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Scope Ratings – Frank-Walter Steinmeier versus Horst Köhler

Von Dr. Oliver Everling | 20.April 2021

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte in seiner Auftaktrede zum Deutschen Bankentag, das nach der Finanzkrise zurückgewonnene Vertrauen nicht aufs Spiel zu setzen. „Fälle wie die insolvente Bremer Greensill Bank und mehr noch der Fall Wirecard sind dagegen geeignet, das mühselig zurückgewonnene Vertrauen wieder zu verspielen“, sagte Frank-Walter Steinmeier. „Betrug beschädigt das Fundament des Finanzsystems insgesamt“ – unabhängig davon, so zitiert ihn das „Handelsblatt“, welcher Akteur verantwortlich sei.

Frank-Walter Steinmeier kann mit seinen Worten einen seiner Vorgänger im Amt der Bundespräsidenten nicht erfreuen: Horst Köhler – er war der erste Bundespräsident, der vor seiner Wahl zum Staatsoberhaupt der Deutschen keine aktive Rolle in der Politik der Parteien eingenommen hatte, sondern u.a. Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands war.

Alt-Bundespräsident Horst Köhler wirbt nämlich als Mitglied des „Honorary Board“ mit seinem Namen für die in den Greensill-Skandal verwickelte Scope SE & Co. KGaA, deren Aufsichtsratsvorsitzender Georg Graf Waldersee zugleich auch Aufsichtsratsvorsitzender der in dern Wirecard-Skandal verwickelten Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist. Das gute Rating (A-) der Scope Ratings hatte das Vertrauen der Anleger herbei gebracht, ohne welches die exorbitante Wachstumsgeschichte der Greensill Bank in Bremen wohl kaum möglich gewesen wäre.

Die letzten beiden Jahre – 2019 und 2020 – waren die Schlüsseljahre für die Greensill Bank, um schnell für Eingeweihte Gewinne zu bringen. Der geschönte Bericht von Scope Ratings kam am 29. August 2019 gerade rechtzeitig, um den Geldfluss aufzudrehen: Die Bilanzsumme wurde vervielfacht, weil mit einem Rating gleichauf mit den besten der Branche schnell Geld eingeworben werden kann. Zahlreiche Medienberichte zeugen seit 2019 von den Fragwürdigkeiten, die jedoch Scope Ratings nicht daran hinderten, ein Rating praktisch gleichauf mit dem der besten deutschen privaten Banken zu erteilen. Das nur Wenigen gewährte regulatorische Privileg, für die Bonitätsbeurteilung maßgeblich zu sein, ist dabei Scope Ratings Schlüssel zum Erfolg des Berliner Geschäftsschemas.

Allein indem von der Greensill Bank Flugzeuge aus der zugehörigen Greensill-Unternehmensgruppe finanziert wurden, entstand schon eine Art geschlossener Kreislauf, der genügend Phantasie erlaubt, wie – gleich ob beispielsweise vielleicht über die Vermittler, Vermieter, Verkäufer, Produzenten usw. – Gewinne außerhalb der Ratingagentur erzielt werden konnten (siehe auch „Lex Greensills Privatflugzeug verbindet“).

Obwohl Scope Ratings an den internationalen Finanzmärkten kaum bekannt ist, konnte das Rating dieser Agentur im Fall der Greensill Bank gezielt eingesetzt werden, um bei Sparern, aber auch bei institutionellen Anlegern – außerdem bei zahlreichen Kommunen – für Vertrauen zu sorgen. Nicht jeder darf Ratings erteilen, sondern es besteht in der Europäischen Union eine Registierungs- beziehungsweise Zertifizierungspflicht. So ist auch Scope Ratings der Aufsicht durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA unterstellt. Mit diesem Nimbus der Offizialität ausgestattet ist es dann für Scope irrelevant, in den USA oder Japan kaum bekannt zu sein.

Der Initiator der Ratingagentur in Berlin hat im Rating keinerlei Ausbildung oder Fortbildung, kein Studium – tatsächlich nie eine Business School gesehen oder eine Hochschule besucht. Um das Geschäftsschema zu entwickeln, vermochte er dennoch in den letzten fast zwei Jahrzehnten sukzessive immer namhafterer Persönlichkeiten in das System einzubinden, obwohl in seinen Gesellschaften nie Gewinne, sondern nur Millionenverluste erwirtschaftet werden. Viele haben die Insolvenz des vom selben Initiator gegründeten Vorgängermodells im Jahr 2002, der Fondscope AG, nicht mehr in Erinnerung.

Deshalb war es im September 2020 eine „Krönung“ des Geschäftsschemas des Berliner Initiators, nicht nur einen Alt-Bundespräsidenten, sondern auch den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, sowie zahlreiche weitere Prominente mit an Bord genommen zu haben. Fehlende akademische Titel lassen sich für den Initiator schließlich auch später noch besorgen.

Jean-Claude Trichet in Scope Presentation

Diese Art von Ehrentribüne wurde gerade rechtzeitig errichtet, um einerseits die „road shows“ der Geldeinwerber für das Geschäftsschema in ganz Europa zu unterstützen, andererseits auch die Durchsetzungskraft eines geschönten Ratings für die Greensill Bank zu erhöhen. So gab beispielsweise auch die SparkassenVersicherung willig ihr Geld, um am System immer höherer Bewertungen für Anteile an der Scope SE & Co. KGaA zu partizipieren. auch wenn seit Dekaden nur Verluste und minimale Marktanteile (unter einem Prozent) dokumentiert sind.

Wer sollte angesichts der Beteiligung der SparkassenVersicherung und des ehemaligen Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands ein übertrieben gutes Rating für die Greensill Bank befürchten? Kritische Fragen blieben eher die Ausnahme als die Regel, wie beispielsweise im Falle der klugen Entscheidung der Stadtkämmerin aus Münster in Westfalen, die Meinung von einigen nicht der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA unterworfenen Spezialisten aus der Schweiz einzuholen, der Independent Credit View AG (I-CV).

Mit geschönten Ratings lässt sich auf Dauer bei keiner Ratingagentur noch Geld verdienen. Daher treten die Herren – im aufgeblähten Gremiensystem der Scope SE & Co. KGaA mit „Honorary Board“, „Board of Trustees“, „Advisory Board“, „Supervisory Board“, „Executive Board“, „Management Board“ usw. gibt es ausschließlich Männer – an, um Druck auf das System der Europäischen Zentralbanken zu machen und dafür zu sorgen, dass Scope Ratings – möglichst im Unterschied zu anderen Ratingagenturen in Europa – das exklusive Recht erhält, die für die Europäische Zentralbank bei ihren milliardenschweren Anleihekäufen maßgeblichen Ratings zu erteilen. Dies würde es Scope Ratings erlauben, direkt an den Schleusen der Geldschöpfung zu verdienen. Diese Vision ist groß genug für alle Beteiligten.

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