteinander verbunden sind.

Die Autoren Wolrad Claudy, Christian Biberger und Jonas Hegel legen in ihrem Beitrag „Digitale Transformation und der Green Deal der EU“ in dem Sammelband den Grundstein für eine wegweisende Erkenntnis: Die Verbindung zwischen dem Green Deal der EU und der Digitalen Transformation ist der Schlüssel zur angestrebten Klimaneutralität bis 2050. Die gegenseitige Abhängigkeit dieser beiden Transformationsprozesse wird deutlich hervorgehoben – eine Symbiose, die für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Gemeinwohlökonomie von entscheidender Bedeutung ist.

Die Autoren plädieren dafür, dass die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt. Ihr Beitrag präsentiert unternehmerische Ansätze und Innovationen, die darauf abzielen, eine nachhaltige Wirtschaftsweise zu fördern und sozialen Mehrwert zu schaffen. Dabei betonen sie, dass es an jedem einzelnen von uns liegt, die notwendigen Veränderungen aktiv voranzutreiben.

Die Wechselwirkung zwischen der digitalen und der nachhaltigen Transformation wird als facettenreich beschrieben. Positiv hervorgehoben werden dabei erhöhte Erschwinglichkeit, Zugänglichkeit und Qualität von Produkten, die durch die digitale Transformation zu mehr Nachhaltigkeit beitragen können. Gleichzeitig werden jedoch auch Herausforderungen wie Rebound-Effekte, wachsender Energieverbrauch und selektive Zugänglichkeit von digitalen Produkten und Dienstleistungen identifiziert.

Die Autoren unterstreichen, dass die Entwicklung hin zu einer enkeltauglichen Zukunft zusätzliche Anstrengungen erfordert. Dazu gehören der Umbau zur Kreislaufwirtschaft, Technologie- und Geschäftsmodellinnovationen sowie klare rechtliche Rahmenbedingungen auf EU-Ebene. Anreizfinanzierungen durch Institutionen und private Investor:innen werden als essentiell für den Erfolg dieses Wandels betrachtet.

Trotz der langjährigen Innovationskraft deutscher Unternehmen im Bereich Umwelttechnologien und deren Erfolge im Umwelt- und Klimaschutz betonen die Autoren Wolrad Claudy, Christian Biberger und Jonas Hegel in ihrem Artikel, dass die Ziele des Green Deals allein nicht ausreichen werden. Es ist erforderlich, die Umweltauswirkungen in kurzen Zeitabschnitten auf ein Minimum zu reduzieren, um die Null-Emission-Ambition des Green Deals zu erfüllen.

Die Takeaways aus dem Fazit sind klare Handlungsaufforderungen für Unternehmen:

Digitale betriebliche Transformation nutzen: Die Digitalisierung sollte als Instrument genutzt werden, um die ganzheitliche grüne Transformation des Unternehmens voranzutreiben. Stellenwert der Digitalisierung erkennen: Unternehmen müssen den Wert der Digitalisierung erkennen und aktiv den Herausforderungen begegnen. Interne Prozesse überdenken: Die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht neue Formen der Prozessverbesserung. Digitalisierung als Chance sehen: Unternehmen sollten die Digitalisierung als Chance begreifen und den Nutzen neuer Technologien für ihre Entwicklung erkunden. Geschäftsmodelle neu ausrichten: Der Hauptnutzen von erfolgreichen Geschäftsmodellen verschiebt sich vom Nutzer und Anbieter hin zu Gesellschaft und Umwelt. CO2-Neutralität als Ziel: Die Dekarbonisierung der Energieversorgung wird als zentrales Ziel betrachtet – die „Mondmission“ der jetzigen Generation. Digitalisierung und Vernetzung als Fundament: Diese bilden das Fundament für die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung und Energieversorgung. Green Deal der EU als essenziell betrachten: Dieser ist nicht nur eine politische Vorgabe, sondern eine dringende Verpflichtung im Rahmen des Generationenvertrags mit unseren Kindern.

Insgesamt bieten die Ausführungen der Autoren eine klare Perspektive und Handlungsanweisungen für Unternehmen und Individuen, um gemeinsam eine enkeltaugliche Zukunft zu gestalten. Es liegt an uns allen, die Synergie von Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu nutzen und aktiv an der Verwirklichung einer nachhaltigen Gemeinwohlökonomie mitzuwirken.

Das Buch bietet einen fundierten Überblick über die Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation aus technologischer und nachhaltiger Perspektive. Es richtet sich nicht nur an Führungskräfte und Entscheidungsträger in Unternehmen, sondern auch an alle, die sich für die Zukunft der Wirtschaft und Gesellschaft interessieren. Auch nach zwei Jahren bleibt es ein wegweisendes Werk, das Impulse für den notwendigen Wandel in Richtung einer digitalen und nachhaltigen Zukunft liefert.

Buchempfehlung: „Umsetzung der digitalen Transformation – Wie Unternehmen sich für eine digitale und nachhaltige Zukunft wandeln müssen“ (Hrsg. Prof. Dr.-Ing. Hubertus C. Tuczek), mit 88 Fallbeispielen.

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Marktentwicklung im Fokus: Warnung vor übermäßigem Optimismus

Von Dr. Oliver Everling | 25.Januar 2024

In den vergangenen Wochen erlebten die Finanzmärkte eine Phase der Risikofreude, wobei eine optimistische Grundstimmung vorherrschte. Dr. Eduard Baitinger, Leiter Asset Allocation der FERI AG, mahnt jedoch zur Vorsicht und betont, dass trotz des aktuellen Aufschwungs noch immer viel Überschwang im Spiel ist. In seinen Worten: „Diese optimistische Grundstimmung dürfte erst einmal andauern. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten, denn aktuell ist noch immer viel Überschwang im Spiel.“

Die Erwartungen an bis zu sechs Leitzinssenkungen seitens der Fed in diesem Jahr werfen ebenfalls Fragen auf. Baitinger warnt davor, diese Spekulationen als realistisch anzusehen: „Diese Erwartungen könnten sich jedoch als unrealistisch herausstellen.“ Die Inflationsraten, die weiterhin deutlich über dem Ziel von 2% liegen, und potenzielle neue Risiken, wie Störungen im globalen Frachtverkehr, könnten die Inflation weiter anheizen. Ein realistischeres Bild der Marktentwicklung werde sich erst zeigen, wenn die aktuelle Euphorie nachlasse, so Baitinger.

Ein besonderes Augenmerk legt Baitinger auf den US-Technologiesektor, der von einem verstärkten Hype um Künstliche Intelligenz (KI) profitiert. Die Indizes mit hohem KI-Anteil erreichten zwischenzeitlich neue Allzeithochs. Der Ausgang der Wahlen in Taiwan wirkte sich ebenfalls positiv aus, da eine chinakritische Partei den Präsidenten stellt, ohne die absolute Mehrheit im Parlament zu besitzen. Baitinger erklärt: „Der Hype um Künstliche Intelligenz hat zuletzt wieder zugenommen und den US-Technologiesektor beflügelt.“ Taiwanesische und globale Halbleiterwerte gehörten daher zu den Gewinnern der Stunde.

Jedoch sind Rezessionsrisiken nach wie vor präsent. Die Erwartung eines „Soft Landings“ der US-Wirtschaft bei gleichzeitig rückläufiger Inflation hält Baitinger für empirisch unwahrscheinlich. Stattdessen sieht er die Möglichkeit, dass rezessive Tendenzen sich verstärken und das Investmentumfeld im Verlauf von 2024 trüben werden. Sein Ratschlag für professionelle Investoren lautet, die Asset Allocation defensiver zu gestalten, Anleihen zu übergewichten und auf der Aktienseite den Fokus auf konjunkturunabhängige Sektoren und Unternehmen mit qualitativ hochwertigen Bilanzen zu legen.

Dr. Eduard Baitinger, seit 2015 Leiter Asset Allocation der FERI AG, bringt durch seine fundierten Einsichten Licht in die aktuellen Marktbedingungen und weist auf mögliche Fallstricke hin. Seine Warnungen vor übermäßigem Optimismus und seine Empfehlungen zur defensiven Positionierung in unsicheren Zeiten unterstreichen seine Expertise in der Finanzbranche.

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Rotchinesische Revolutionäre

Von Dr. Oliver Everling | 22.Januar 2024

„Temu und Shein: Die Revolution der chinesischen Onlinehändler“, titelt heute ODDO BHF in einer Finanzkommunikation. In den USA war 2023 Temu, eine chinesische E-Commerce-App, die am häufigsten heruntergeladene App für iPhones. Hinter der App steht der chinesische E-Commerce-Gigant Pinduoduo (PDD). „Temu ist vor etwas über einem Jahr gestartet und hat sich weltweit schnell zu einem Konkurrenten von Amazon entwickelt“, führt Yanxiu Gu, Spezialistin für chinesische Aktien bei ODDO BHF Asset Management in einem aktuellen Marktkommentar aus.

Der chinesische Online-Händler Shein kam 2022 in der Fast-Fashion-Branche in den USA auf einen Marktanteil von 40% und lag somit vor Zara (27%) und H&M (17%). Ende November 2023 hat Shein in den USA den Antrag für einen Börsengang eingereicht und strebt eine Bewertung von 90 Milliarden USD an. Diese Ausbreitung auf das internationale Geschäft habe strategische Gründe, so Gu: „Auch wenn China mit über 800 Millionen Käufern der weltweit größte E-Commerce-Markt ist, wird sich das Wachstum der einheimischen Branche von 22% pro Jahr zwischen 2014 und 2021 auf etwa 7,5% in 2025 verlangsamen.“ Die chinesischen Internetgiganten wie Alibaba, Tencent, ByteDance und PDD expandieren ins Ausland, um zusätzliches Wachstum zu generieren und die Verlangsamung im Inland auszugleichen. Sie ringen auf westlichen Märkten wie auch in Südostasien um Vorherrschaft. Da die Konsumenten weltweit aufgrund der Inflation den Gürtel enger schnallen, können Unternehmen mit Fokus auf einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis wie Shein und Temu (PDD) der Expertin zufolge in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten Marktanteile hinzugewinnen.

Shein und Temu bieten Kleidung, Haushaltswaren und elektronische Geräte zu bemerkenswert niedrigen Preisen an. Der schnelle Warenumschlag, eine große Auswahl und personalisierte Empfehlungen sorgen für hohe Kundenbindung und ein „Shoppen wie ein Milliardär“-Kundenerlebnis, wie der Werbeslogan von Temu zum Super Bowl suggeriert. „Die Apps zeichnen sich durch einen großen Suchtfaktor aus“, erklärt die Aktienspezialistin von ODDO BHF. „Shein setzt KI ein, um neue Trends schnell zu identifizieren, und kann Artikel innerhalb von weniger als einer Woche entwerfen, produzieren und auf den Markt bringen. Dieser Prozess dauert bei Zara etwa drei Wochen.“ Temu hingegen locke Nutzer mit interaktiven Spielen, um Online-Shopping zum sozialen Event aufzuwerten. So beträgt die durchschnittliche Nutzungszeit bei Temu 18 Minuten, bei Amazon nur 10 Minuten. Influencer und Kunden – einige davon gesponsert – posten „Shein Haul“- oder „Temu Haul“-Videos auf Plattformen wie YouTube und TikTok, zeigen darin ihre Einkäufe und steigern dadurch die Attraktivität der Marke.

„PDD hat sich anfangs strategisch auf Lower-Tier-Städte in China konzentriert und damit einen sehr preissensiblen Markt erobert. Dieser Ansatz hat es PDD ermöglicht, erfolgreich gegen Giganten wie Alibaba und Jd.com zu bestehen“, erklärt Yanxiu Gu. Die gute Nachricht für PDD sei, dass es einen Trend hin zu bezahlbaren Waren und weg von Premiummarken gebe. Er erhielt zusätzlichen Schub durch die Auswirkungen von Corona-Einschränkungen und eine schleppende wirtschaftliche Erholung. Die Umsätze von PDD verdoppelten sich binnen eines Jahres fast und der Aktienkurs von PDD legte 2023 um 80% zu. Damit hat PDD den früheren Marktführer Alibaba bei der Marktbewertung überholt.

Viele Anleger haben Zweifel, ob die Niedrigpreisstrategie von Temu und Shein dauerhaft durchzuhalten ist und befürchten, dass jede Preiserhöhung das Kernmarkenversprechen aushöhlen würde. „Es kann sein, dass westliche Konsumenten toleranter gegenüber Preisschwankungen sind als chinesische Konsumenten. Dies wäre für Shein und Temu von Vorteil“, schätzt die Aktienspezialistin von ODDO BHF. Preisanstiege um 30% würden wohl bei hohen und sehr hohen Preisen nicht akzeptiert werden, bei einem Kleid für 15 USD mache der Preisunterschied lediglich zwei Kaffees aus. „Unwahrscheinlich, dass dies junge Kunden wirklich vom Kauf abhalten würde.“

Anleger sollen Gu zufolge die politischen Risiken im Blick behalten. Alibaba etwa musste 2021 nach einer kartellrechtlichen Untersuchung eine hohe Strafe zahlen, weswegen internationale Anleger vorsichtig geworden sind. Bisher scheinen die beiden Unternehmen aber dem chinesische Narrativ „Wohlstand für alle“ zuträglich zu sein und sind damit in einer sicheren Position. Shein hat durch die Verlagerung des Hauptsitzes nach Singapur und den Fokus auf globale Märkte die Verbindungen zu China minimiert. „Die Expansion chinesischer E-Commerce-Giganten in internationale Märkte markiert eine spannende neue Ära. Ihr nachhaltiger Erfolg wird jedoch von deren Fähigkeit abhängen, geschickt durch das komplexe politische Umfeld zu navigieren“, fasst Yanxiu Gu zusammen.

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Die Bedeutung des Ratings: Deutsche Bildung zahlt erste Unternehmensanleihe für Bildung zurück

Von Dr. Oliver Everling | 17.Januar 2024

Bildung als langfristige Kapitalanlage – eine innovative Idee, die vor zehn Jahren von der Deutsche Bildung AG mit der Emission der ersten Unternehmensanleihe für Bildung umgesetzt wurde. Die aktuelle Nachricht, dass die Deutsche Bildung die Anleihe fristgerecht und vollständig zurückgezahlt hat, wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung des Ratings im Kontext von Bildungsanleihen.

Die von der Deutsche Bildung Studienfonds II GmbH & Co. KG emittierte Inhaberschuldverschreibung über 10 Mio. Euro wurde nach zehnjähriger Laufzeit am 16.12.2023 fällig. Diese Anleihe, in zwei Tranchen zu je 5 Mio. Euro in den Jahren 2013 und 2014 ausgegeben, ermöglichte es dem Studienfonds, rund 1.000 Studierende in Deutschland finanziell und inhaltlich zu unterstützen. Das innovative Finanzierungsmodell basiert darauf, dass Absolvent:innen befristet einen vereinbarten Anteil ihres Einkommens zurückzahlen, ohne dabei einer fixen Schuldenlast ausgesetzt zu sein.

Die Rückzahlung der Anleihe ist nicht nur ein Erfolg für die Deutsche Bildung, sondern auch für die Vielfalt an Investoren, die sich vor einem Jahrzehnt für diese Bildungsanleihe begeisterten. Unter ihnen finden sich Stiftungen, Kirchen, Spezial- und Investmentfonds sowie Privatpersonen. Die Tatsache, dass die Anleihe über ihre gesamte Laufzeit ein stabiles Investment blieb und nur gering korreliert war, zeigt die Resilienz und den Erfolg dieses innovativen Finanzierungsansatzes.

Das Rating spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Tatsache, dass die Anleihe von einer breiten Palette von Investoren gezeichnet wurde, deutet darauf hin, dass das Finanzinstrument in der Bewertung als solide und attraktiv eingestuft wurde. Diese Einschätzung wird durch die Aussage von Dr. Erik Spickschen, dem Sprecher des Vorstands der Deutsche Bildung AG, unterstrichen, der betont, dass die Anleihe in einem wechselhaften Umfeld ein stabiles Investment geblieben ist.

Die Anleihe ermöglichte nicht nur die Finanzierung von Bildung, sondern trug auch dazu bei, dass Bildung als langfristige Kapitalanlage wahrgenommen wird. Anja Hofmann, Vorstand der Deutsche Bildung AG, hebt hervor, dass die solide Investorenbasis der Deutsche Bildung auch in einem herausfordernden Umfeld für die Finanzierung des Studiums ihrer Kund:innen sorgt. Das Prinzip eines umgekehrten Generationenvertrags ermöglicht es, auch in Zeiten steigender Zinsen und hoher Inflation die Studienfinanzierung sicherzustellen.

Die Rückzahlung der ersten Unternehmensanleihe für Bildung ist somit nicht nur ein Erfolg für die Deutsche Bildung, sondern auch ein Leuchtfeuer für innovative Finanzierungsmodelle im Bildungsbereich. Das von Investoren wahrgenommene explizite oder implizite Rating spielt eine zentrale Rolle, indem es Investoren Vertrauen gibt und den Weg für nachhaltige und sinnvolle Investitionen in die Bildungsinfrastruktur ebnet. Es zeigt, dass Bildung nicht nur eine gesellschaftliche Verantwortung ist, sondern auch eine rentable und zukunftsweisende Kapitalanlage sein kann.

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Taiwans politische Landschaft nach den Wahlen: Analyse von Carlos Casanova, Senior Economist bei UBP

Von Dr. Oliver Everling | 15.Januar 2024

Die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) in Taiwan hat bei den Wahlen am 14. Januar zum dritten Mal in Folge die meisten Stimmen erhalten. Dies markiert einen historischen Moment, da es das erste Mal ist, dass eine politische Partei in Taiwan eine dritte Amtszeit erreicht. Trotzdem war der Sieg der DPP kein überwältigender Triumph, da sie im Vergleich zu den vorherigen Wahlen im Jahr 2020 Sitze verloren hat.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Zustimmung zur DPP vor der letzten Wahl gering war. Die damaligen Proteste in Hongkong spielten eine entscheidende Rolle, indem sie viele Wähler dazu bewegten, der DPP ihre Stimme zu geben. Carlos Casanova, Senior Economist Asien bei der Union Bancaire Privée (UBP), hebt diese historische Kontextualisierung hervor, um die politische Dynamik zu verstehen.

Die kommenden politischen Ereignisse könnten von Peking beeinflusst werden, insbesondere im Vorfeld des Nationalen Volkskongresses im März und der Amtseinführung von Lai Ching-te im Mai. Casanova geht jedoch nicht davon aus, dass die geopolitischen Risiken in dieser Region übermäßig eskalieren werden. Er betont, dass Präsident Xi wahrscheinlich vermeiden wird, im Vorfeld der US-Wahlen 2024 in den Mittelpunkt zu rücken.

Interessanterweise könnte eine Minderheitsregierung in Taiwan positive Aspekte für Peking haben, so Casanova. Eine solche Situation könnte dazu führen, dass politische Differenzen zwischen verschiedenen Fraktionen ausgenutzt werden, um Zugeständnisse zu erlangen. Dies könnte zu einer gewissen Stabilität beitragen und die Möglichkeit bieten, politische Beziehungen zu gestalten.

Die DPP sieht sich in der aktuellen Legislaturperiode mit der Herausforderung einer fehlenden Mehrheit konfrontiert und wird gezwungen sein, Bündnisse einzugehen, um ausreichend Sitze zu erhalten. Diese Situation erinnert an die Jahre 2000 bis 2008 unter Chen Shui-bian. In dieser Zeit spielte der Sprecher der Kuomintang (KMT), Wang Jin-pyng, eine entscheidende Rolle als Vermittler zwischen den verschiedenen Parteien. Dadurch konnten mehr Gesetze verabschiedet werden als unter dem früheren KMT-Präsidenten Ma Ying-jeou von 2008 bis 2016, als die KMT eine Mehrheit hatte.

Das Fehlen eines solchen Vermittlers stellt nach Casanova das Hauptrisiko dar, und zwar auf wirtschaftlicher Ebene. Der UBP-Experte erwartet keine wesentlichen Änderungen in der derzeitigen Wirtschaftspolitik. Insbesondere wird es für Taiwan eine Herausforderung sein, sich von der starken Abhängigkeit von der Halbleiterherstellung zu diversifizieren. Gleichzeitig wird die „Neue Süd-Politik“ der DPP voraussichtlich die Direktinvestitionen in Südostasien fördern und die Lohnzurückhaltung im Inland weiter vorantreiben. Diese wirtschaftlichen Aspekte könnten in den kommenden Jahren die Schlagzeilen in Taiwans politischer und wirtschaftlicher Landschaft dominieren.

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Aufbruch ins Neue Jahr: Die Thomsen Group und der Appell zum Handeln

Von Dr. Oliver Everling | 9.Januar 2024

Das Jahr 2023 ist Geschichte, und die Thomsen Group startet mit einem eindringlichen Neujahrsbrief ins Jahr 2024. Der Brief zitiert eingangs Mahatma Gandhi: „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun“. Dieser Leitsatz, vor 85 Jahren ausgesprochen, erweist sich als zeitlos und findet im Januar 2024 eine besondere Relevanz.

Der Brief reflektiert das vergangene Jahr, das von politischer Unruhe und globalen Herausforderungen geprägt war. Die republikanischen Abgeordneten zeigten im Januar Handlungsunfähigkeit, und chaotische Ereignisse um ihren Vorsitzenden führten zu einem beispiellosen Schritt in der US-Geschichte. Gleichzeitig zögerte der deutsche Kanzler bei der Entscheidung über Panzerlieferungen an die Ukraine, was zu einer zurückhaltenden Offensive gegen den russischen Aggressor führte.

In einem beunruhigenden Szenario blockierten die US-Republikaner später im Jahr die dringend benötigte Finanzhilfe für die größte werdende Demokratie Europas. Dieses Versäumnis könnte die Freiheit in der Region bedrohen, während Wladimir Putin möglicherweise von der westlichen Zögerlichkeit profitiert. Der Brief wirft eine kritische Frage auf: „Und wir uns bald die Augen, was das für unsere Freiheit bedeutet?“

Der Brief erinnert an den Februar, in dem die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller auf dem Weltmarktführer-Gipfeltreffen von ihren Verhören durch den rumänischen Geheimdienst berichtete. Ein Appell gegen Ungleichheit und ein Imperativ des Handelns gegen Unrechtsregime werden damit im Gedächtnis behalten.

Der 7. Oktober markiert einen weiteren kritischen Moment, an dem die Hamas Israel angriff und Menschen brutal in den Gaza-Streifen verschleppte. Die Solidarität mit Jüdinnen und Juden in Deutschland wurde zum Ausdruck gebracht, und die Gesellschaft steht vor einer Zerreißprobe angesichts von Straf- und Gewalttaten im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt.

Die historische Verantwortung Deutschlands für die Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs wird betont. Im Jahr 2024 werden Entscheider in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft aufgefordert, sich den drängenden Herausforderungen zu stellen. Der Brief hebt Krieg, Klimawandel, KI, globale Ungleichheit und Migration hervor und betont die Notwendigkeit, die Geschäftsmodelle an die neue Weltordnung der Multioptionalität anzupassen.

Kritik am übermäßigen Schimpfen und Jammern im Jahr 2023 wird laut. Die Thomsen Group ruft dazu auf, sich auf unternehmerische Tugenden und Selbstbestimmtheit zu besinnen: „Mehr Machen statt Klagen!“

Der Brief schließt mit einem konkreten Vorhaben: Die Thomsen Group wird mit ihren führenden Köpfen als Mitherausgeber des Buches „Quality Economy“ einen Gegenentwurf zur bisherigen Wirtschaft präsentieren, um einen Beitrag zur Entwicklung notwendiger Lösungen zu leisten. In einer Zeit, die von Unsicherheit geprägt ist, setzen sie ein Zeichen für aktives Handeln und eine positive Gestaltung der Zukunft.

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