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Crowdinvesting – Die Investition der Vielen

Von Dr. Oliver Everling | 6.April 2015

Crowdinvesting, Crowdfunding, Crowdlending, Crowdsourcing – alle diese Begriffe werden oft in einem Atemzug genannt, oft auch nicht ausreichend unterschieden.

Die Grundprinzipien des Crowdfundings sind vielleicht so alt wie die Menschheit. Jeder kennt die Grundformen des Crowdfundings von seiner Moschee, seinem Gemeindehaus, seinem Tempel, seiner Kirche oder einfach vom Spaziergang über eine belebte Einkaufsstraße: Eine gute Idee bedarf zu seiner Realisierung Geld, das der Initiator nicht aufbringen kann oder will. Daher bittet er öffentlich um Spenden. Neben Spenden ist gelegentlich auch tatkräftige Mitwirkung oder Rat gewünscht.

Obwohl demnach das Grundmuster des Crowdfundings uralt ist, verbindet sich mit dem Begriff eine Innovation, deren Konsequenzen für die Wirtschaft und die Gesellschaft sich erst umrissartig abzeichnen. Wer von „Crowdfunding“ statt einfach von Spendensammlung spricht, zielt nämlich auf die ungeahnten Möglichkeiten des Internets, jederzeit jeden überall auf alles ansprechen zu können.

Das Internet verlagert aber nicht nur einfach einen uralten Vorgang auf ein neues Medium, sondern bringt auch neue Spielregeln mit sich. Der Pfarrer in der Kirche kann seinen Klingelbeutel während des Orgelspiels zur Finanzierung einer überteuerten Kirchturmglocke herumreichen lassen, ohne im selben Moment kritische Fragen nach der Sinnhaftigkeit und Angemessenheit seiner Ausgaben beantworten zu müssen.

Das Medium des Internets dagegen ermöglicht eine bis dato nicht gekannte Interaktion, Transparenz und Schnelligkeit. Während der Priester kaum befürchten muss, unter seinen Spendern Anwälte zu finden, die ihn für Falschinformation nach dem Gottesdienst noch mit hohen Gebühren abmahnen, sind ganze Anwaltssozietäten im Internet unterwegs, um selbst kleinste Fehler in der Projektdarstellung oder im Impressum mit Unterlassungserklärungen zu ahnden und abzukassieren.

Heute dürften gegenüber dem Internet noch Skepsis und Vorsicht bei möglichen Spendern überwiegen. Immerhin liegt die Zeit kaum zwei Jahrzehnte zurück, als sich seriöse Leute nicht einmal eine Mailadresse oder Präsenz im als „Schmuddelmedium“ verrufenen Internet erlaubten. Noch immer vertrauen Menschen lieber beklebten Spendenbüchsen oder kurzerhand zu Sammelbehältern umfunktionierten Plastikbechern ihr Geld an, als ihr Geld per Mausklick zu spenden, selbst wenn hinter manchem Freiprediger oder Bettler organisierte Banden stehen und man die Spendenempfänger nie mehr wieder sieht.

Wer nun unbefangen den Vorurteilen trotzt und sich mit den neuen Möglichkeiten befassen will, dem kann durch das Buch „Crowdinvesting: Die Investition der Vielen“ geholfen werden. Das Buch liegt nun schon in der 3. Auflage vor. Sein Autor, Prof. Dr. Ralf D. Beck von der Fachhochschule Dortmund, gilt als einer der renommiertesten Kenner der Materie. Wer sein Buch liest, dem ist es kaum erstaunlich, dass sein Buch auch für den Deutschen Finanzbuchpreis nominiert wurde.

Beck liefert tatsächlich auf 255 Seiten alles, was man zur Einführung in diese neue Materie braucht: Er berichtet über die Stellung des Crowdinvestings im Rahmen der Finanzierung, die Akteure des Crowdinvestings, die rechtliche Strukturierung des Engagements und ihre Folgen für die Akteure, die Risiken des Crowdinvestings, die Anforderungen an Crowdinvesting-Plattformen, die Marktentwicklung und Perspektiven des Crowdinvestings bis hin zum Nachweis des volkswirtschaftlichen Nutzens.

Erwartungen an eine neue Sache werden schon durch die Wahl der Begriffe geweckt. Beck befasst sich eingehend mit den eingangs genannten Begriffen Crowdfunding, Crowdinvesting usw. Zahlreiche Plattformen bieten sich im Internet an, die Beck in einer Übersicht systematisiert. Die Zielsetzungen der Plattformbetreiber sind unterschiedlich, ebenso ihre Vergütungsmodelle, Rentabilität, Kommunikationspolitik, Marketing, Verhaltenspflichten und Geschäftsbedingungen. Sowohl Crowdfunding, als auch Crowdinvesting kann sich unterschiedlicher rechtlicher Gestaltungsformen bedienen. Hybride Finanzierungsformen finden sich beispielsweise in stillen Beteiligungen, Genussrechten oder partiarischen (Nachrang-) Darlehen.

Obwohl die Crowd-Begriffe so angelsächsisch klingen, kommen die Pioniere des Crowdinvestings nicht unbedingt aus den USA, sondern sogar aus Deutschland. Obwohl die USA vielen als kapitalistisches Land par exellence gilt, sind die meisten Bürger in den USA von direkten Kapitalanlagen ausgeschlossen, da diese unter strengen Voraussetzungen einer Registrierungspflicht bei der US-Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde SEC unterliegen. In Deutschland gilt dagegen eine Art Bagatellgrenze von 100.000 €, unterhalb derer sich jeder Geld über das Internet beschaffen darf – vorausgesetzt, er findet eine unter den inzwischen vielen Plattformen, die sein Projekt akzeptiert und publiziert.

Obwohl Beck die Unterschiede zwischen Crowdfunding, Crowdinvesting, Crowdlending und Crowdsourcing wissenschaftlich exakt herausarbeitet und auch ihre historischen Entwicklungen mit konkreten Beispielen nachzeichnet, drängt sich nach der Lektüre seines Buches doch der Eindruck auf, dass mit „Crowdinvesting“ ein letztlich doch völlig neues Phänomen zu beobachten ist: Menschen tun sich mit kleinen Beträgen zusammen, um teils praktische und dringend notwendige, teils aber auch völlig neue und skurrile Projekte möglich zu machen, sei es durch Spenden, durch Beteiligungen oder durch Kredit.

Beck lässt an den Risiken keinen Zweifel, zeigt aber auch, wie man sich vor unseriösen Akteuren und erfolglosen Projekten schützen kann. Selbst bei großer Sorgfalt und juristischer Absicherung bleiben natürlich Risiken. Wenn Kritiker des Crowdinvestings ihre Kritik jedoch durch den Vergleich mit etablierten Investmentmöglichkeiten begründen, etwa durch den Vergleich mit einlagengesicherten Sparbüchern oder „blue chips“ börsennotierter Aktiengesellschaften, übersehen sie den Willen von Crowdinvestoren, einfach eine gute Sache in Gang zu bringen, möglicherweise auch unter Inkaufnahme eines Verlustes.

Wer also im Crowdfunding nicht einfach nur einen ins Internet transferierten Klingelbeutel sieht, wer im Crowdinvesting nicht einfach nur einen online gestellten Sparplan seiner Sparkasse sieht, sondern akzeptiert, dass sich hier eine völlig neue Gestaltungsform der Zusammenarbeit mit anderen Menschen eröffnet, dürfte kaum enttäuscht werden.

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