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Preissturz auf dem deutschen Wohnungsmarkt: Eine Analyse

Von Dr. Oliver Everling | 2.Oktober 2023

Der deutsche Wohnungsmarkt, trotz hoher Nachfrage, erlebt derzeit einen politisch bewirkten Preisverfall. Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, kommentiert diese bemerkenswerte Entwicklung und beleuchtet die Hintergründe.

In einem aktuellen Bericht äußerte sich Prof. Dr. Jan Viebig besorgt über den drastischen Rückgang der Immobilienpreise in Deutschland. Er betonte: „Angesichts des knappen Angebots an Wohnraum müssten die Preise für Wohnimmobilien steigen. Tatsächlich gehen sie zurück. Im zweiten Quartal 2023 sind die Preise für Wohnimmobilien um durchschnittlich 9,9 % gegenüber dem Vorjahr gefallen.“ Dies stellt laut dem Statistischen Bundesamt den stärksten Rückgang seit dem Jahr 2000 dar.

Die Preise für Wohnimmobilien waren zuvor auf einem Höchststand im zweiten Quartal 2022, bevor sie im vierten Quartal 2022 um durchschnittlich 3,6 % und im ersten Quartal 2023 um durchschnittlich 6,8 % gegenüber dem Vorjahr sanken. Besonders bemerkenswert ist, dass der Preisrückgang vor allem die Großstädte betrifft, darunter Berlin, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Hamburg und Düsseldorf, in denen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser im zweiten Quartal 2023 im Jahresvergleich um 12,6 % gefallen sind.

Auf den ersten Blick könnte dieser Preisrückgang positiv erscheinen, da er Wohnimmobilien wieder erschwinglicher für Käufer macht. Doch Prof. Dr. Jan Viebig weist darauf hin, dass die geringeren Kaufpreise zumindest teilweise auf die zinsbedingt höheren Finanzierungskosten zurückzuführen sind, was Käufer letztendlich weniger oder gar nicht von den gesunkenen Preisen profitieren lässt.

Ein Schlüssel zum Verständnis dieses Marktphänomens sind die regulatorischen Rahmenbedingungen. Die Ausweisung von Neubauflächen gestaltet sich schwierig, da sie oft auf Interessenkonflikte mit Anrainern, Landwirten und dem Naturschutz stößt. Zusätzlich zu den ohnehin gestiegenen Baukosten tragen gesetzliche Vorschriften zum Klimaschutz an Gebäuden zu den steigenden Kosten bei. Prof. Dr. Viebig merkt an: „All diese Anliegen mögen politisch berechtigt sein. Doch den politischen Entscheidungsträgern muss auch klar sein: Man kann nicht die Eier und das Omelett haben, wie die Franzosen sagen.“

Die Politik steht vor einem Dilemma, da sie gleichzeitig ökologische und soziale Ziele verfolgen muss. Das Bemühen um Klimaschutz und die Erweiterung des Angebots an preiswertem Wohnraum scheinen sich zu widersprechen. Prof. Dr. Viebig betont: „Wir befinden uns in einem klassischen Zielkonflikt: Die Klimapolitik steht auf dem Wohnungsmarkt im Konflikt mit der Sozialpolitik. Aus politischen Gründen will die Ampelkoalition nicht das tun, was erforderlich wäre, um das Angebot an günstigen Mietwohnungen auszuweiten.“

Die Entscheidungsträger stehen vor der Herausforderung, einen Ausgleich zwischen diesen verschiedenen Interessen zu finden und die Erwartungen der Wähler zu erfüllen. Die Zukunft des deutschen Wohnungsmarktes hängt von den politischen Entscheidungen ab, die in diesem komplexen Spannungsfeld getroffen werden müssen.

Themen: Immobilienrating | Kein Kommentar »

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