« | Home | »

Geopolitische Spannungen rücken in den Fokus der Ratingagenturen

Von Dr. Oliver Everling | 14.Oktober 2025

Die jüngste Eskalation zwischen China und den USA hat nicht nur die Märkte in Asien erschüttert, sondern auch die Aufmerksamkeit der Analysten internationaler Ratingagenturen auf sich gezogen. Die Experten sind gefordert, die Entwicklungen mit besonderer Sorgfalt zu beobachten und mögliche Konsequenzen für Länderratings, Unternehmensanleihen und Handelsfinanzierungen einzuschätzen.

„In der vergangenen Woche sind die Spannungen zwischen China und den USA erneut eskaliert“, erklärt Elizabeth Kwik, Investment Director of Asian Equities bei Aberdeen Investments. „Das chinesische Handelsministerium kündigte erweiterte Exportbeschränkungen für seltene Erden an, die nun auch ausländische Exporteure und Technologien betreffen, die mit seltenen Erden in Verbindung stehen.“ Die Reaktion aus Washington ließ nicht lange auf sich warten: „Die US-Regierung unter Donald Trump reagierte bereits am nächsten Tag mit der Einführung eines 100-prozentigen Strafzolls auf sämtliche chinesische Waren – zusätzlich zu den bereits bestehenden Zöllen.“

Für Ratingagenturen stellen solche politischen und handelspolitischen Maßnahmen ein zentrales Risiko dar, da sie sowohl auf makroökonomische Kennzahlen als auch auf die Kreditwürdigkeit ganzer Sektoren wirken können. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit müssen Analysten nicht nur Kursreaktionen und Marktvolatilität beobachten, sondern auch die Tragfähigkeit von Staatsfinanzen und Unternehmensbilanzen unter Stressbedingungen neu bewerten.

Kwik verweist darauf, dass „die gegenseitigen Maßnahmen vor allem als strategisches Taktieren im Vorfeld des Gipfels zu verstehen sind“. Dennoch bleiben die Unsicherheiten hoch. Die Ratinganalysten sind daher angehalten, diese Entwicklungen kontinuierlich zu verfolgen, um rechtzeitig auf strukturelle Verschiebungen reagieren zu können, die eine Anpassung bestehender Ratings erforderlich machen könnten.

Trotz der geopolitischen Spannungen sieht Kwik auch positive Aspekte: „Trotz der aktuellen Lage bleiben wir langfristig konstruktiv gegenüber chinesischen Aktien eingestellt. Die Festlandmärkte gehören in diesem Jahr zu den stärksten Performern und haben sowohl die USA als auch andere große asiatische Märkte übertroffen.“ Besonders die internen Reformen und die wirtschaftspolitische Reaktionsfähigkeit Pekings könnten laut Kwik dazu beitragen, den externen Druck abzufedern.

Für Ratingagenturen bedeutet dies, dass sie die gegenläufigen Kräfte – geopolitische Risiken auf der einen, strukturelle Stärke der Binnenwirtschaft auf der anderen Seite – differenziert einordnen müssen. Denn „die Bewertungen liegen unter dem Fünfjahresdurchschnitt, die Ersparnisse der Haushalte sind im Verhältnis zur Marktkapitalisierung hoch“, so Kwik. Gerade diese Faktoren könnten das Fundament für stabile Kreditratings trotz kurzfristiger Turbulenzen bilden.

Insgesamt zeigt die jüngste Entwicklung, dass geopolitische Spannungen zunehmend als Ratingfaktor Gewicht gewinnen. Analysten sind gefordert, politische Signale ebenso sorgfältig zu bewerten wie finanzielle Kennzahlen – und flexibel genug zu bleiben, um auf eine sich rapide verändernde Weltordnung zu reagieren.

Themen: Länderrating | Kommentare deaktiviert für Geopolitische Spannungen rücken in den Fokus der Ratingagenturen

Kommentare geschlossen.