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Finanzkrise hinterlässt landesbankfreie Zonen

Von Dr. Oliver Everling | 23.November 2009

In weiten Kreisen der Bevölkerung entstand Unmut und Unverständnis darüber, dass auch öffentliche Landesbanken auf Kosten der Steuerzahler als Folge der Finanzkrise gestützt werden müssen, stellt Wolfgang Pritzsche selbstkritisch für die Landesbanken fest. Pritzsche ist Direktor und Leiter Finanzen der Landesbank Berlin AG (http://www.lbb.de/) und sprach beim MontagsMeeting des Europäischen Finanz Forums in Berlin. Pritzsche ruft die Funktionen des öffentlich-rechtlichen Bankensektors als eine Säule der deutschen Kreditwirtschaft in Erinnerung. Die Säulen hätten ganz unterschiedliche Geschäftsaufträge und Prinzipien, nach denen sie tätig sind. Der öffentlich-rechtliche Bankensektor wird insbesondere durch die Sparkassen-Finanzgruppe charakterisiert.

Pritzsche kennt denn öffentlichen Bankensektor schon seit seiner Ausbildung bei der Berliner Sparkasse in den 1970er jahren, aus seinen Vertriebstätigkeiten im Filialbereich sowie seinen Aufgaben im Rechnungswesen und als Leiter der Steuerabteilung. 1994 bis 1999 wechselte er in die Holding Bankgesellschaft Berlin AG (heute Landesbank Berlin Holding AG) und Übernahme diverse Leistungsaufgaben im Controlling. 1999 bis 2001 war er Leiter Rechnungswesen Nichtbanken im Konzern, ab 2001 Mitglied im Vorstand der IBAG Immobilien und Beteiligungen AG, ab 2006 Wiedereintritt in die Landesbank Berlin (nach erfolgreicher Abwicklung der IBAG) in der genannten Funktion.

Die Aufnahme von Refinanzierungsmitteln zu günstigen Konditionen aus der Gewährträgerhaftung muss vor dem Hintergrund der Beschlüsse der EU in 2001 mit längeren Übergangsfristen gesehen werden. Pritzsche weist auf die Eindeckung im großen Stil und Anlage im sogenannten Kreditersatzgeschäft hin. Auslöser der Finanzmarktkrise waren nicht werthaltige amerikanische Immobilienkredite, ein Höhepunkt dieser Krise war der Zusammenbruch von Lehman Brothers in 2008. Folgen auf die Geschäfte der Landesbanken, insbesondere deren sogenannte Kreditersatzgeschäfte (Wertpapiere, Bonds, Derivate, CDS, Hedefonds), waren unvermeidlich.

Verbindlichkeiten in Zusammenhang mit der Gewährträgerhaftung sollten auslaufen, längstens bis zum Jahr 2015. Die auf Sicht verschlechternden Zinsmargen mussten zu einer zusätzlichen Belastung der Landesbanken führen. Schulden wurden daher „auf Vorrat, auf Halde, auf Berg“ angelegt, stellt Pritzsche plastisch dar. Daher häufte sich Liquidität an, die wiederum eingesetzt werden musste. Kreditersatzgeschäfte setzten hier an.

Pritzsche legt seine persönliche Meinung dar: Aus dem amerikanischen Eigenheimfinanzierungen sind Kredite zu erwarten, die noch ausfallen werden. Die Kredite wurden gebündelt, zusammengepackt, verbrieft und in eine neue Transaktionsstruktur geformt. Auch Landesbanken verdienten auskömmliche Margen und Zinserträge über einige Jahre aus diesen Krediten. Zahlen aber die originären Schuldner, oder können diese nicht mehr bezahlen? 2007 wurde deutlich, dass Ausfälle auch in den verbrieften Kreditportfolien zu erwarten waren.

Die entscheidende Frage dabei war, ob es sich um dauerhafte oder temporäre Verluste handelte. Pritzsche macht auf die verstärkten Effekte aus der mark-to market bzw. Fair-Value-Bewertung aufmerksam. Problematisch seien insbesondere nicht tragfähige Geschäftsmodelle, also solche ohne nennenswerten Bezug zur Realwirtschaft, da die Kompensationsmöglichkeiten aus anderen Geschäften nur eingeschränkt möglich sind.

Die Krise einiger Landesbanken ließ „landesbankfreie Zonen“ entstehen, da diese sich mit sich selbst befassen müssen. Auch Sparkassen aus bleibenden Einflussgebieten suchen produktabhängig nach Partnern. Pritzsche spricht sich gegen extreme Positionen hinsichtlich der künftigen Rolle der Landesbanken aus. Es sei eine differenzierte Betrachtung notwendig. Abbau bzw. Abwicklung von Geschäften ohne Bezug zur realen Wirtschaft, insbesondere auch im internationalen Geschäft, sowie die Abwicklung bzw. Neustrukturierung des sogenannten Kreditersatzgeschäftes und Konzentration auf das öffentlich-rechtliche Verbundsystem innerhalb der Sparkassenorganisation sieht Pritzsche als Konsequenz.

Pritzsche stellt aber auch den Aufgabenumfang und die Geschäftsaktivitäten der Landesbanken in ihrer Eigenschaft als Hausbank der Bundesländer in Frage. Hier werde auch die EU ein wichtiges Wort bei der künftigen Ausrichtung mitreden. Auf dieser Grundlage mache es Sinn, über gesellschaftsrechtliche und strukturelle Aspekte zu diskutieren.

Seit ihrer Gründung bilden die Berliner Sparkasse und die Landesbank Berlin eine Einheit. Über die Berliner Sparkasse hat die LBB Erfahrung im Privat- und Firmenkundengeschäft. Die LBB bietet Dienstleistungen und Produkte für die Berliner Sparkasse und wird so an ihren Wettbewerbern gemessen. Die LBB unterhält außerdem aktive Geschäftsbeziehungen zu 340 Sparkassen.

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