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Wer gewinnt im Wettlauf um Preiserhöhungen

Von Dr. Oliver Everling | 27.Juni 2022

Hohe Inflation, rasant steigende Zinsen und eine nachlassende Notenbankenliquidität haben im ersten Börsenhalbjahr zu schweren Turbulenzen an den Märkten geführt. Das hat fast jeder mit Long-Positionen gespürt: Ein deutlicher Abwärtstrend bei Aktien ist die Folge.

„Anleihen erlebten sogar einen echten Crash, der historisch ohne Beispiel ist“, berichtet Dr. Eduard Baitinger, seit 2015 Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe. Da die Unternehmensgewinne noch relativ robust sind, führt Eduar Baitinger den Abverkauf an den Aktienmärkten bislang vor allem auf rückläufige Bewertungsmultiplikatoren zurück. Exemplarisch sei der massive Ausverkauf bei Technologieaktien, deren Kurse zuvor – bei fallenden Zinsen – von stetig steigenden Multiplikatoren getrieben wurden.

Bitcoin und andere Kryptos boten keinen Schutz: „Auch der massive Absturz von Kryptowährungen ist ein klares Symptom restriktiver Zins- und Liquiditätsbedingungen. Dieses komplexe Marktumfeld bietet vorerst kaum Chancen für nachhaltig steigende Kurse.“

Im zweiten Halbjahr könnte sich die Situation etwas entspannen, hofft Eduard Baitinger: „Die Inflation dürfte zwar auf hohem Niveau verharren, die Dynamik des Preisauftriebs jedoch zurückgehen. Das wird der US-amerikanischen Notenbank FED die Möglichkeit geben, ihren monetären Straffungskurs zu verlangsamen. Der Druck stark steigender Zinsen und gleichzeitiger Bewertungskontraktion könnte dann merklich nachlassen.“

Trotzdem rät Eduard Baitinger Anlegern, vorerst keine durchgreifende Besserung an den globalen Aktienbörsen erwarten, denn nach den aktuellen Inflations- und Zinssorgen werden zunehmende Rezessionsängste das Bild bestimmen. „Dies gilt speziell für Europa, wo akute Energieknappheit immer mehr zum Problem wird. Das schwierige Gesamtumfeld wird das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten deutlich dämpfen, Unternehmensgewinne spürbar reduzieren und die Aktienmärkte erneut belasten. Auch konjunktursensitive Rohstoffe, die im bisherigen Jahresverlauf zu den klaren Gewinnern zählen, erwartet in diesem Umfeld eine schwächere oder sogar negative Wertentwicklung.“

Vor diesem Hintergrund sei die Exponierung in Risikoanlagen zu reduzieren und die Konjunktursensitivität ihrer Portfolios auf ein Minimum zu beschränken – aktives Fondsmanagement könne in solchen Zeiten seine Stärken besonders ausspielen, heißt es aus dem Hause der FERI in Bad Homburg. „Partielle Aufhellungen des Investmentumfelds sind erst in Sicht, wenn die inflationäre Dynamik spürbar nachlässt. Das könnte zum Jahresende geschehen, vorausgesetzt Russland verhängt kein vollständiges Energieembargo gegen Europa und die Störungen der Lieferketten ausgehend von China werden überwunden. Damit ein echter Turnaround an den globalen Börsen gelingt, müsste jedoch der gegenwärtige monetäre Straffungszyklus sichtbar auslaufen. Das dürfte aber frühestens 2023 der Fall sein.“

Von Eduard Baitinger ist bisher wenig über die vielfältigen Chancen zu lesen, die sich für bestimmte Unternehmen aus einem inflationären Umfeld ergeben, nämlich für solche Unternehmen, deren Preiselastizitäten auf Beschaffungs- und Absatzmärkten unterschiedlich sind. Wer nämlich schneller die Preise erhöhen kann als seine Lieferanten, ist im Vorteil.

Themen: Aktienrating, Anleiherating, Unternehmensrating | Kein Kommentar »

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