Mehr Zahlungsstörungen in Deutschland
Von Dr. Oliver Everling | 6.Januar 2009
Coface hat Deutschland im Länderrating auf die negative Beobachtungsliste gesetzt. Anlass ist die nun auch in Deutschland spürbare deutliche Verschlechterung des Zahlungsverhaltens von Unternehmen. In den ersten elf Monaten 2008 haben sich die Zahlungsstörungen nach Zahlen der Coface um 28 Prozent erhöht. Zudem wirke sich die aktuelle Krise besonders stark auf den Export deutscher Unternehmen aus.
Deutschland ist die letzte westeuropäische Industrienation, die von Coface abgewertet oder auf die Watchlist mit negativer Aussicht genommen wurde.
Wie Frankreich, das seit Oktober 2008 auf der Beobachtungsliste steht, bleibt Deutschland noch in der besten Stufe A1. Großbritannien und Spanien wurden bereits in A2 herabgestuft. Das Länderrating der Coface bezieht sich nicht auf die Stabilität eines Staates oder die Sicherheit von Staatsanleihen, sondern bewertet das Zahlungsausfallrisiko bei kurzfristigen Geschäften mit Unternehmen in einer Region oder in einem Land.
Die negative Entwicklung im Export könnte dazu führen, dass die davon betroffene Industrie Investitionen stoppt. Auf der anderen Seite könnten Investitionen in den öffentlichen Sektor und Bauvorhaben in der Infrastruktur ebenso leichte positive Auswirkungen haben wie der private Konsum. Denn in Deutschland sieht Coface keine Immobilienblase oder breite Überschuldung der privaten Haushalte.
Die Branchensituation bewertet Coface derzeit differenziert. Am meisten betroffen seien die Bereiche, die am stärksten von Exporten abhängig sind, wie Flugzeug- und Automobilzulieferer, Textil- und Bekleidungsindustrie, See- und Binnenschifffahrt und – in geringerem Ausmaß – Metall-, Chemie- und Ausrüstungsindustrie. Andere Branchen könnten der Entwicklung besser widerstehen. Dazu zählt Coface zum Beispiel die Möbelindustrie, die von einer steigenden Nachfrage profitieren könnte.
„Insgesamt haben sich deutsche Unternehmen als standfester erwiesen und sich länger als andere westeuropäischen Firmen gehalten, aber der Abschwung übertraf letztlich die Stabilität“, erklärt Yves Zlotowski, Chefvolkswirt der Coface. „Das Zahlungsverhalten in Deutschland beginnt sich zu verschlechtern und die Insolvenzen steigen.“ Angesichts des traditionell vergleichsweise guten Zahlungsverhaltens in Deutschland seien zunehmende Verzögerungen und Ausfälle umso alarmierender. „Jetzt ist eine deutliche Verschlechterung seit dem letzten Herbst festzustellen“, fasst Yves Zlotowski zusammen.
Die Coface-Länderbewertungen berücksichtigen insbesondere das Zahlungsverhalten der Unternehmen bei kurzfristigen Verbindlichkeiten in den jeweiligen Ländern. Es fließen aber auch Daten zur wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Entwicklung eines Landes ein sowie zum Geschäftsumfeld, wozu vor allem die Transparenz bei den Unternehmensbilanzen, der Gläubigerschutz und institutionelle Rahmenbedingungen gehören. Das Rating ist ein Indikator für Unternehmen, die in diesen Ländern Geschäfte machen. Die Bewertungen folgen einer ähnlichen siebenstufigen Skala wie die der Ratingagenturen: A1 bis A4 entsprechen Investmentgrades, B, C und D stehen für ein mittleres bis hohes Risiko. Regelmäßig werden über 150 Länder analysiert und bewertet.
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Markowitz-Modellkritik reißt nicht ab
Von Dr. Oliver Everling | 6.Januar 2009
„So im neuen Jahr habe ich noch nie so etwas schönes (auch sprachtechnisch) gelesen“, kommentiert Willem D. Okkerse vom OK-RATING INSTITUTE (http://www.ok-rating.nl/) den Artikel „Ende naiver Markowitz-Diversifikation“ im Everling Internet Newsletter Ausgabe 1/2009 vom 31. Dezember 2008, der überraschend viel Zustimmung erfuhr. Okkerse fügt seiner Nachricht kommentarlos die Wertentwicklung seines Portfolios und Vergleichszahlen hinzu: Wer gemäß seines Ratings statt nach Markowitz investiert hat, hat nur einen Bruchteil im Vergleich zu allen Indizes, zu Warren Buffet und zu anderen Investoren verloren.
Gegenstand des Artikels im Newsletter war die hartnäckige Anwendung des Markowitz-Modells in der Praxis sowie die unbeirrbare Lehre dazu, obwohl die realitätsfernen Prämissen und theoretischen Voraussetzungen in der Praxis nicht auch nur annähernd oder teilweise erfüllt sind. Die aktuelle Finanzkrise beweist, dass auch Ratings und Liquiditätsaspekte Börsenkurse zu beeinflussen vermögen. Markovitz sei sowieso falsch, stimmt Jürgen Braatz ein, geschäftsführender Gesellschafter der Ratingwissen GbR in Hamburg, da die Prämisse „Glockenkurve“ empirisch widerlegt sei. Braatz hatte schon vor zwei Jahren nach einem Vortrag beim SAS-Forum in seinem Fondswissen-Newsletter dezidiert dazu Stellung genommen.
Nach der Theorie des Nobelpreisträgers Harry Markowitz reduzieren sich die Anlagebedürfnisse von Investoren auf eine optimale Kombination von Chance (erwarteter Rendite) und Risiko (Varianz der Rendite). Wären alle Wahrscheinlichkeiten aller künftig möglichen Ereignisse und Entwicklungen bekannt, würden darüber hinaus weltweit alle Anleger über alle Informationen jederzeit und überall verfügen, weder Steuern noch Provisionen oder Gebühren an Banken bezahlen noch sonst Transaktionskosten berücksichtigen müssen, dann wäre es unter einer Reihe weiterer theoretischer Annahmen optimal, in eine Kombination aus Marktportefeuille und sicherer Anlage (z. B. Staatspapiere) zu investieren. Um diese zu finden, braucht man dann „nur noch“ die Nutzenfunktion des Anlegers zu bestimmen, die allerdings ethische, ökologische und soziale Aspekte nicht enthalten darf, da es auf bloße Rendite ankommen soll.
„Gestatten Sie mir bitte eine kleine Anmerkung zu Ihrem heutigen Newsletter, insbesondere zu Markowitz“, schreibt Michael Anton, Geschäftsführer der Index Portfolio Concept GmbH aus Dillingen (www.die-faire-rendite.de): „Ja, es ist äußerst bedauerlich, dass die Finanzwelt immer noch mit dem Modell Markowitz hantiert, das nicht nur aus der Mode gekommen ist, sondern schlicht und ergreifend falsch ist. Auch dies ist keine neue Erkenntnis, sie drückt nur aus, dass die Finanzindustrie mit hergebrachten Mitteln, die einmal – bedauerlicherweise durch den Nobelpreis zu falschen Ehren gelangt – nach wie vor den Markt konditioniert und zu bequem ist, die alten Modelle zu entsorgen und gegen bessere zu ersetzen.“
„Dies wird die etablierte Finanzindustrie nicht tun,“ so Anton weiter, „denn sie müsste Abschied nehmen von einem bequemen und einträglichen Geschäftsmodell. Bessere Mathematik ist seit langem vorhanden (siehe Mandelbrot), doch wir müssen mit der Erkenntnis leben, dass die großen Krisen – nach wie vor – nicht vorhersagbar werden. Daraus ist abzuleiten, dass Vermögen gegen – unvorhersagbare – Krisen besser geschützt werden müssen. Vermögen finden in der in der Gaußschen Glockenkurve nur vermeintlichen Schutz, der sich in der Krise als untauglich erweist.“
Die wissenschaftlichen Verdienste von Harry Markowitz, die finanzwirtschaftliche Forschung über ein halbes Jahrhundert hinweg maßgeblich beeinflusst zu haben, stehen trotz begrenzter praktischer Eignung seines Modells außer jedem Zweifel. Es liegt an der Praxis, die Tragweite seiner witzigen Idee von vollständig informationseffizienten und unendlich reaktionsschnellen Märkten nicht erkannt zu haben. Viele Phänomene der Praxis, wie das Auf- und Ab der Börsenkurse, wurden als Beweise dafür gedeutet, dass die Modellprämissen wenigstens annähernd erfüllt seien oder hinreichend modifiziert werden könnten. Der Kerneraufgabe, überhaupt erst die Risikosituationen von Unternehmen umfassend zu analysieren und durch ein Rating zu klassifizieren, wollten und konnten sich die meisten, auch institutionellen Anleger nicht stellen: Zu groß die Versuchung in Zeiten moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, einfach historische Börsenkursdaten in der einen oder anderen Form in die Zukunft fortzuschreiben.
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Mehr PEP im Team
Von Dr. Oliver Everling | 31.Dezember 2008
„Mehr PEP im Team! So organisieren Sie sich und ihr Team mit dem Personal Excellence Program“ von Katharina Dietze, Sonja Strich und Peter Kurt Fromme aus dem Campus Verlag (ISBN 978-3-593-38665-2, www.campus.de) zielt auf Manager. Sie befinden sich in verschiedenen Rollen: In der Sitzung des Konzernvorstands z. B. als Experte. Dann als Vorgesetzter, später als Mitarbeiter des eigenen Vorgesetzten und schließlich als Privatperson. Nur letztere Rolle wird in diesem Buch mehr oder weniger ausgeblendet.
Das Buch fokussiert im ersten Teil sieben Produktivitätsfaktoren im Team: Effektive Führung, geordnete Datenstrukturen, effektives Informationsmanagement, Tagesplanung, Routinen, Aufgabenbündelung, effektives Projekt- und Prozessmanagement, erfolgreiche Kommunikation und die Frage nach dem Erfolg im Team (Effizienz und Effektivität im Team, Teamerfolg: Was ist das?).
Beispiel Beauftragen/Delegieren, Motivieren, Unterstützen, Lenken: Die Autoren beschreiben die Rollen der Führungskraft in prägnanten Formulierungen und konkreten Handlungsempfehlungen. Das Buch liefert dabei mehr als lediglich eine Ansammlung von Glaubenssätzen, wie man „richtig“ führen sollte. Zahlreiche Tabellen und Listen, die aber nicht bloß im Stakkato die wichtigsten Punkte hervorheben, lassen den Leser sich schnell zurechtfinden. Den Autoren gelingt es zum Schluss jedes Hauptkapitels in geeigneter Weise, in ihrem Fazit die wichtigsten Erkenntnisse zu enumerieren und Inhalte wieder aufzugreifen.
Der zweite Teil des Buches umfasst „Checkliste für mehr PEP im Team“: Die erste Checkliste ist ein Manager-Selbsttest, der gleich auch die Wertungen der Antworten erkennen lässt und mehr als nur eine Spielerei ist. Jeder notierte Minuspunkt zu viel ist hier kaum verzeihlich, sollte zu denken geben und den Leser an die jeweiligen Kapitel zurückführen, in denen die den Antworten zugrunde liegende Logik argumentiert wird.
Das Buch ist eine gelungene Mischung aus Einsichten zur Produktivitätssteigerung in Organisationen und solchen zur Optimierung der persönlichen Arbeitsorganisation. Das Agieren im Team bleibt in diesem Buch kein abstraktes Untersuchungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre oder -theorie, sondern wird sinnvoll in den Kontext des persönlichen Arbeitsalltags und -organisation gestellt.
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Finanzierung und Investition mit Excel und HP
Von Dr. Oliver Everling | 31.Dezember 2008
Die 3. Auflage des Fachbuchs Wirtschaft von Prof. (FH) Dr. Hans Röhrenbacher „Finanzierung und Investition (mit Excel und HP)“ kommt mit einer CD-Rom zur Finanzplanung mi Cash flow-Statements, allen Investitionsrechnungsverfahren und ausführlich kommentierten Beispielen für Excel 2007 und HP 17 B / HP 19 B zum Soforteinsatz (ISBN 978-3-7143-0148-9, www.lindeverlag.at). Das Buch hat gar nichts mit rein theoretischen Artikeln zu tun, wie sie in amerikanischen Journals zu lesen sind. Schon beim ersten Durchblättern ist klar: Hier geht es um die praktische Handhabung von Computerprogrammen für die zahlenmäßige Vorbereitung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen. Der Leser fühlt sich fast an Handbücher erinnert, die zu Microsoft Excel und ähnlicher Software geliefert werden.
Finanzmathematik, Finanzierungsarten, Jahresabschlusskennzahlen und Investitionsrechnungsverfahren werden durchweg anhand der Strukturen der Programme dargestellt. Dekursive und antizipative Verzinsung, Einzelwertrechnungen, Rentenrechnungen, Cash flow-Rechnungen usw. werden anhand der Anwendungen von Hewlett Packard und Excel klar gemacht.
Zurecht moniert Röhrenbacher, dass bei Microsoft Excel die Terminologie problematisch ist. Es werden von Excel nämlich weder die betriebswirtschaftlichen noch die bei finanzmathematischen Rechnern verwendeten Variablenbezeichnungen übernommen, Röhrenbacher: „Dadurch, dass den einzelnen Zielgrpßen (von den unverständlichen Bezeichnungen abgeleitete) Abkürzungen zugewiesen wurden, findet man sich nicht leicht zurecht.“ Abhilfe schafft sein Buch, da es die Terminologie zusammenführt und zahlreiche Beispiele nachvollziehen lässt.
Wer die „Schule“ von Röhrenbacher durchlaufen hat, dem dürften die Schrecken der Finanzierungs- und Investitionsrechnung genommen sein. Das erarbeitete Wissen kann gleich im Internet mit OTS Online-Test-System® überprüft werden. Wer sich schon sicher fühlt und den Kauf des Buches für überflüssig hält, kann unter http://www.roehrenbacher.at/Publikationen/FinInv3/default.htm testen, ob vielleicht doch noch Wissenslücken zu finden sind.
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Basiswissen zu Investition und Finanzierung
Von Dr. Oliver Everling | 31.Dezember 2008
Wer neue Theorien oder Praxisansätze sucht, ist bei der 2. Auflage des Fachbuches Wirtschaft „Basiswissen zu Investition und Finanzierung“ von Dr. Thomas Benesch und Karin Schuch (Linde Verlag Wien, ISBN 978-3-7143-0133-5, www.lindeverlag.at) fehl am Platze. Das Buch dient dem Einsteiger aus der betrieblichen Praxis oder dem Studierenden an Fachhochschulen und Universitäten, sich rasch einen grundsätzlichen Einblick in die komplexe Materie der Beurteilung von Investitions- und Finanzierungsalternativen zu verschaffen.
Der Wert des Buches liegt insbesondere darin, eng auf die Verständnismöglichkeiten des Lernenden ausgerichtet zu sein: So entwickelte Benesch die erste Auflage des Buches 2005 aus seinen Lehrveranstaltungen, indem er auch durch Studenten den Stoff erarbeiten und auf didaktische Verständlichkeit überprüfen ließ. Die zweite Auflage wurde aufgrund der österreichischen Umstellung vom Handelsgesetzbuch (HGB) auf das Österreichische Unternehmensgesetzbuch (UGB) per 1. Januar 2007 erforderlich.
Die klare Ausrichtung des Buches auf die Bedürfnisse der Lehre zeigt sich nicht erst bei den Kontrollfragen und Aufgabenstellungen am Ende des Buches, sondern schon gliederungstechnisch: So gelangt das Buch von den Hauptkapiteln „Finanzierung“ und „Außenfinanzierung“ zum Spezielleren, „Außen-Fremdfinanzierung“, „Innenfinanzierung“ und schließlich „Finanzplanung“. Nach dem Kapitel „Investition“ folgen zwei Kapitel zu den statischen und dynamischen Investitionsrechnungen, wie sie bereits seit Jahrzehnten gelehrt werden und sich bewährt haben.
Lernpsychologisch wäre es wünschenswert gewesen, das Interesse des Lesers mit vorangestellten Lernzielen zu wecken und ihm damit eine Leitlinie für die Aufnahme des Stoffes an die Hand zu geben. Es werden Zusammenfassungen angeboten, die die Repetition des Lernmaterials erlauben.
Kaum erklärlich ist es, wie an den Autoren die Bedeutung von Ratings spurlos vorübergegangen ist. So taucht nicht einmal der Begriff „Rating“ auf, als ob es Basel II nie gegeben hätte. Auch in Österreich wird heute kein Kredit mehr ohne Risikoklassifizierung vergeben – davon erfährt der Studierende aber nichts. Die Logik und Bestimmungsfaktoren dieser Ratings erblickt der Lernende an keiner Stelle. Nicht einmal beim Thema Anleihefinanzierung fällt den Autoren der Einfluss der Bonität auf die Zinsbildung ein. Es werden sogar Swap-Anleihen vorgestellt, aber selbst hier fällt kein Wort von den zentralen Themen, die die Praxis nicht erst seit der Kreditkrise beschäftigen.
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Von der Subprime- zur Finanzkrise
Von Dr. Oliver Everling | 27.Dezember 2008
Wer zur aktuellen Finanzkrise qualitativ mehr lesen will, als bloß reißerischen Journalismus, der findet mit dem Buch aus dem Oldenbourg Verlag den richtigen Titel: „Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise“ heißt das Buch von Michael Bloss, Dietmar Ernst, Joachim Häcker und Nadine Eil, das in Eile bereits den Buchhandel erreicht hat (ISBN 978-3-486-58873-6, www.oldenbourg.de). Das Buch zeugt vom Fleiß der Autoren, in kürzester Zeit die wesentlichen Fakten zusammengetragen und in ansprechender Form präsentiert und analysiert zu haben.
Michael Bloss ist Wertpapierspezialist und Prokurist der Commerzbank AG in der Regionalfiliale Reutlingen. Er lehrt als Associate Professor und Director for Derivatives im Masterstudiengang International Finance der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen und unterrichtet als Gastdozent an namhaften Universitäten und Hochschulen. Sein Fachgebiet sind terminbörsengehandelte Derivate sowie deren Strategien.
Dr. Dr. Dietmar Ernst ist Professor für Corporate Finance an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen. Zuvor war er bei einer Private Equity Gesellschaft und über mehrere Jahre im Bereich Mergers & Acquisitions tätig. Dietmar Ernst hat an der Universität Tübingen Internationale Volkswirtschaftslehre studiert und sowohl in Wirtschaftswissenschaften als auch Naturwissenschaften promoviert.
Dr. Dr. Joachim Häcker ist Professor an der Hochschule Heilbronn und der University of Louisville. Ferner ist er Lehrbeauftragter an der St. Galler Business School sowie Beirat von PHTS. Sein Fachgebiet ist Internationale Finanzwirtschaft insbesondere Corporate Finance. Herr Häcker ist seit 12 Jahren als Berater im Corporate Finance Bereich tätig und war bis Ende 2003 Vice President bei Rothschild in Frankfurt und London.
Nadine Eil arbeitet bei der KfW IPEX-Bank in Frankfurt/Main und ist dort spezialisiert auf Internationale Projekt- und Exportfinanzierungen im Bereich Energie und Umwelt. Zuvor war Frau Eil bei Rothschild in Frankfurt im Investment Banking in M&A Advisory in den Sektoren „Transport“ und“ Business Services“ tätig. Bei der Société Générale Corporate & Investment Banking in London hat sie Erfahrungen im Bereich „Sales Debt Finance“ erworben, nachdem sie als Kreditanalystin und Akquisiteurin bei der Landesbank Saar im Bereich „International Finance – Corporates and Structured Products“ tätig war.
Warum es einer umfassenden Analyse der Finanzkrise bedarf? Die Autoren stellen zurecht die Reaktion der Politik auf die Krise an den Anfang ihres Buches, denn in der Politik werden jetzt weitreichende Weichenstellungen vorgenommen, ohne dass bereits alle Aspekte der Krise durchleuchtet worden wären. Die Autoren präsentieren ihre Analyse in Kürze: Wie entstand die Subprime-Krise? Wie haben Hypothekenbanken Kredite vergeben? Welche Finanzprodukte haben Investmentbanken geschaffen? Welche Rolle spielten die Ratingagenturen? Wie trifft die Subprime-Krise die Geschäftsbanken? Wie haben die EZB und die FED reagiert? Was haben Hedgefunds und Private Equity-Gesellschaften mit der Subprime-Krise zu tun? Beeinflusst die Subprime-Krise die Aktienmärkte? Haben Banken bereits alle Risiken offengelegt? Auf alle diese Fragen geben die Autoren ihre Antworten, soweit möglich, und leiten schließlich Handlungsempfehlungen ab.
Das Buch vermittelt dem Leser die notwendigen Begriffe zum Verständnis der Krise, um überhaupt mitreden zu können, zeigt einige theoretische Aspekte auf und dokumentiert Zahlen und Fakten zur Krisenentwicklung. Es liegt im Wesen dieses ehrgeizigen Buchprojektes der Autoren, nicht auf allen 246 Seiten gleichermaßen über die aktuelle Diskussion in den Medien hinaus weiterführende Aspekte liefern zu können. Ihnen gelingt es aber zum Beispiel, die Hayeksche Konjunkturtheorie als Referenzrahmen zur Erklärung der Subprime-Krise heranzuziehen.
Zu Recht befinden die Autoren, dass die Ratingagenturen gezwungen waren, anhand neuer Modelle mit neuen Methoden neue Finanzinstrumente zu analysieren. „Ratingagenturen haben die Ausfallwahrscheinlichkeit solcher Kreditpakete mangels historischer Vorbilder und aufgrund hypothekarischer Sicherungen als höchst gering eingeschätzt und mit Bestnoten versehen; das höchste Rating erhielten Papiere, deren Ausfallrisiko versichert war“, schreiben sie.
Die Autoren dekuvrieren den Versuch von US-Ratingagenturen, für sich je nach Blickwinkel die jeweils günstigste Rechtsposition zu reklamieren. So kritisieren sie die US-Agenturen anhand von Zitaten, nach denen sich diese Agenturen von jeder Haftung für die Genauigkeit, Zeitnähe oder Vollständigkeit faktischer Informationen freizeichnen. „Diese Erklärungen zeigen,“ urteilen die Autoren, „dass die Ratingagenturen offensichtlich den Auftrag der Wertpapieraufsichtsbehörden missachten und nicht den normalen Arbeitsgrundsätzen von Journalisten folgen, obwohl sie ihre Ratings als journalistische Werke bezeichnen.“
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Ende naiver Markowitz-Diversifikation
Von Dr. Oliver Everling | 26.Dezember 2008
Gleich in welcher Assetklasse sie investiert waren: Kapitalanleger sind die großen Verlierer des Jahres 2008. Kaum eine wie auch immer gewählte Zusammensetzung aus Aktien, Anleihen oder Immobilien konnte den Sparer vor Verlusten bewahren. Die Streuung nach Branchen funktionierte ebenso wenig wie die nach Regionen und Ländern, die Streuung von alternativen Investments bis Gold brachte ebenso im Durchschnitt Verluste. Jede Indexorientierung und Streuung über mehrere Börsenplätze führte nur dazu, an allen Kursstürzen teilzunehmen.
Wenn Marktteilnehmer gezwungen sind, sich in kürzester Zeit Zentralbankgeld zu beschaffen, zählt nur noch die Liquiditätseigenschaft von Vermögensgegenständen. Im Panikverkauf wird jeder Preis akzeptiert, so lange durch den Verkaufserlös noch dringend benötigte Liquidität zufließt. Als Bestand an liquiden Mitteln, als Eigenschaft der Liquidierbarkeit von Vermögensgegenständen, als Liquiditätsgrad wie auch als Insolvenztatbestand: In jedem Fall wurde die Liquidität zur wichtigsten Erklärungsvariablen des Marktgeschehens – weit ab vom Betafaktor des Capital Asset Pricing Models und vom Modell der Portfolio Selection des Nobelpreisträgers Harry Markowitz.
Die realitätsfernen Prämissen der Portfoliotheorie werden täglich gelehrt und waren hinlänglich bekannt: Jedem war bewusst, dass Kapitalanlagen nicht beliebig teilbar sind, Leerverkäufe nicht beliebig vorgenommen werden können, nicht alle Marktteilnehmer stets vollständige Transparenz über alle weltweit angebotenen Finanztitel haben und diese rational nach risikoaverser Nutzenfunktion beurteilen. Niemandem ist verborgen geblieben, dass Transaktionen und die Verwaltung von Wertpapierportfeuilles mit Mühen und Kosten verbunden ist. Selbst der Chef der Post musste schließlich feststellen, dass eine wichtige Prämisse von Markowitz, nämlich die Abwesenheit von Steuern, in der Realität nicht erfüllt ist.
Jahrzehntelang wurde an Problemen wie beispielsweise der Markowitz-Prämisse des Zwei-Zeitpunkt-Modelles buchstäblich „herumgedoktort“, eine schier endlose Menge an wissenschaftlichen Arbeiten mit quantitativen Modellen an Stiftungslehrstühlen der vermeintlich von derlei Forschung profitierenden Banken produziert. Der Wissenschaft ist es nun nicht gelungen, durch Integration verschiedener Theorien wie der Spieltheorie oder Behavioral Finance rechtzeitig einen theoretisch fundierten Vorschlag beizutragen, die Krise abzuwenden oder auch nur zu überwinden. Von der Portfoliotheorie bleibt als Lehrsatz für die Praxis nicht viel mehr als die Empfehlung, „nicht alle Eier in einen Korb zu legen“. Wer jetzt noch mit dem My-Sigma-Kriterium argumentiert und nicht auch Ratings als Funktionsparameter der Kapitalmärkte einbezieht, hat aus der Finanzkrise nichts gelernt.
Der Blick dürfte sich künftig daher weg von immer abstrakteren quantitativen Modellen, die aus Kursdaten der Vergangenheit Volatilitäts- und Renditeschätzungen für die Zukunft abzuleiten versuchen, hin zu Ansätzen wenden, die sich mit der Abbildung der Realwirtschaft in der Finanzwirtschaft befassen. Dabei dürften bescheidener daher kommende Versuche mit Ratings, in der Art einfacher Schulnoten schlicht höhere von niedrigeren Risiken zu unterscheiden, mehr Akzeptanz gewinnen.
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Der Katzen Spiel ist der Mäuse Tod
Von Dr. Oliver Everling | 26.Dezember 2008
Der Katzen Spiel ist der Mäuse Tod. „Schlecht für viele, Trost für Dumme“ – so etwa lautet übersetzt ein populäres spanisches Sprichwort: „Mal de muchos, consuelo de tontos.“ Die durch die Kapitalmarkttheorie nahe gelegte Diversifikation anhand eines Markindexes führt zum starren Blick auf Indizes und Portfoliozusammensetzungen, mit denen diese abgebildet werden. Nach dem Capital Asset Pricing Model investiert ein Anleger bekanntlich dann optimal, wenn er eine Kombination aus dem Marktportefeuille und einer (vermeintlich) sicheren Anlage, wie etwa einem Depot aus AAA gerateten Wertpapieren, unterhält. Crasht der Index, tröstet man sich damit, dass es auch alle anderen erwischt.
Dieser Investmentansatz macht es dem Anleger grundsätzlich vergleichsweise bequem: Das mühevolle „Stock Picking“, also die Entscheidung darüber, welches einzelne Unternehmen und welcher einzelne Titel mehr oder weniger gute Erfolgschancen bietet, wird überflüssig. Man kauft einfach alles zusammen, was es auf dem Markt gibt, und gewichtet allenfalls einzelne Marktsegmente stärker oder schwächer, je nach Erwartung. Wer die Hochhäuser von Shanghai gesehen hat, kauft vielleicht in Asien dazu. Wer auf seinen schicken Porsche schwört, holt sich vielleicht auch die Aktie in den Bestand.
Die nachweislich von fast allen namhaften Lehrstühlen, insbesondere an angelsächsischen Universitäten gelehrten Strategien und von Kapitalanlagegesellschaften propagierten Investmentansätze haben fatale Folgen für die Weltwirtschaft: An den zentralen Schalthebeln zur Allokation der Ressource Kapital sitzen Portfoliomanager, die ihren Ehrgeiz darauf beschränken, „den Index zu schlagen“. Wie die Fondsratings maßgeblicher Ratingagenturen zeigen, gelingt dies aber seit Jahren ohnehin nur einer kleinen Minderheit in der Investmentbranche.
Noch bedenklicher ist die Entwicklung hin zu solchen Exchange Traded Funds (ETFs), die keinerlei Verantwortung mehr für die von ihnen finanzierten Unternehmen übernehmen, sondern es dem Anleger simpel ermöglichen, „den Index“ zu kaufen. Eine sinnvolle Vertretung von Investoreninteressen findet hier in vielen Fällen gar nicht mehr statt: Es werden nicht einmal mehr Stimmrechte in Hauptversammlungen wahrgenommen. Offene Indexfonds – als Alternative zu ETFs – können dagegen zu ebenso sinnlosen Zwangsverkäufen und Kursstürzen selbst bei guten Unternehmen führen, wenn Anteilseigner ihre Zertifikate an den Indexfonds zurückgeben. Mangels differenzierterer Betrachtung durch Ratings trifft es alle.
Die Konzentration auf Volatilitäten und Kalkulationen der Erwartungswerte von Renditen nach dem Paradigma der Diversifikation nach My (= Erwartungswert der Rendite) und Sigma (= Standardabweichung der Rendite) absorbiert wertvolle analytische Kapazitäten. Aufgerüstet werden müssten dagegen Ratingsysteme, mit deren Hilfe der Versuch unternommen wird, realwirtschaftliche Entwicklungen möglichst präzise zu schätzen und in Risikoklassifikationen abzubilden. Dabei kann nicht allein auf mathematisch-statistische Methoden zurückgegriffen werden, die stur Zeitreihen der Vergangenheit in die Zukunft extrapolieren. Für Produktivitätsgewinne durch Innovationen und für nachhaltig veränderte Konsumentenpräferenzen, etwa aufgrund höherer Wertungen von ethischen, ökologischen oder sozialen Aspekten, bleibt in solchen Modellen kein Platz.
Statt immer trickreichere Finanzprodukte zu erfinden, mit denen Provisionen und laufende Kosten geschickt verpackt (neudeutsch: „gewrappt“) werden können, werden sich die Produktlieferanten der Finanzdienstleister künftig stärker auf reale Wertschöpfungen konzentrieren müssen. Dies erfordert verlässliche Ratingsysteme, mit denen zum Beispiel bei kleinen und mittleren Unternehmen Erfolgschancen valide und reliabel bemessen werden können. Selbst das nobelste Spielcasino vermag letztlich niemanden zu erfreuen, wenn nicht irgendwo auch der Winzer und der Fischer ernährt werden können, die den Champagner und den Kaviar liefern.
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Krise bestätigt Idee der Ratingevidenz
Von Dr. Oliver Everling | 26.Dezember 2008
Die derzeitige Krise hat die Schwächen der von den Ratingagenturen beim Rating von strukturierten Finanzinstrumenten verwendeten Methoden und Modelle verdeutlicht, kommentiert die Kommission der Europäischen Gemeinschaft zu ihrem Vorschlag für eine Verordnung über Ratingagenturen. „Auch die Kommunikation der Agenturen mit den Märkten und den Anlegern verlief sowohl im Hinblick auf die Merkmale und die Beschränkung des Ratings für strukturierte Finanzinstrumente als auch in Bezug auf kritische Modellannahmen nicht reibungslos“, urteilt die EU-Kommission.
Mit dem Gesetzesvorschlag der Kommission werden die Ratingagenturen verpflichtet, Ratings auf nicht selektiver Grundlage rechtzeitig bekannt zu machen. Damit sollen die Anleger in die Lage versetzt werden, zwischen Ratings für strukturierte Produkte und für herkömmliche Produkte (Ratings für Unternehmen und Staaten) zu unterscheiden, indem für strukturierte Finanzinstrumente der Rückgriff auf eine andere Ratingkategorie oder die Beibringung zusätzlicher Informationen über ihre Risikomerkmale gefordert wird. Für unaufgeforderte Ratings, deren Beweislage aufgrund der oft eingeschränkten Unterstützung durch die Emittenten unsicher ist, gelten spezielle Offenlegungspflichten.
Mit den Feststellungen und Forderungen der EU-Kommission wird unter Beweis gestellt, dass „Rating nicht gleich Rating“ ist (Everling, Oliver: Rating ist nicht gleich Rating, Evidenz untersucht und misst Treffgenauigkeit und Trennschärfe, in: Allgemeine Kredit Coface aktuell, http://www.ak-coface.de, Oktober 2004, Seite 7, oder Everling, Oliver, und Gleißner, Werner: Ratingevidenz: Die Qualität von Ratingnoten, in: Kredit & Rating Praxis, http://www.krp.ch, 30. Jahrgang, Ausgabe 4/2004, Seite 23 – 25).
Die von der EU-Kommission geforderte Unterscheidung von Ratings für strukturierte Produkte und für herkömmliche Produkte ist notwendig, da die Beweislage und Treffgenauigkeit erteilter Ratings divergiert. AAA-Ratings wurden für beiden Produktgruppen gleichermaßen erteilt. Diese Ratings wurden von den Agenturen nicht etwa mit der Absicht erteilt, mit denselben Symbolen unterschiedliche Ausfallerwartungen zu bezeichnen. Diese waren vielmehr identisch: Sowohl bei strukturierten Produkten als auch bei herkömmlichen Anleihen sollte das Symbol AAA eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit signalisieren, dass die so beurteilten Schuldtitel vollständig und rechtzeitig bedient würden. Der Unterschied lag aber in der Beweislage, da völlig verschiedenen Modelle, Kriterien und Verfahren zur Anwendung kamen.
Die Unterschiedlichkeit der Beweislage von Ratings war Gründungsgedanke der RATING EVIDENCE GmbH. Die im Februar 2004 in Frankfurt am Main gegründete Gesellschaft (http://www.rating-evidence.com/), ein Unternehmen der Everling Advisory Services, nahm sich schon damals der Herausforderung an, durch Evidenzermittlungen allen Ratingadressaten, von Anlegern bis zu Zentralbanken, Anhaltspunkte für die Vergleichbarkeit der Klassifikationen zu liefern. Dabei stützt sich die Gesellschaft auf einen Datenbestand, der über mehr als 120 Ratingagenturen und ihre Aktivitäten in 110 Staaten seit 1988 aufgebaut und durch Besuche bei Ratingagenturen weltweit erarbeitet wurde.
Wichtigste Voraussetzung einer hohen Evidenz von Ratings ist eine hinreichende Transparenz, um die Beweislage zu Ratings beurteilen zu können. „Um zu gewährleisten, dass die internen Prozesse und Verfahren hinreichend transparent sind, müssen Ratingagenturen bestimmte wichtige Informationen bekannt geben, wie Interessenkonflikte, Methoden, grundlegende Ratingannahmen und die allgemeinen Grundsätze für die Vergütung ihrer Mitarbeiter“, heißt es nun in der EU-Gesetzesbegründung. „Auch müssen sie regelmäßig Daten über historische Ausfallquoten von Ratingkategorien veröffentlichen und den zuständigen Behörden Unterlagen wie die Liste der 20 größten Kunden aufgeschlüsselt nach Umsatzerlösen übermitteln.“
Das englisch-deutsche Wörterbuch übersetzt „evidence“ als „Beweis (-mittel, -stück, -material), Beweise, Ergebnis der Beweisaufnahme; Unterlage, Beleg; (Zeugen-) Aussage, Zeugnis“. Der Fremdwörterduden definiert „Evidenz“ als „Deutlichkeit; vollständige, überwiegende Gewissheit; einleuchtende Erkenntnis“. Im theoretischen Fall des vollständigen Beweises eines erteilten Ratings wäre die Evidenz 100 %. Im umgekehrten Fall völliger Ratingwillkür fehlt jede Evidenz: Würden Ratings bekanntermaßen am Glücksrad gedreht, wäre die Evidenz 0 %. Die Evidenz ist somit ähnlich dem Gini-Koeffizienten zur Lorenzkurve oder dem Korrelationskoeffizienten nach Bravais und Pearson normiert.
Jeder Prozentsatz zwischen den Extremen 0 % und 100 % indiziert eine mehr oder weniger hohe Evidenz. Zwar gibt es Indizien dafür, dass den von einer bestimmten Ratingagentur oder durch ein spezifisches Ratingmodell erteilten Ratings höhere oder niedrigere Evidenzen beizumessen sind. Gibt es jedoch beispielsweise Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit des durchgeführten Ratingverfahrens oder sind die Anwendungsvoraussetzungen eines Ratingmodells auf ein Ratingobjekt nicht erfüllt, ist eine niedrigere Evidenz anzusetzen.
Die RATING EVIDENCE GmbH war schon vor einem halben Jahrzehnt als erste und bisher einzige derartige Institution als eine Evidenzzentrale für die von Ratingagenturen erteilten Ratings gedacht, um die bereits damals erkannten Probleme der Vergleichbarkeit und Beweislage von Ratings anzugehen. Nun gibt es an der Notwendigkeit einer solchen Einrichtung keinen Zweifel mehr, so dass der Gesetzgeber auf europäischer Ebene einschreitet. Erst Milliardenverluste und Bankeninsolvenzen veranlassten Bankmanager und Bankenaufseher, in dieser Hinsicht über die Bedeutung von Ratingskalen nachzudenken.
Späte Einsicht: Artikel 9 der EU-Verordnung über Ratingagenturen bestimmt – den Forderungen der RATING EVIDENCE GmbH entsprechend – allgemeine und regelmäßige Bekanntmachungen, mit denen Ratingagenturen die Öffentlichkeit über die genannten Punkte in vollem Umfang zu unterrichten haben. Im Absatz (2) des Gesetzes heißt es: „Die Ratingagenturen stellen in einem vom CESR eingerichteten zentralen Datenspeicher Informationen über ihre bisherigen Ergebnisse und früheren Ratingtätigkeiten zur Verfügung. Dieser Datenspeicher ist öffentlich zugänglich.“
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Regierungsentwurf schockt Scoringwirtschaft
Von Dr. Oliver Everling | 26.Dezember 2008
Schockwellen erreichten 2008 nicht nur die Ratingbranche, sondern auch alle, die in Deutschland mit Scorings arbeiten. Während die Ursachen der Ratingkrise in den USA lagen, sind die bösen Überraschungen beim Scoring deutschen Ursprungs: Im Juli 2008 stellte die Bundesregierung im Kabinett einen Entwurf zur [Ä]nderung des Bundesdatenschutzgesetzes vor. Hier zeigte sich, dass von der Regierungskoalition zwar gute Absichten verkündet, jedoch untaugliche Mittel gewählt wurden.
Als ob die Kreditkrise nicht genug wäre, schüttete die Bundesregierung weitere Verunsicherung sogar über die Kreditwirtschaft hinaus in den Handel, der auf verlässliche Daten zur Beurteilung seiner Kunden angewiesen ist. Nach Olaf Roik, E-Commerce-Experte des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE, http://www.einzelhandel.de/) werden 2008 „voraussichtlich 20 Milliarden Euro im Online-Handel umgesetzt“. Der Umsatzanteil des E-Commerce am gesamten Einzelhandelsumsatz liege bei etwa 3,5 Prozent, in einzelnen Branchen auch deutlich darüber. Ausgerechnet die wachstumsstarken Segmente der Wirtschaft würden nach Plänen der Bundesregierung abgewürgt.
Dabei profitieren von der positiven Entwicklung des Internethandels auch die schätzungsweise 50.000 Einzelhändler, die neben Ladengeschäften Webshops betreiben, so die Feststellung des HDE. Knapp 50 Prozent dieser Multi-Channel-Unternehmen würden mit einem weiteren Umsatzwachstum bis Mitte 2009 rechnen. Lediglich elf Prozent würden einen Umsatzrückgang erwarten. Roik: „2009 wird der Online-Handel ein Umsatzvolumen von voraussichtlich 21,9 Milliarden Euro erzielen. Damit steigen die Online-Shopping-Umsätze im Vergleich zu 2008 um 9,5 Prozent.“
„Der Versandhandel liefert in Deutschland ca. 80 Prozent aller Waren gegen Rechnung mit einem in der Regel mehrwöchigen Zahlungsziel. Das ist ein in Europa fast einzigartiges Verbraucherprivileg“, hebt Dr. Peter Rheinländer, LL.M., hervor, Rechtsanwalt und Justiziar des Bundesverbandes des deutschen Versandhandels (http://www.versandhandel.org/). Dass der Verbraucher die Möglichkeiten nutzen will, die ihm durch die Anwendung von Scoringverfahren eröffnet werden, beweist die Statistik: „Da zurzeit ca. 70 Prozent der Neukunden die Bestellung abbrechen, wenn die Lieferung nur gegen Vorkasse angeboten wird, würden die geplanten Regelungen das Geschäftsmodell zahlreicher junger Unternehmen der New Economy aber auch das der traditionellen Versandhäuser grundsätzlich in Frage stellen“, prognostiziert Rheinländer.
Die Stoßrichtung der Regierungskoalition ist insbesondere auch deshalb tragisch, da immer mehr Unternehmen auf Scorings angewiesen sein werden. „Wir beobachten, dass der stationäre Handel mit dem Online-Handel“, so Roik, „immer stärker verschmilzt. In wenigen Jahren werden die Grenzen vollständig aufgelöst sein, vor allem beim so genannten Multi-Channeling. Das ist eigentlich gar nichts Besonderes. Es geht immer um den Vertrieb, nur dass wir verschiedene Vertriebswege nutzen: stationär und online gemeinsam.“
Der SCHUFA-Vorstandsvorsitzende Rainer Neumann (http://www.schufa.de/) erklärte: „Das Ziel des Gesetzgebers, mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und mehr Transparenz für Verbraucher bei der Speicherung und Weitergabe von Bonitätsinformationen zu schaffen, unterstützen wir voll und ganz. Die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Regelungen bewirken teilweise jedoch das Gegenteil. Aus unserer Sicht besteht noch Nachbesserungsbedarf bei den geplanten Neuregelungen.“
„Der deutschen Wirtschaft würde durch ein solches Gesetz – übrigens eine wesentlich über bestehenden EU Gesetze hinausgehende Verschärfung – ein schwerer Schaden zugefügt“, warnten Jan Schneider-Maessen, Vorstandsvorsitzender des Vereins für Credit Management e.V. (http://www.credit-manager.de/) und der Datenschutzbeauftragte Harald Hahn, für den manches an der „Einstellung des Gesetzgebers grundlegend falsch ist“, in einem Brief an alle Mitglieder des Vereins: „Den Kauf auf Rechnung über das Internet wird dann sicherlich keine deutsche Firma mehr anbieten können.“ Rudolf Keßler, Certified Credit Manager (CCM) und Leiter Kredit der BayWa AG in München bringt die Irrwege von SPD und CDU/CSU mit der Gleichung „Kein Scoring = Kein Kauf auf Rechnung“ auf eine prägnante Formel.
In dem Gesetzesentwurf wird beispielsweise der zentrale Begriff einer Auskunftei nicht geklärt. Damit wird für Verbraucher nicht deutlich, welche Unternehmen Daten zu Kreditgeschäften ihrer Person speichern und weitergeben dürfen und welche nicht. Warum der Entwurf außerdem überraschenderweise akzeptiert, die Kreditwürdigkeit einer Person anhand von Informationen über ihre Wohngegend zu beurteilen (so genanntes „Geoscoring“), bleibt kaum erklärlich. Es soll reichen, den Verbraucher hierüber „im Kleingedruckten“ zu informieren. Damit wird die Transparenz als eigentliches Ziel der Neuregelung konterkariert.
Die Vorschläge der Bundesregierung richten sich nicht nur gegen die Kreditwirtschaft und den Handel, sondern auch gegen die Interessen der Verbraucher an einer reibungslosen Abwicklung ihrer Einkäufe. Konsumenten wollen nicht nur Zug-um-Zug, Bargeld gegen Ware, einkaufen, sondern auch über das Internet und den Versandhandel. Gerade in einem wirtschaftlich schwieriger werdenden Umfeld kann es außerdem für viele Verbraucher fatale Folgen haben, wenn sie mangels treffsicherer Scorings keinen Kredit mehr bekommen.
Nach Plänen von SPD und CDU/CSU muss jeder Käufer, der z. B. im Fachmarkt in der Warteschlange steht und seinen Flachbildfernseher im Sonderangebot finanziert haben möchte, die Überraschung fürchten, dass der Verkäufer die unzureichenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Schulden und Versäumnisse lautstark im Laden vorträgt, da er gesetzlich gezwungen ist, seinen Kunden mit den Gründen der Kreditablehnung zu konfrontieren. „Die Frage, ob ein Verbraucher die Gründe für eine Kreditablehnung erfahren möchte oder nicht, muss aber ihm selbst überlassen bleiben“, warnt Peter Wacket, Geschäftsführer des Bankenfachverbandes in Berlin (http://www.bfach.de/).
Im Sinne von mehr Rechtssicherheit und Transparenz setzen sich die professionell agierenden Anbieter wie die SCHUFA für die gesetzliche Regelung der Zulassung von Auskunfteien ein. Den Verbrauchern kann darüber hinaus auf einfachem Weg – beispielsweise über eine übergeordnete Internetseite – ermöglicht werden, die über sie gespeicherten Daten bei allen zugelassenen Auskunfteien zu erfahren. Schon heute erlaubt die SCHUFA Einsicht über gespeicherte Daten durch ihr Portal http://www.meineschufa.de/.
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