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Einseitige Nachrichten und die Gefahr für die Meinungsvielfalt in der Schweiz

Von Dr. Oliver Everling | 13.Oktober 2025

Eine neue Studie von Felix Schläpfer Economic Research in Zusammenarbeit mit gfs.bern zeigt auf, wie stark Schweizer Medien in internationalen Themen von ausländischen Quellen beeinflusst werden – und welche Folgen das für die öffentliche Meinungsbildung hat. „Nachrichten aus ausländischen Quellen, die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der USA nahe stehen, prägen über Schweizer Medien die Meinungen in der Schweizer Bevölkerung in wichtigen internationalen Themen einseitig“, heisst es in der Medienmitteilung.

Die Untersuchung, die unter dem Titel „Einseitigkeit in Nachrichtenmedien“ veröffentlicht wurde (DOI: 10.5281/zenodo.17224633), basiert auf einer Medienanalyse und einer repräsentativen Umfrage mit 1590 Personen in der deutschsprachigen Schweiz. Dabei wurden 20 häufig verbreitete Aussagen zu internationalen Themen überprüft – von der Corona-Pandemie über den Ukraine-Krieg bis zu geopolitischen Fragen rund um China und die USA.

Das Ergebnis ist deutlich: In den grossen Medienhäusern – SRF, Tamedia und NZZ-Medien – zeigen sich laut Studie „nur geringe Unterschiede in der Übernahme einseitiger Sichtweisen“. Hingegen weichen kleinere Medien wie Die Weltwoche oder Die Republik teils deutlich ab. Besonders brisant: Viele der untersuchten Aussagen spiegeln Perspektiven wider, die direkt den Kommunikationslinien westlicher, insbesondere US-amerikanischer, Akteure entsprechen.

Ein Beispiel: 50 % der Befragten stimmten der Aussage „Russland unter Putin ist eine Gefahr für ganz Europa“ voll und ganz zu, während 47 % die Aussage „Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist ein unprovozierter Angriffskrieg“ ohne Einschränkung bejahten. „Die Aussagen entsprechen Sichtweisen der einen Kriegspartei – der Ukraine und ihrer Unterstützer“, heisst es in der Studie. Schweizer Medien hätten diese Sichtweisen „nicht nur übernommen, sondern Bemühungen um Objektivität sogar ausdrücklich abgelehnt und regelmässig verunglimpft.“

Auch in anderen Themenbereichen zeigt sich laut Schläpfer ein ähnliches Muster: „Sichtweisen, die durch neuere Information ganz oder teilweise widerlegt wurden, blieben für Meinungen bestimmend, möglicherweise auch, weil die Medien frühere Fehlinformation nur selten korrigierten.“ So glauben noch immer 36 % der Befragten uneingeschränkt an das in westlichen Medien geprägte Narrativ eines chinesischen Sozialkreditsystems mit umfassender Überwachung, obwohl dieses in der ursprünglichen Form nicht nachweisbar ist.

Interessant ist auch der soziodemografische Befund: Ältere Personen und Männer stimmen einseitigen Aussagen häufiger zu, während jüngere Befragte und Frauen tendenziell kritischer reagieren. Zudem steigt die Zustimmung mit der täglichen Nachrichtenzeit – wer mehr als 30 Minuten pro Tag Medien konsumiert, übernimmt einseitige Sichtweisen signifikant häufiger.

Die Schlussfolgerung fällt entsprechend deutlich aus: „Die einseitige Abhängigkeit stellt eine autonome und souveräne Gestaltung der internationalen Beziehungen und der Aussenpolitik der Schweiz in Frage.“

Studienautor Felix Schläpfer, ehemals Professor an der Kalaidos Fachhochschule, betont, dass die Untersuchung keine externen Auftraggeber oder finanzielle Unterstützung hatte. Ziel sei es gewesen, „die strukturellen Ursachen einer wachsenden Einseitigkeit in der Medienlandschaft empirisch sichtbar zu machen“.

Damit stösst die Studie eine Grundsatzdebatte an: In welchem Masse kann ein Land wie die Schweiz, das auf Unabhängigkeit und Neutralität baut, seine außenpolitische Selbstbestimmung bewahren, wenn seine Medien die Perspektiven ausländischer Akteure unreflektiert übernehmen?

Themen: Sozialkreditrating | Kommentare deaktiviert für Einseitige Nachrichten und die Gefahr für die Meinungsvielfalt in der Schweiz

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