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Methodologie des Innovationsratings

Von Dr. Oliver Everling | 13.Juli 2020

Schon den Römern war die grundsätzliche Idee bekannt: Das Wort “Innovation” ist vom lateinischen Verb innovare (erneuern) abgeleitet. Als Substantiv heißt es wörtlich „Neuerung“ oder „Erneuerung“. Der Begriff ist in der Umgangssprache im Sinne von “neuen Ideen und Erfindungen” und für deren wirtschaftliche Umsetzung weit verbreitet.

Für Investoren relevant werden Innovationen erst dann, wenn Ideen in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden, die tatsächlich erfolgreich Anwendung finden und den Markt durchdringen (Diffusion). Erst die Diffusion kann zu Erträgen führen, die Eingang in eine Investitionsrechnung finden.

Ein Innovationsrating klassifiziert daher die aus Investitionsrechnungen resultierende Erwartung, dass ein Produkt, eine Dienstleistung beziehungsweise das diese Produkte herstellende oder Dienstleistungen erbringende Unternehmen geweckte Erwartungen zu erfüllen vermag. Prognostische Bedeutung hat dabei insbesondere die Innovationsfähigkeit, die die Fähigkeit von Personen(-Gruppen), sozialen Netzwerken und Organisationen bezeichnet, gezielt und kontinuierlich Innovationen hervorzubringen.

Für Innovationsratings relevant sind nicht nur Produkt-Service-Innovationen, sondern auch Prozess-Verfahrensinnovationen und Konzeptinnovationen (Management- und Organisationsinnovationen, Geschäftsmodellinnovationen).

Die Innovationsfähigkeit bzw. -kraft eines sozialen Systems wie eines Unternehmens ergibt sich aus einem komplexen Zusammenspiel der Dimensionen Mensch, Organisation und Technik. Durch personal- und organisationsentwicklerische Maßnahmen können Unternehmen versuchen, gezielt ihre Innovationsfähigkeit/-kraft mit System zu erhöhen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren oder zu steigern. Angesichts rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit kann dies für den mittel- und langfristigen Erfolg der Unternehmen sehr wichtig sein.

Innovationsratings werden nicht isoliert von einigen allgemeinen Kennzahlen zum Gegenstand und zur Größe von Unternehmen erteilt. Daher werden die Anzahl der Mitarbeiter, die geografische Reichweite des Unternehmens, Firmensitze im In- und Ausland, Umsatz und Ertrag in Relation zum Aufwand für Forschung und Entwicklung gebracht. Letzterer Aufwand wird einer detaillierten Analyse unterzogen, um auch den Anteil der Aufwendungen für radikale Neuerungen zu ermitteln.

Erfolgreiche Unternehmen steuern ihre Ausgaben so, dass sie gezielt die Generierung von Ideen durch ihre Mitarbeiter ermöglichen. Bei dieser Analyse spielen nicht nur die eigenen Mitarbeiter, sondern auch Berater und freie MItarbeiter eine Rolle. Der Aufwand für Beratung kann aber ein trügerisches Indiz sein, wenn hier nicht auch weitere Kriterien zur Messung der Effizienz herangezogen werden. Insbesondere ist zu untersuchen, ob der Aufwand auch konkret mit Leistungen für den Markt in Verbindung steht. Die genannten Zahlen sind nicht statisch, sondern dynamisch im Zeitverlauf zu analysieren und auf Ergebnisse zu überprüfen.

Innovations- und Managementkultur in einem Unternehmen hängen eng miteinander zusammen. Der Umfang mit Feedback von Kunden ist hier ebenso relevant wie das Beschwerdemanagement, gleich ob von Kunden oder MItarbeitern. Schon die Frage, auf welchen Kanälen das Management eines Unternehmens Resonanz von Kunden und Mitarbeitern aufnimmt, ob zum Beispiel durch gezielte Befragungen, Arbeitsgruppen, Social Media oder Big-Data-Analysen, kann aufschlussreich sein.

Ratinganalysten vermögen durch Interviews mit dem Management die branchen- und unternehmensspezifischen Hindernisse im Innovationsmanagement zu eruieren. Diese Hindernisse reichen von gesetzlichen Schranken bis zu technologischen Schwierigkeiten. Eine Reihe von Kriterien wird sowohl für die Auswertung unternehmensinterner, als auch unternehmensexterner Hindernisse herangezogen.

Der Anteil neuer Produkte und Dienste am Ertrag wird chronologisch nach Kohorten aufgeschlüsselt. Neben Daten des externen Rechnungswesens können auch Daten des internen Rechnungswesens genutzt werden, um beispielsweise innovationsbedingte Kosteneinsparungen zu prognostizieren. Um Innovationszyklen abzubilden, werden Pläne im Soll- und Ist-Vergleich analysiert.

Eine steigende Zahl registrierter Patente gilt als ein Indikator für starke Innovationstätigkeit. Ein Patent anzumelden ist nicht bei jeder Erfindung zu empfehlen, selbst wenn die Patentierbarkeitsbedingungen grundsätzlich erfüllt sind. Wenn das Unternehmen sein Patent nach einer Gewährung nicht verteidigen kann oder die Kosten zur Verteidigung nicht getragen werden könn (sollte das Patent von Dritten angegriffen werden), kann der Verzicht auf Patentierung sinnvoll sein. Es kann teuer werden, wenn einem Unberechtigten die Nutzung einer Erfindung untersagt werden soll, wie auch die Frage nach der praktikablen Durchsetzung zu stellen ist.

Im Innovationsrating wird untersucht, inwieweit Erfindungen des Unternehmens umgehbar ist: Sind die Erfindungen über ähnliche Vorgehensweisen, die nicht geschützt oder schützbar sind, austauschbar, täuscht Patentschutz angreifbare Stärke vor. Mit Nachahmung auf ähnlichem Wege durch Dritte muss insbesondere bei ertragsstarken Märkten gerechnet werden.

Unternehmen verzichten oft auf jede Offenlegung, wie sie bei einer Patentanmeldung erzwungen wird, wenn die Offenlegung es einem Dritten erst ermöglicht, die Erfindung nachzuvollziehen und zu kopieren: Falls ein Nachbau ohne spezifisches Wissen, über das nur das zu beurteilende Unternehmen verfügt, nicht möglich sein, kann die Geheimhaltung einen besseren Schutz bedeuten. Bei großen Unternehmen kann es jedoch eine besondere Herausforderung sein, angesichts natürlicher Mitarbeiterfluktuation Wissen geheim zu halten. Daher (wie auch aus weiteren Gründen) spielt im Innvoationsrating auch die Unternehmensgröße eine Rolle.

Zu hohe Komplexität von Erfindungen kann auch gegen Patentanmeldungen sprechen. Bestehen Erfindungen jeweils aus einer Vielzahl an Elementen, die einzeln zu schützen wären, würde ein Patentschutz unverhältnismäßige Kosten erzeugen. Nur bestimmte, besonders wichtige Teile eines Produktes durch ein Patent zu schützen, kann hier eine sinnvolle Strategie sein, erfordert aber entsprechendes Fachwissen im Management von Patentanmeldungen und Verwertungen. Im Innovationsrating wird daher untersucht, welche Voraussetzungen das Unternehmen geschaffen hat, um sich diesen Herausforderungen zu stellen. und welcher Kombinationen mit alternativen Schutzmechanismen es sich darüber hinaus bedienen kann.

Innovationsrating setzt ein Profiling des Managements des Unternehmens voraus, um dessen Bereitschaft zu ermitteln, für die Erhöhung der Innovationskraft Risiken einzugehen. Inwieweit Mitarbeiter und Management auch unternehmenskulturell in der Lage sind, Innovationen herbeizuführen und umzusetzen, ist von zentraler Bedeutung.

Organisationstheoretische Überlegungen wie auch empirische Erhebungen können helfen, die Eignung virtueller Teams, der Projekt- oder Matrixorganisation sowie funktionaler Organisation zu reflektieren. Um Innovationsratings zu erstellen, sind Aufbau und Ablauf der innovativen Organisation in ihren Strukturen zu erfassen.

Innovationsrating stützt sich somit auch auf den Personalbereich des Unternehmens. Der Personalbereich liefert Zahlen über die im Bereich der Forschung und Entwicklung tätigen Mitarbeiter, über den Bildungsstand und den Einsatz von Fortbildungsmaßnahmen, die Berufserfahrung der Mitarbeiter sowie die Mitarbeiterzufriedenheit. Die unternehmensinternen Methoden des Personal- und Managementratings sind hinsichtlich der Frage zu untersuchen, inwieweit in den Beurteilungs- und Anreizsystemen Innovationszielen Priorität eingeräumt wird.

Das Innovationsrating ist nicht lediglich Ergebnis eines Punktbewertungsverfahrens oder eines einfachen Computermodells, sondern als komiteebasierter Prozess auf die Integration aller Aspekte ausgerichtet, die für die ordinale Klassifikation des Innovationserfolgs eines Unternehmens maßgeblich sind. “Innovationsrating” bezeichnet daher sowohl das Beurteilungsverfahren, als auch das Ergebnis des Ratingprozesses in Form einer “Note”. Das Innovationsrating liefert sowohl eine relative – nämlich im Vergleich zu anderen Unternehmen -, als auch eine absolute Information, wenn beispielsweise ein niedriges Rating das völlige Fehlen von Voraussetzungen für Innovation indiziert.

Themen: Aktienrating, Innovationsrating, Unternehmensrating | Kein Kommentar »

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