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Greensill im Spiegel von Scope Ratings

Von Dr. Oliver Everling | 14.Mai 2021

„David Cameron: Greensill Job hat ‚weit mehr‘ bezahlt, als Premierminister zu sein“, berichtet die britische Zeitung „The Guardian“ über die Aussagen des ehemaligen britischen Premierministers, beweist dies mit einem Video und schreibt: „Abgeordnete grillen den ehemaligen Premierminister vier Stunden lang über seine SMS und WhatsApp-Kampagne.“

Das Geständnis des ehemaligen britischen Premierministers ist für alle interessant, die mit der Rolle von Scope Ratings im Skandal um die insolvente Greensill Bank in Bremen befasst sind, denn die Aussagen des Premierministers a.D. geben einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise von Greensill, also in genau die Methoden, die sich möglicherweise auch in Deutschland spiegelten.

Millionenschäden deutscher Kommunen wurden durch das Vertrauen auf ein gutes Rating der Greensill Bank ermöglicht, das von einer lokalen Ratingagentur in Berlin erteilt wurde: Scope Ratings. Keine anerkannte andere Ratingagentur hat so nah zur Politik in Berlin ihren Sitz, und keine andere Agentur umgibt sich so offensichtlich mit ehemaligen Politikern und Prominenten – die allesamt doch in keinem unabhängigen Rating eine Rolle haben sollten.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der insolventen Greensill Bank war zugleich Investor und Beiratsmitglied der Berliner Ratingagentur, die für die Verbreitung des „guten“ Ratings sorgte. Wie Greensill setzt auch die „Scope Group“ darauf, ehemalige Präsidenten und Minister mit ihren Kontakten und Netzwerken einfach einzukaufen oder mit Beteiligungen am Geschäftsschema der Agentur zu locken und so an das Mehr-Schichten-Geschäftsmodell zu binden.

„Jetzt ist es an der Zeit,“ schreibt das britische Medium „The Guardian“, „eine freie Presse und einen nach Wahrheit suchenden Journalismus zu unterstützen. Ohne Aktionäre oder Milliardär sind wir frei von politischem oder kommerziellem Einfluss. Wir können die Machthaber untersuchen, herausfordern und entlarven und ohne Angst oder Gunst berichten. Und weil wir der Meinung sind, dass jeder Zugang zu vertrauenswürdigen, von Fakten geleiteten Nachrichten und Analysen verdient, halten wir die Guardian-Berichterstattung für alle Leser offen, unabhängig davon, wo sie leben oder was sie sich leisten können, um zu bezahlen.“

David Cameron wurde für seine beharrliche Lobbyarbeit gegenüber Ministern kritisiert, bei denen er im Namen der umstrittenen Bank, für die er arbeitete, um einen Gefallen bettelte. Dies habe die Position des Premierministers „herabgesetzt“ und seinen „Ruf in Trümmern“ hinterlassen. Der frühere Premierminister musste bestreiten, dass seine SMS- und WhatsApp-Lobbykampagne im Namen von Greensill Capital von der Befürchtung getrieben wurde, dass seine „Gelegenheit, eine große Menge Geld zu verdienen, gefährdet ist“.

Cameron, der genau zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Regierung als Berater und Lobbyist zu Greensill kam, weigerte sich wiederholt, den Abgeordneten mitzuteilen, wie viel Geld er mit der Bank verdienen konnte, bevor sie zusammenbrach. Er sagte den Abgeordneten, er habe „einen großzügigen Betrag erhalten, weit mehr als ich als Premierminister verdient habe“, lehnte es jedoch ab, auch nur eine ungefähre Zahl anzugeben, und behauptete, sein Gehalt sei „eine Privatsache“.

Der 54-jährige Cameron weigerte sich ebenfalls anzugeben, wie viele Aktien ihm in der Bank gewährt worden waren. Er wies Berichte als „völlig absurd“ zurück, nach denen er sich Freunden gegenüber gerühmt hätte, er könne mit einem erfolgreichen Börsengang der Lieferkettenfinanzierungsfirma 60 Millionen Pfund verdienen.

Die Verlockungen eines Börsengangs spielen auch bei der Scope Group eine große Rolle, um in europaweiten „road shows“ immer neue Kreise von Geldgebern zu gewinnen, obwohl die Ratingagentur keine Gewinne, sondern seit fast zwei Jahrzehnten nur Verluste macht.

Im Fall von Scope Ratings gibt es ebenfalls keine Angaben darüber, welche Zahlungen im Zusammenhang mit Greensill in welche Richtungen geleistet wurden. So fehlen Details darüber, welche „Ratinggebühr“ von der Greensill Bank bezahlt wurde, welche Rechte dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Greensill Bank bei Scope eingeräumt wurden, sei es als Beiratsmitglied, sei es als Investor oder in sonst einer Rolle usw. Name und Bild des Beiratsmitglieds von Scope, das die Verbindung zur Greensill Bank sicherte, wurden nach Bekanntwerden des Skandals kommentarlos von der Website der Ratingagentur in Berlin entfernt. Auch gibt es keine Angaben dazu, welche Rollen der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler oder der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet sowie weitere namentlich Bekannte oder im Verborgenen Wirkende bei den Anbahnungen spielten.

Cameron habe 56 Mal per Text, WhatsApp, E-Mail und Telefon Kontakt zu Ministern und Beamten aufgenommen, um Greensill zu unterstützen, berichtet „The Guardian“ aus der Anhörung. Die britische Parlamentarierin Angela Eagle fragte, ob es ihm nicht „ein bisschen peinlich“ sei, wie viele Nachrichten er gesendet habe, dies sei „eher Stalking als Lobbying“.

Während der Anhörung wurde auch bekannt, dass Cameron Greensills Privatjet für eine Reihe von Flügen zum Flughafen Newquay in Cornwall benutzte, um sein „drittes“ Ferienhaus in der Nähe zu besuchen. Er sagte, er habe keine „vollständige Aufzeichnung“ darüber, wie viele Reisen er unternommen habe. Auch in Bezug auf die Scope Group sind zwar gemeinsame Interessen am privaten Fliegen, aber noch nicht alle Einzelheiten über Flüge usw. bekannt.

Rushanara Ali, Labour-Abgeordnete von Bethnal Green and Bow und Mitglied des Finanzausschusses, sagte zu Cameron, dass seine anhaltende Lobbyarbeit bei Ministern das Land und die Position des Premierministers in „Verruf“ gebracht habe. Sie fügte hinzu: „Ihr Ruf ist jetzt in Trümmern, Mr. Cameron. Es fühlt sich so an, als würden Sie keine Verantwortung für das übernehmen, was passiert ist.“ Sie beschrieb Lex Greensill, den australischen Gründer und Geschäftsführer der Bank, als „Betrüger“.

Im Falle der von Scope Ratings mit dem Rating A- „gelobten“ Greensill Bank erstattete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Strafanzeige gegen die Vorstände der Bank.

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