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Leutheusser-Schnarrenberger zu Finanzdienstleistern der nächsten Generation

Von Dr. Oliver Everling | 6.September 2015

„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht überholt, der Schutz der  Privatsphäre ist kein Relikt aus dem 20. Jahrhundert und totale Transparenz ist kein Wert an sich“, schreibt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D., in ihrem Geleitwort zum neuen Buch „Finanzdienstleister der nächsten Generation“.

Der Sammelband von 2013 (462 Seiten, ISBN 978-3-940913-62-3) ist schon ausverkauft und daher nur noch als elektronisches Buch erhältlich. Das zweite Buch ist weder nur eine zweite Auflage, noch gar bloß ein Nachdruck, sondern ein völlig neues Sammelwerk mit neuen Autoren und Themen. Damit wollen Verlag und Herausgeber dem Anspruch gerecht werden, dem Leser 2016 wiederum die Finanzdienstleister der nächsten Generation zu präsentieren.

Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kennt die Problematik der Datenunternehmen aus erster Hand. Seit 2014 gehört sie einem ohne Entlohnung tätigen, achtköpfigen Beirat mit externen Experten aus europäischen Ländern an, den Google Inc. als Reaktion auf Kritik an der Umsetzung des EuGH-Urteils vom 13. Mai 2014 zum Recht auf Vergessenwerden gründete und der bei der Erarbeitung eines Lösch-Leitfadens beraten soll.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger macht in ihrem Geleitwort klar, dass informationelle Selbstbestimmung und der Schutz der Privatsphäre insbesondere auch für die Finanzdienstleistungen gilt, für das bargeldlose Bezahlen, für Online-Kredite, für den Hochfrequenzhandel,  für das gesamte Bankengeschäft und für die so wichtige Entscheidung über die Bonität des potenziellen Kunden.

„Wird es künftig überhaupt noch persönliche Bankberatung geben“, greift Leutheusser-Schnarrenberger Fragen aus dem Buch auf, „oder soll sich der Bürger über Apps und allgemein im Netz über Chancen und Risiken von Geldanlagen informieren? Erfolgt Vermögensberatung und Vermögensverwaltung zukünftig ausschließlich online und ersetzen mobiles Payment und Bitcoin anstelle des vollen Portemonnaies und raschelnder Geldscheine jeden Bezahlvorgang?“

Über diese Entwicklungen wird seit Jahren geforscht, diskutiert und einige werden bereits praktiziert, berichtet Leutheusser-Schnarrenberger. „Neben den faszinierenden Perspektiven des schnellen,  grenzenlosen und bargeldlosen Finanz- und Vermögenstransfers müssen auch die Risiken für den Anleger und einfachen Sparer gesehen werden. Meistens ist es ihm gar nicht möglich, Vermögensanlagen bewerten und dahin einschätzen zu können, ob sie für ihn passend und angemessen sind. Der fehlende Überblick über die eigenen Finanzen kann zu leichtsinnigen Vermögensentscheidungen führen,“ warnt die ehemalige Bundesministerin, „die die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen.“

Aber noch wichtiger ist für Leutheusser-Schnarrenberger die Frage, wer für fehlerhafte Produkte und verzerrende Online-Information haftet? Die anbietende Plattform, der Host – oder Internet Service Provider? „Die derzeitige Produkt- und Bankenhaftung ist nur dank der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren etwas Anleger- und Verbraucher freundlicher geworden. Sie kann in ihrer Differenziertheit nicht einfach auf jedes Online-Bankengeschäft übertragen werden“, unterstreicht Leutheusser-Schnarrenberger.

Die Selbstbestimmung des Verbrauchers und der Schutz seiner persönlichen Daten ist Leutheusser-Schnarrenberger gerade im finanziellen Bereich besonders wichtig. „Niemand möchte, dass seine Kontodaten, Bezahlvorgänge und Vermögensanlagen einsehbar, nutzbar und verfügbar sind. Zu der absoluten Sicherheit der in der Cloud gespeicherten Finanzdaten kommt der Schutz vor dem unberechtigten oder expansiven Zugriff staatlicher Institutionen.“

Datenschutz will Leutheusser-Schnarrenberger im digitalen Zeitalter sehr früh ansetzen, nicht erst bei der Verwertung der digital in unglaublicher Menge entstehender Daten. „Technischer Datenschutz mit dem Ziel der Minimierung des Entstehens personenbezogener Daten und datenschutzfreundliche Anwendungen verbunden mit verstärkter Anonymisierung und Pseudonymisierung können das informationelle Selbstbestimmungsrecht stärken.“ Datenschutz und Selbstbestimmung sind modern, sie verhindern nicht technische Entwicklungen und sollten auch zum Markenzeichen der Finanzwirtschaft werden.

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