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Auslese und Professionalisierung in der Immobilienwirtschaft

Von Dr. Oliver Everling | 3.Oktober 2009

Christian Ulbrich, Europachef von Jones Lang LaSalle, befasst sich auf dem 5. Immobilien-Symposium „Finanzkrise und Immobilienwirtschaft“ in Regensburg mit der mangelnden Bereitschaft von Banken, als Financiers von Immobilientransaktionen zur Verfügung zu stellen. Der aus jedem Lehrbuch der Finanzwirtschaft bekannte Leverage-Effekt liefert dafür die maßgebliche Begründung. Wenn ein kleiner Eigenkapitalanteil mit viel Fremdkapital gehebelt werden kann, können andere Volumina gestemmt werden, als wenn das Eigenkapital fehlt oder der Hebel deutlich kleiner angesetzt werden muss.

Banken werden ungewollt zu Immobilieneigentümern. Banken seien nicht die besten Immobilienassetmanager, warnt Ulbrich. Die Refinanzierung für Banken sei deutlich erschwert. Regulatorische Eingriffe erfordern mehr Eigenkapitalunterlegung. Banken werde es nicht leicht fallen, Eigenkapital einzuwerben. „Das ist ein Thema, das noch einer Lösung zugeführt werden muss“, fordert Ulbrich. Die Folgen der Finanzkrise aus Sicht der Kreditkunden liegen auf der Hand. Die Kreditaufnahme sei erschwert. Niedrigere Ausläufe stünden auf der Tagesordnung. Es seien nur noch kleinere Volumina möglich. All dies könne nicht ohne Konsequenzen für die Preise bleiben.

Für 2010 bis 1015 sieht Ulbrich Jahre der Auslese und Professionalisierung voraus, insbesondere eine Refokussierung auf die Immobilie und die Finanzierungstruktur. Früher galt „Lage, Lage, Lage“ als Maßstab, danach ging es mehr um Volumina und Strukturierung. „Das hört jetzt nicht einfach auf und man kehrt zum Lage, Lage, Lage-Ansatz zurück“, sagt Ulbrich. Jetzt gehe es vielmehr um Lage, Strukturierung und Asset Management. Wenn man sich dem letzeren Thema ernsthaft nähern wolle, müsse man sich auch im Klaren sein, dass diese Leistung etwas kostet. Wenn Immobilien ernsthaft und professionell bearbeitet werden sollen, muss dafür auch bezahlt werden.

Ulbrich sieht erhöhte Anforderungen der Kapitalgeber an die Dienstleister voraus, sowohl bei den Eigenkapital-, als auch bei den Fremdkapitalgebern, die auch ihre Mitbestimmungsrechte wieder stärker wahrnehmen würden. Der Trend gehe zu erheblichen Mitspracherechten bei Investmentmanagern, Assetmanagern, Propertymanagern und Projektentwicklern. Die Chancen für Dienstleister sieht Ulbrich in der Fokussierung, Spezialisierung oder Globalisierung durch Definition des Zielmarktes, Positionierung als Nummer 1 bis 3, Individualisierung der Kundenbetreuung und Industrialisierung der Support-Bereiche. Der feste Wille zum Sieg gehöre einfach dazu. Man müsse schon Sieger werden wollen in dem gewählten Marktsegment. Der Ansatz „wir machen alles schon ganz gut“ werde nicht mehr funktionieren. In vielen Bereichen würde noch genauso gearbeitet wie vor 20 Jahren.

Im kommenden Jahr sieht Ulbrich Chancen und Risiken. „Stehen wir vor einem Aufschwung der Assetklasse Immobilien?“, fragt Ulbrich. Historisch niedriges Zinsniveau, derzeit noch niedrige Inflationsrate mit deutlicher Inflationserwartung und relative teure alternative Assetklassen beschreiben die Rahmenbedingungen. „Es war geradezu körperlich spürbar gewesen, die depressive Stimmung in London“, berichtet Ulbrich. Hier habe sich jedoch bereits ein ganz deutlicher Stimmungswechsel ergeben. Die Transaktionsvolumina in Europa steigen wieder, das zeigt seine Statistik. Es dominiert England als dominierender Markt, Deutschland tue sich ganz schwer. Im ersten Quartal habe sich die durchschnittliche Prime Yield weit von dem langfristigen Durchschnitt entfernt. Im zweiten Quartal liegen viele bereits über dem Durchschnitt. In London erlebe man wieder härteste Bieterverfahren.

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