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Stiftungsmodell für Europäische Ratingagentur

Von Dr. Oliver Everling | 27.August 2011

Das fünfzigjährige Bestehen der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (www.dvfa.de) im Jahre 2010 gab dieser zu einer Festschrift in bester Buchbinderarbeit aus dem Fritz Knapp Verlag Anlass (ISBN 978-3-8314-0838-2, www.knapp-verlag.de). Fritz H. Rau und Peter Merk nahmen sich der Aufgabe an, für 30 Beiträge renommierte Fachleute für das Buch mit dem Titel “Kapitalmarkt in Theorie und Praxis” zu vereinen.

Dem Anlass entsprechend werden in dem Buch grundlegende Fragen angesprochen, die alle Finanzanalysten und das Asset Management insgesamt angehen. So fehlen auch nicht Beiträge zum Thema Rating.

Paul Markus Konrad und Prof. Dr. Jens Leker zeigen auf, wie die DVFA als Plattform und Impulsgeber für die Regulierung von Ratingagenturen fungiert. So stellen die Autoren die Initiativen der DVFA in den Kontext der internationalen Regulierungsaktivitäten von der United States Securities and Exchange Commission (SEC), der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO), dem Financial Services Acition Plan der Europäischen Kommission und dem Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR, inzwischen übergegangen in die ESMA).

Das Buch feiert jedoch nicht nur die Erfolge der DVFA, sondern mutig werden auch umstrittene, zukunftsweisende Themen angesprochen, so auch die Frage nach einem eigenen Ansatz für eine Installation eines europäischen Ratingsystems. Prof. Dr. Dr. h.c. Carsten Peter Claussen bekennt sich in seinem Beitrag “Rating und Finanzanalyse” klar zum Erfordernis, Alternativen zu den Diktaten der US-Agenturen zu schaffen.

“Ausgehend von der Erkenntnis, dass man Menschen in ihrem Grundverhalten nur durch zwingende Rechtsvorschriften ändern kann und nicht durch gutes Zureden, durch Apelle an das Berufsethos oder bald vergessene schlechte Erfahrungen, wird hier eine neue, eine europäische Ratingagentur vorgeschlagen. Diese Europäische Ratingagentur – ERA genannt – sollte unabhängig arbeiten. Dafür empfiehlt es sich,” so Claussen, “sie als Stiftung nach europäischem Recht zu organisieren, die bei der Europäischen Kommission ihren Sitz und ihren Träger hat.”

Was erst im Sommer 2011 die Medien beschäftigt, ist bei der DVFA schon ein Jahr zuvor in dieser Festschrift zu lesen. Die europäische Ratingagentur soll sachlich und finanziell mit den US-Agenturen gleichziehen. “Sie sollte über ein rechtlich verbindlich festgelegtes Ordnungs- und Wirkungssystem verfügen, das in der Satzung, der Stiftungsurkunde und Arbeitsanweisungen niedergelegt ist, die im Einzelnen die Strategie und die Arbeitsweise der ERA festlegen. Die Stifte der Europäischen Ratingagentur könnten die EU-Mitgliedstaaten sin und zwar entweder direkt oder, wenn dies zweckmäßiger erscheint, als Zustifter unter dem Dach der Europäischen Kommission. Die Kommission würde über das Stiftungskuratorium die Führungskräfte einsetzen, die die Europäische Ratingagentur leiten.”

Vor dem Hintergrund der aktuellen Schuldenkrisen europäischer Staaten liefert der Artikel von Claussen einigen Diskussionsstoff: “Um diese Stiftung von übermäßigen und belastenden Kosten freizuhalten – die Agentur nimmt kein Geld für ihre Analysen, sondern leistet Gratisdienste, die nach Stiftungsrecht vorgegeben sind –, übernimmt jeder Mitgliedstaat in der EU Delegationspflichten für die Abbestellung von qualifiziertem Personal aus den Kreisen der nationalen Analysten.”

Beispielhaft sei das Muster, so Claussen, wie die sachkundigen Mitarbeiter der Deutschen Rechnungslegungsprüfstelle rekrutiert werden, allerdings mit dem Unterschied, dass die Bezahlung bei den entsendenden Nationen bleibe und nicht von der Stiftung ERA übernommen werde. Leider ist es Prof. Dr. Dr. h.c. Carsten P. Claussen, der Teilnehmer der Gründungsversammlung der DVFA vor einem halben Jahrhundert war, nicht gegönnt, die aktuellen Fortschritte bei der Realisierung seiner Vorschläge noch zu erleben, da er am Juni 2010 verstarb.

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