Betriebswirtschaftliche Betrachtungen zum Social Credit Rating
Von Dr. Oliver Everling | 20.Dezember 2020
Welche Handlungsalternativen ergeben sich für Unternehmen mit Blick auf die Volksrepublik China nach Abwägung der Rahmenbedingungen und Restriktionen? Dieser Frage geht Thomas Pache in seinem Beitrag zum Buch „Social Credit Rating“ im Springer-Verlag nach.
Alternative 1 sei der „Verzicht auf Teilnahme am chinesischen Markt“: Abstinente Unternehmen müssen – zumindest kurzfristig – kein gesteigertes Augenmerk auf Gesetzeskonformität mit chinesischen Vorschriften legen, die Opportunitätskosten durch das außer Acht lassen eines solch großen und zukünftig noch wichtiger werdenden Marktes dürften mittel- bis langfristig jedoch gravierend sein.
Alternative 2 sei das „Abwarten – Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird.“ Hierdurch spare ein Unternehmen kurzfristig die Aufwendungen zur Identifizierung und Erreichung gesetzeskonformen Verhaltens, „wird aber höchstwahrscheinlich mittelfristig einen hohen wirtschaftlichen Preis, bis hin zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs in China, zahlen müssen“, warnt Pache.
Paches Alternative 3 lautet „SCS-konforme Aufstellung des Unternehmens“: Diese Alternative scheine bei kurzfristiger Betrachtung die kostenintensivste zu sein, sie sei jedoch wahrscheinlich die langfristig einzige Erfolgversprechende, da heutige Verhaltensmuster (inkl. Schmiergeldzahlungen etc.) in einem funktionierenden SCS kaum noch realisierbar sein dürften.
Thomas Pache verantwortet den Bereich Cyberversicherungen bei einem großen skandinavischen Assekuradeur. Er beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Technologierisiken und deren Absicherungsmöglichkeiten. Pache ist Mitglied in den Arbeitsgruppen Cyber und IT-Haftpflichtversicherungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sowie Dozent bei der Deutschen Versicherungsakademie (DVA) und Autor von Fachbüchern und Artikeln zu dieser Thematik.
In seinem Beitrag zum Buch „Social Credit Rating“ im Springer-Verlag wird das Thema des Sozialkrediratings aus konsequent betriebswirtschaftlicher Unternehmensperspektive beleuchtet. Zukünftig zu erwartende Risiken, Kosten aber auch die aus einem unbestechlichen Social Credit System resultierenden Chancen werden gegenübergestellt und Handlungsalternativen abgewogen um Unternehmensentscheidern einen ersten Überblick zu geben.
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Von Alibaba als „Amazon Chinas“ zu Amazon als „Alibaba der USA“
Von Dr. Oliver Everling | 19.Dezember 2020
„Innovative Marktführer können sich in Schwellenländern hervortun“, schreibt ein kluger Investor in seinem „Weihnachtsbrief“, der hier zwar zitiert werden darf, aber anonym bleiben will, da sein Brief nur an seine „Investoren und zur Kontakterhaltung an einige wenige andere Bekannte/Freunde“ gehe: „Wenn es um Innovation geht, scheinen die großen US-Technologieunternehmen die meiste Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dies könnte sich jedoch auf China und andere Schwellenländer verlagern.“
Sein Brief erreicht nun schon seit Jahrzehnten seine Investoren sowie einen kleinen Kreis aus Bekannten und Freunden. Seine Website gibt sich keine Mühe mit Design, vielleicht nach dem Vorbild von https://www.berkshirehathaway.com/. Er habe gelernt, dass Bescheidenheit, Diskretion und Zurückhaltung für seine Arbeit nützlich sind. „Demgemäß dürfen Sie die Informationen gerne verwenden, aber zitieren Sie mich bitte nicht. Und ein Vergleich mit Warren ist zwar schmeichelhaft, aber schon allein von der Größenordnung nicht richtig; er beschäftigt immerhin 25 Mitarbeiter“, scherzt unser Kontakt mit Blick auf seinen eigenen Mitarbeiterstab.
Wer das Privileg hatte, so viele Jahre seinen Weihnachtsbrief lesen zu dürfen, wird sich an viele seiner Prognosen erinnern, die später teils freudige, teils bittere Realität wurden. Liegt es an seiner strengen Logik? Darüber und über seinen Track-record kann an anderer Stelle nachgedacht werden, hier sei es erlaubt, einen kleinen Teil seiner Prognosen 2021 zu zitieren:
„Wir werden erleben,“ sieht er voraus, „wie sich Unternehmen aus Schwellenländern von Nachahmern zu wahren Innovatoren entwickeln. Früher bezeichneten wir Unternehmen wie Alibaba als ‚Amazon Chinas‘ oder Baidu als das ‚Google Chinas‘, aber diese Unternehmen haben tatsächlich ihre Technologie entwickelt und lokalisiert und gleichzeitig ihr Wachstum auf andere Weise als in den USA beschleunigt.“
„Erfolgreiche Neueinsteiger werden möglicherweise schneller wachsen als etabliertere Unternehmen,“ so seine Mathematik, „wahrscheinlich lange bevor sie sich außerhalb ihrer lokalen Märkte einen Namen machen. Pinduoduo, ein E-Commerce-Unternehmen in China, das noch keine 10 Jahre existiert, aber bereits eine Marktkapitalisierung von mehr als 100 Mrd. US-Dollar aufweist, ist dafür ein Beispiel. Ebenso hat die 150 Mrd. US-Dollar schwere Multi-Service-Plattform Meituan über 450 Millionen aktive Nutzer. Solche Unternehmen werden branchenübergreifend wie Pilze aus dem Boden schießen.“
Der Weihnachtsbrief zeugt von Optimismus: „Die Prognose für die Behandlung von Krebs sieht gut aus: Die Heilung von Krebs ist vielleicht näher, als man denkt. Durchbrüche in der Gentherapie und neue Anwendungen von künstlicher Intelligenz beschleunigen die Medikamentenentwicklung. Möglicherweise werden einige Krebsarten bis 2030 durch Zelltherapie funktionell geheilt werden können. Neue, zuverlässige Tests werden eine sehr frühe Erkennung und Lokalisierung der Krebsentstehung ermöglichen. Nach 2030 könnte Krebs als eine der Haupttodesursachen durch Früherkennung weitgehend ausgemerzt werden.“
Die nächste Welle der pharmazeutischen Innovation könnte von einer ganz unerwarteten Stelle kommen: „Wahrscheinlich werden bis 2030 viele globale ‚Blockbuster-Präparate‘ aus China kommen. Das Land hat die größte Population von Krebspatienten auf der Welt, und jeder zweite von ihnen nimmt an einer klinischen Studie teil, gegenüber einem von 20 in den USA. Ich gehe davon aus, dass China innerhalb von fünf bis zehn Jahren mit der Produktion neuer Medikamente beginnen wird, bei einem Zehntel der Kosten in den USA.“
Die Rivalität zwischen den USA und China könnte die Geopolitik bestimmen: „Vor einer gefühlten Ewigkeit, in der Zeit vor COVID-19, bestimmte der Handelskonflikt zwischen den USA und China die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber die frostigen Beziehungen zwischen den beiden Supermächten werden auch mit dem neuen US-Präsidenten eines der wichtigsten Anlagethemen bleiben.“
Es gehe nicht nur um Geopolitik. Dieser Konflikt werde sich auch direkt auf die Unternehmen auswirken, da sie gezwungen sind, Partei zu ergreifen und vielleicht ihre Arbeitsweise auf beiden Seiten anzupassen. Unser Ratgeber erinnert daran, dass die USA Durchführungsverordnungen zum Verbot der beliebten Apps TikTok und WeChat erlassen wollten, wenn die US-Segmente nicht von ihren chinesischen Muttergesellschaften verkauft werden.
„Zwar empfiehlt sich diejenigen Akteure zu meiden, die ins Kreuzfeuer geraten könnten, aber großartige Anlagemöglichkeiten sind trotzdem im Überfluss vorhanden. Rein am Binnenmarkt tätige chinesische Internetfirmen, wie zum Beispiel Alibaba und Baidu,“ resümiert der Kapitalmarktexperte, „werden von einem Handelskrieg nicht in Mitleidenschaft gezogen. Und es gibt branchenübergreifend innovative Startups, die von großartigen Unternehmern gegründet wurden.“
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Mittelständische Emittenten meiden staatliche Kredite
Von Dr. Oliver Everling | 19.Dezember 2020
Die in 2020 veröffentlichten Finanzberichte mittelständischer Anleiheemittenten in Deutschland wurden von URA Research ausgewertet und analysiert. So wurden die URA-Beurteilungen für 7 Anleihen bestätigt. Bei 1 Anleihe hat sich die Beurteilung verbessert, bei 10 Anleihen verschlechtert, so der Bericht aus München.
Die 3. Anleihe der Karlsberg Brauerei GmbH sowie die 6. Anleihe der Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH wurden neu in die URA-Beobachtung aufgenommen, berichtet Jens Höhl, Geschäftsführer der URA Research GmbH.
URA Research fällt die Entwicklung der Nettofinanzschulden bei den beobachteten Unternehmen auf. Unter Nettofinanzschulden versteht URA Research Finanzschulden abzüglich Liquidität. „Immerhin die Hälfte der beobachteten 13 Emittenten, die Zwischenberichte zum 30.9.2020 oder zumindest zum 30.6.2020 veröffentlicht haben, konnten ihre Nettofinanzschulden abbauen bzw. ihre vorhandene Nettoliquidität halten.“
Ebenso konnte nach Feststellung von URA Research fast die Hälfte der Emittenten in 2020 bisher einen positiven Free Cashflow erreichen. Als Free Cashflow definiert URA Research den Mittelzufluss aus dem laufenden Geschäft inklusive Zinsergebnis minus Investitionssaldo.
„Fehlende Mittelzuflüsse durch den Corona-bedingten Umsatzeinbruch konnten also“, folgert URA Research, „durch Kosteneinsparungen wie Kurzarbeit beziehungsweise Aussetzung der Leiharbeit, durch Mittelfreisetzungen im Working Capital und niedrigere Investitionen zumindest teilweise ausgeglichen werden. Dazu passt auch, dass nur von wenigen Anleiheemittenten bisher bekannt ist, dass sie staatliche Kredite nutzen.“
Ein ähnliches Bild zeigt der „URA-Stresstest“ für 45 von URA Research beobachtete Firmen: Auch hier hatte fast die Hälfte eine grüne Ampel in dem Sinne, dass die Liquidität nach einem 12-monatigen Umsatzrückgang um 25% geschätzt noch länger als 720 Tage (d.h. 2 Jahre) reicht. Bei einem Umsatzrückgang um 50% waren es immerhin noch gut 15% der Unternehmen.
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CoStar: Ein Stern steigt höher
Von Dr. Oliver Everling | 18.Dezember 2020
Die in Washington ansässige CoStar Group (WKN: 922134 / ISIN: US22160N1090, Symbol: CSGP) mit über 4.300 Mitarbeitern weltweit ist ein Unternehmen, das in der Ratingbranche zu beachten ist, da CoStar ein führender Anbieter von Informationen, Analysen und Online-Marktplätzen für gewerbliche Immobilien ist. Zusätzlich zu seiner Bedeutung für die Ratingbranche wird es von führenden Ratingagenturen (Moody’s, Fitch Ratings) mit „Investment Grade“ bewertet.
CoStar wurde 1987 gegründet und ist durch Research bekannt. Anspruch des Unternehmens ist es, die größte und umfassendste Datenbank mit gewerblichen Immobilieninformationen zu erstellen und zu pflegen. CoStar kaufte Thomas Daily in Deutschland- eine Firma, die unter Ratinganalysten nicht nur in Deutschland bereits bekannt war. Thomas Daily wurde 2016 eine Tochtergesellschaft von CoStar.
CoStar bietet eine umfangreiche Suite von Online-Diensten, mit denen Kunden Einblicke in die Werte und Wertentwicklungen von Gewerbeimmobilien und in die Marktbedingungen erhalten sowie die aktuellen Verfügbarkeiten analysieren, interpretieren und verfizieren können.
CoStar umfasst neben Thomas Daily eine Reihe starker Marken wie STR. STR bietet Daten-Benchmarking, Analysen und Markteinblicke für den globalen Gastgewerbesektor. Ten-X bietet eine führende Plattform für die Durchführung von Online-Auktionen für gewerbliche Immobilien und für ausgehandelte Angebote. LoopNet ist mit über 7 Millionen monatlichen Einzelbesuchern einer der am stärksten frequentierte gewerbliche Immobilienmarkt im Internet. Realla ist der umfassendste digitale Marktplatz für Gewerbeimmobilien in Großbritannien. Apartments.com, ApartmentFinder.com, ForRent.com, ApartmentHomeLiving.com, Westside Rentals, AFTER55.com, CorporateHousing.com, ForRentUniversity.com und Apartamentos.com sind führende Online-Dienste für Mieter, die nach Apartmenthäusern suchen, und bietet Immobilienverwaltern und Eigentümern eine bewährte Plattform für die Vermarktung ihrer Immobilien.
Am 17. Dezember 2020 hat die US-amerikanische Federal Trade Commission (FTC) die Übernahme von Homesnap, Inc., einem branchenführenden Anbieter von Technologielösungen für die Immobilienbranche, durch die CoStar Group genehmigt. CoStar und Homesnap hatten den geplanten Zusammenschluss Ende November 2020 zur Überprüfung durch die FTC eingereicht.
Homesnap unterstützt Makler mit einem Konsortium aus Hunderten der größten Multiple Listing Services (MLS) der USA und gewährt mehr als 1,1 Millionen Immobilienmakler Zugriff auf das kostenlose Produkt Homesnap Pro von Homesnap, das über 90% der Immobilienmakler und Listings in den USA repräsentiert. Das öffentliche Wohnimmobilienportal von Homesnap zeigt 1,3 Millionen aktive Immobilienanzeigen, und Millionen Käufer von Eigenheimen nutzen die Homesnap-Website und -App, um nach einem Eigenheim zu suchen.
„Das Hinzufügen von Homesnap zum Netzwerk der CoStar Group bietet einen erheblichen Mehrwert zu unserem bestehenden Arsenal an Tools für Makler und Agenten, von denen die gesamte Branche direkt profitiert“, sagt Andy Florance, Gründer und CEO der CoStar Group. „Wir sind stolz darauf, der CoStar Group beizutreten und ihr mehr als 30-jähriges Wissen und ihre Erfahrung in den Bereichen Immobiliendaten, Software und Marketing zu nutzen, um diese bedeutende Wachstumschance zu nutzen“, fügt John Mazur, CEO von Homesnap hinzu.
Die Websites der CoStar Group zogen im dritten Quartal 2020 insgesamt durchschnittlich 69 Millionen Besucher pro Monat an.
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Shenzhen – Die Weltwirtschaft von morgen
Von Dr. Oliver Everling | 17.Dezember 2020
In alten deutschen Reiseführern kann man es nachlesen: Shenzhen war einmal ein Fischerdorf. Im fünfbändigen „Der Neue Brockhaus“ von 1975 findet Shenzhen keine Erwähnung. Noch 1993 berichtete die renommierte Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden unter dem kurzen Stichwort „Shenzhen“ von nur 280.000 Einwohnern. Schon damals mag es aber Leser irritiert haben, dass im Brockhaus die Existenz eines 52stöckigen Hochhauses Erwähnung findet. 2017 zählte Shenzhen schon 12,53 Mio. Einwohner. Wer Antworten auf die Frage sucht, was da passierte, findet sie im Buch von Wolfgang Hirn: Shenzhen – Die Weltwirtschaft von morgen (2020 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main).
Wer Wolfgang Hirn bzw. seinen beruflichen Hintergrund kennt, macht sich um den fachlichen Anspruch des Buches keine Sorge – es liest sich evidenzbasiert, detailreich und außerdem spannend. Wolfgang Hirn studierte Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften in Tübingen. Nach Stationen als Wirtschaftsredakteur arbeitete er als Reporter beim manager magazin. Seit 1986 reist er regelmäßig nach China, veröffentlichte den Bestseller „Herausforderung China“ (2005) und zuletzt bei Campus „Chinas Bosse“ (2018). Er lebt als Autor in Berlin und schreibt über Themen mit Bezug zu China.
Das Buch zeichnet nicht bloß die Historie einer Stadt nach, die schon seit 2009 Pilotstadt der Zentralregierung zur Förderung der Elektromobilität ist und heute mehr als 200.000 Ladestationen bereithält. Hirn vermittelt mit seiner Aufarbeitung des märchenhaften Aufstiegs Shenzhens zu einer globalen Modellstadt dem Leser das Verständnis für die folgenden Kapitel, in denen es um „die Fabrik der Welt“ geht, die Stadt im Gründerrausch und um Beispiele der Konzerne Tencent und Ping An, wie sie ihre Macht mit Alogrithmen entfalten.
Hirn stellt Shenzhen als „Smart City“ vor, geladen mit Elektromobilität, die die Unternehmen verbindet, Unternehmen, die – statt Universitäten – die Forschungslandschaft prägen und in denen Nobelpreisträger ihre Forschungslabore haben wollen. Wer jedoch glaubt, bei „Shenzhen Valley“ ginge es nur um Geld, dem öffnet Wolfgang Hirn die Augen für die Kunst am Bau und dafür, die Architekten, Künstler und Designer eine Stadt kreieren.
Schließlich zeigt Hirn auch das Verhältnis der beiden „schwierigen Nachbarn“ auf: Wie Shenzhen vom Niedergang Hongkongs profitiert. Wer sich den beispiellosen Aufstieg Shenzhens vor Augen führt, wird überdenken, ob es bei der „Demokratiebewegung Hongkong“ wirklich um Demokratie, oder vielleicht auch um ein bei vielen Hongkongern gestörtes Selbstbewusstsein geht: „Die ehemals britische Kronkolonie strotzte vor Selbstbewusstsein“, schreibt Hirn: Hongkong wirke heute museal, sieht plötzlich alt aus.
Wer erinnert sich noch an die „Hidden Champions“ in Deutschland, an deutschen Erfindungsreichtum? „Im Jahr 2005 hatten folgende fünf Unternehmen weltweit“, schreibt Wolfgang Hirn, „die meisten Patentanmeldungen eingereicht: Philips, Panasonic, Siemens, Nokia und Bosch. Also vier Europäer – darunter sogar zwei Deutsche – und ein Japaner.“ Wer die heutigen Verhältnisse kennt, kommen diese Worte vor wie aus einem alten Geschichtsbuch mit Erzählungen aus einer vergessenen Zeit. „2018 war keiner von diesen Konzernen mehr unter den Top Five vertreten. Die Reihenfolge lautet jetzt: Huawei, Mitsubishi Electric, Intel, Qualcomm und ZTE. Kein Europäer war mehr dabei, dafür gleich zwei Unternehmen aus Shenzhen.“
Statt das „Heute“ in Kalifornien, im Silicon Valley, zu bestaunen, sollte sich der Blick von Politikern, Wirtschaftsführern und Journalisten, die unablässig auf extrovertierte Milliardäre der sogenannten PayPal-Mafia (Elon Musk usw.) schauen, auf das „Morgen“ richten, auf die noch unbekannten Stars nach Osten wenden. und „Die Damen und Herren sollten mal die Richtung wechseln“, so der Aufruf von Wolfgang Hirn, der einerseits das Glück hatte, Chinas Startbedingungen in den 1980er Jahren gesehen zu haben, und andererseits die Weitsicht hatte, immer wieder nach China zurückzukehren, um Zeuge eines beispiellosen Aufstiegs zu werden.
Dieser Aufstieg Chinas konkretisiert sich insbesondere am Beispiel der Modellstadt, des Reformlabors „Shenzhen“, der Stadt, die Hongkong näher liegt als Frankfurt zu Wiesbaden, näher als Köln zu Düsseldorf. „Shenzhen profitiert immer noch sehr davon, dass in seinem Umland die größte Fabrikdichte der Welt herrscht. Wie diese entstanden ist, konnte ich mit eigenen Augen verfolgen, als ich Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal nach Shenzhen reiste“, schreibt Wolfgang Hirn.
Wolfgang Hirn analysiert, auf welchen grundlegenden Reformen der Erfolg beruhte: In der Landwirtschaft, im privaten Unternehmertum, im freien Arbeitsmarkt und der Abschaffung staatlicher Preise. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Westen, insbesondere in Europa, wird dem Leser klar, in welche Tragödie Europa und speziell auch Deutschland steuert: Mehr Kollektivierung der Landwirtschaft als Markt, private Unternehmen am Tropf öffentlicher Aufträge und Subventionen, im Detail staatliche geregelte Arbeitsplätze und Tarife, geld- und fiskalpolitisch manipulierte Preise usw., die dort hinführen, wo China herkam: Ressourcenverschwendung, Warteschlangen, Ineffizienz, bis hin zu Mangelversorgung (Wohnung, Bildung, Pflege, Gesundheit usw.).
Nachdem Xi Jinping im November 2021 gewählt wurde, führte ihn seine erste, mit Spannung erwartete Reise nach Shenzhen, um dort u.a. Tencent und die Qinhai-Entwicklungszone zu besuchen – „ohne großen Pomp“, wie Wolfgang Hirn berichtet und zitiert den Präsidenten: „Chinas Reform- und Öffnungspolitik wird nie aufhören. In den nächsten 40 Jahren wird China die Welt mit weiteren Erfolgen beeindrucken“, verkündete Xi Jinping.
Wolfgang Hirn zeigt die Schattenseiten auf, die mit der Öffnung einherging. Im Schatten von Shenzhen entstand die Millionenstadt Dongguan „als das Mekka der globalen Schuhindustrie“. Dongguan war das Schmuddelkind im Perlflussdelta. Eine Stadt mit einst schlechtem Ruf. „Es war die Hauptstadt der Prostitution“, so ein Zitat von Leslie C. Chang aus ihrem Buch „Factory Girls“. Dem China-Experten Wolfgang Hirn gelingt es, die verschiedenen Entwicklungsphasen und differenziert aufzuzeigen, wie der Aufstieg Chinas und speziell von Shenzhen nicht geradelinig nur von frohen Botschaften gekennzeichnet war, sondern teils die Beseitigung von Missständen in einem Bereich mit Missständen in einem anderen Bereich erkauft wurde. Leider wird in den deutschen Staatsmedien oft nicht differenziert, welche Missstände in China überwunden, welche hinzugekommen sind und welche hinzukamen, aber auch schon wieder überwunden wurden. Wer das Buch von Wolfgang Hirn aufmerksam liest, wird sich ein eigene, fundiertere Meinung bilden können.
Dem Autor gelingt es, immer wieder auf zwei Seiten derselben Sache zu sprechen zu kommen, so zum Beispiel im Fall von Drohnen und dem führenden Hersteller in Shenzhen: „DJI schätzt, dass ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche Chinas mit Drohnen bearbeitet werden könnte. In der vom ehemaligen Microsoft-Manager Peng Bin gegründeten XAircraft aus dem nahen Guangzhou hat DJI in diesem Segment jedoch einen ernstzunehmenden Wettbewerber.“ Wolfgang Hirn fügt aber gleich noch eine andere, für deutsche Leser noch unvorstellbare Anwendung von Drohnen hinzu: „Und noch ein wichtiges Einsatzgebiet für Drohnen wurde in Shenzhen entdeckt. Die Verkehrspolizei dort setzt seit 2016 zunehmend Drohnen ein, um Verkehrssünder aller Art – vom Schnellfahrer bis zum Falschparker – von oben herab aufzuspüren. Offenbar mit Erfolg: Alle drei Minuten würden sie mit ihren Drohnen ein regelwidriges Verhalten registrieren, meldet die Polizei.“
„Ein neues Kürzel werden wir uns merken müssen. Drei Buchstaben, die in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden: GBA“, schreibt Wolfgang Hirn und sieht ein neues Machtzentrum der Welt voraus: „Greater Bay Area.“ Es geht um den Zusammenschluss der beiden Sonderverwaltungszonen und ehemaligen Kolonien Hongkong und Macau mit neun Städten in der Provinz Guangdong.
Wer sich mit der Sicht von Wolfgang Hirn nicht befasst, wird künftig Ratings für Länder, Branchen, Städte und Unternehmen kaum noch verstehen. „Die Schwellenländer, also auch das restliche China, sehen, wie man Wachstum durch eine geschickte Industriepolitik beschleunigen kann. Und entwickelte und satte Industriestaaten wie Deutschland sehen, wie man Hightechindustrien fördert, wie man in einer Stadt einen entrepreneurial spirit kreiert, und wie man konsequente Verkehrspolitik betreibt.“
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Geschäftsethik in China – ein Praxisbericht
Von Dr. Oliver Everling | 16.Dezember 2020
Die herausragende wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik China hat in den vergangenen Jahrzehnten viele positive Effekte herbeigeführt: Sinkende Armut, wachsende Mittelschicht, innovative High-Tech-Unternehmen – die Liste ließe sich lange fortführen, schreiben Thomas Stewens und Axel Rose in ihrem Beitrag zum Buch „Social Credit Rating.“
Die Autoren sind bei der BankM AG beschäftigt, einer 2007 gegründeten deutschen Spezialbank, die in der Mittelstandsfinanzierung tätig ist und hier insbesondere als Spezialist für strategische Kapitalbeschaffung im Fremd- und Eigenkapitalbereich eine führende Stellung einnimmt. Dabei unterstützt BankM auch chinesische Unternehmen mit Interessen in Deutschland und deutsche Unternehmer bei Expansionsvorhaben in China und hat in dieser Funktion mehrere Börsengänge, M&A-Transaktionen und Wirtschaftsförderungsprojekte begleitet.
„Der massive Bedeutungsgewinn materieller Leitmotive hat aber auch eine Ethik des Gewinnens gefördert,“ so Stewens und Rose, „in der ein clever agierender Geschäftsmann sich zum Erreichen des Erfolges sehr weitreichender Mittel bedienen kann, während der Verlierer nicht geschickt oder klug genug war, um das Risiko zu erkennen.“
Ein moralisch ethischer Konsens im Geschäftsleben fehlt nach Ansicht der China-erfahrenen Experten. „Manipulation, Spekulation sowie ein riesiger grauer Kapitalmarkt sind die Kehrseite des wirtschaftlichen Erfolgs. Folge ist ein gesellschaftlicher Vertrauensverlust, der sich negativ auf die gesamte volkswirtschaftliche Entwicklung auswirkt.“
Der 2014 veröffentlichten Plan der chinesischen Regierung, im Jahr 2020 ein umfassendes, datenbasiertes Social Credit System einzuführen, ist nach Ansicht der Autoren unter anderem der Versuch, das geringe gesellschaftliche Vertrauen zu adressieren und ein faires, transparentes, und berechenbares Wirtschaftsumfeld zu schaffen.
„Das Mammut-Projekt bezieht auch alle in China tätigen Unternehmen mit ein,“ so Stewens und Rose, „die Daten aus rund 30 Bereichen an die zuständigen lokalen und nationalen Behörden weiterreichen müssen. Dort werden die Daten in einer zentralen Datenbank konsolidiert und analysiert. Mittels eines komplexen, intransparenten Algorithmus wird schließlich ein Rating ermittelt, das sowohl Strafen als auch Vergünstigungen zur Folge haben kann. Der vorliegende Beitrag liefert einen Praxisbericht über die chinesische Geschäftsethik und analysiert inwieweit das Corporat Social Credit System geeignet ist, die Schattenseiten des wirtschaftlichen Erfolgs einzudämmen.“
Thomas Stewens ist Gründungspartner, Vorstand und Leiter China Desk der BankM sowie Gründungsvorstand des Vereins Kapitalmarkt KMU und Mitglied der Landesfachkommission Finanzmarktpolitik & Vorsorge im Wirtschaftsrat der CDU. Herr Stewens verfügt über langjährige Erfahrung im Investment Banking und hat zahlreiche Transaktionen mit China-Bezug in führender Position begleitet.
Axel Rose ist seit 2013 bei der BankM im Projektgeschäft tätig und hat seitdem verschiedene Projekte in China begleitet. Herr Rose ist Spezialist für Unternehmens- und Investorenkommunikation, hat mehrere Jahre für die F.A.Z.-Gruppe als Finanzjournalist gearbeitet und ist Autor des 2009 im Peter Lang Verlag erschienen Buches „China – Indien: Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich“.
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Kroll gibt EU-Zertifizierungsstatus auf
Von Dr. Oliver Everling | 15.Dezember 2020
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat der Kroll Bond Rating Agency LLC (Kroll LLC) die Möglichkeit entzogen, ihre Kreditratings für die Verwendung in der Europäischen Union (EU) zu zertifizieren.
Die Rücknahmeentscheidung folgt auf die offizielle Mitteilung der Kroll LLC an die ESMA vom 23. Juli 2020 über ihre Absicht, auf die Zertifizierung von Ratings zur Verwendung in der EU unter den in Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a der Ratingagentur festgelegten Bedingungen zu verzichten, berichtet die Behörde. Nach der Aufhebung des Zertifizierungsstatus von Kroll LLC wird die Kroll Bond Rating Agency EU weiterhin Ratings vergeben und einige der Ratings von Kroll LLC für die Verwendung in der EU bestätigen.
Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe a der CRA-Verordnung sieht vor, dass die ESMA unbeschadet des Artikels 24 die Registrierung einer Ratingagentur (CRA) zurückzieht, wenn die CRA „ausdrücklich auf die Registrierung verzichtet oder keine Ratings für bereitgestellt hat die vorangegangenen sechs Monate“. Artikel 5 Absatz 8 der CRA-Verordnung erklärt, dass Artikel 20 auch für zertifizierte CRA gilt.
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Aptar nachhaltig in Spitzenposition
Von Dr. Oliver Everling | 15.Dezember 2020
AptarGroup, Inc. (NYSE: ATR), ein weltweit führender Anbieter von Lösungen für die Arzneimittelabgabe, die Abgabe von Konsumgütern und aktive Verpackungen, wurde kürzlich von der ISS ESG, einer der weltweit führenden Ratingagenturen für nachhaltige Investitionen, mit dem Prime-Status ausgezeichnet. Das ISS ESG Corporate Rating berücksichtigt Umwelt-, Sozial- und Governance-Praktiken („ESG“), indem mehr als 100 branchenspezifische Indikatoren bewertet werden. Unternehmen werden als Prime eingestuft, wenn ihre ESG-Leistung die Schwellenkriterien für Unternehmen in ihrem Sektor überschreitet. Im Vergleich zu Nicht-Prime-Peers gelten diese Unternehmen als besser positioniert, um wesentliche ESG-Herausforderungen und -Risiken zu bewältigen und Chancen zu nutzen.
Aptar wurde außerdem von CDP für seine Maßnahmen zur Emissionsreduzierung, Minderung von Klimarisiken und zur Förderung der kohlenstoffarmen Wirtschaft mit dem Score „A“ ausgezeichnet, basierend auf den Daten, die das Unternehmen im Rahmen des CDP-Fragebogens zum Klimawandel 2020 gemeldet hat. Aptar ist – wie auch Moody’s – eines von wenigen leistungsstarken Unternehmen von mehr als 5.800, die bewertet wurden. Durch bedeutende nachweisbare Klimaschutzmaßnahmen ist Aptar weltweit führend in Bezug auf Umweltambitionen, Maßnahmen und Transparenz von Unternehmen.
CDP ist eine gemeinnützige Organisation, die ein globales Offenlegungssystem für Investoren, Unternehmen, Städte, Bundesstaaten und Regionen betreibt, um ihre Umweltauswirkungen zu analysieren. CDP versteht sich als „Goldstandard“ der Umweltberichterstattung mit dem umfangreichsten und umfassendsten Datensatz zu Unternehmensmaßnahmen und Maßnahmen von Kommunen.
„Wir sind sehr stolz darauf, von der CDP als führend in der Nachhaltigkeit von Unternehmen anerkannt zu werden. Unsere Maßnahmen zur Förderung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft sowie die von uns angebotenen Produkte und Lösungen spielen für Patienten und Verbraucher auf der ganzen Welt eine wichtige Rolle im Alltag “, sagte Stephan B. Tanda, Präsident und CEO von Aptar. „Da wir unser Unternehmen langfristig führen, werden wir uns weiterhin darauf konzentrieren, Klimarisiken zu reduzieren und immer nachhaltigere Lösungen zu entwickeln.“
Anfang 2020 hat Aptar seine wissenschaftlich fundierten Ziele formalisiert und ein Emissionsreduktionsziel festgelegt, das den Anforderungen entspricht, die globale Erwärmung bis zum Jahr 2030 deutlich unter 2 ° Celsius zu halten. Diese Ziele wurden von der wissenschaftlich fundierten Zielinitiative (SBTi) validiert. Das Unternehmen hat auch seine Angaben zu Risiken und Chancen gemäß der Task Force für klimabezogene finanzielle Angaben (TCFD) verbessert. Darüber hinaus erhielt Aptar die ISO 14046-Zertifizierung, die die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in allen Bereichen sicherstellt, insbesondere durch die Erhöhung der Einkäufe von erneuerbarem Strom.
„Die Erstellung der CDP-A-Liste ist ein Beweis für die hervorragende Zusammenarbeit unserer Teams auf der ganzen Welt, die mit diesen und anderen Initiativen unsere CO2-Emissionswerte gegenüber dem Vorjahr verbessert haben und daran arbeiten, eine Netto-Null-Energiestrategie zu entwickeln Der nächste Meilenstein auf unserem Weg zur Nachhaltigkeit “, sagte Beth Holland, Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit.
Der jährliche Offenlegungs- und Bewertungsprozess von CDP für die Umwelt wird allgemein als Goldstandard für die Transparenz der Unternehmensumwelt anerkannt. Im Jahr 2020 forderten mehr als 515 Investoren mit einem verwalteten Vermögen von über 106 Billionen US-Dollar und mehr als 150 Großabnehmer mit Beschaffungsausgaben von 4 Billionen US-Dollar Unternehmen auf, Daten über Umweltauswirkungen, Risiken und Chancen über die CDP-Plattform offenzulegen. Über 9.600 antworteten – das höchste Niveau aller Zeiten.
CDP verwendet eine detaillierte und unabhängige Methodik, um diese Unternehmen zu bewerten. Dabei wird eine Bewertung von A bis D vergeben, die auf der Vollständigkeit der Offenlegung, dem Bewusstsein und dem Management von Umweltrisiken sowie dem Nachweis bewährter Verfahren im Zusammenhang mit der Umweltführerschaft, wie z. B. der Festlegung ehrgeiziger, sinnvoller Ziele. Diejenigen, die keine unzureichenden Informationen offenlegen oder bereitstellen, sind mit einem F gekennzeichnet.
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Auf Pandemie, Klima und China kommt es an
Von Dr. Oliver Everling | 15.Dezember 2020
Bidens Erfolg hängt von drei Dingen ab, sagt Ron Temple, Co-Head von Multi-Asset und Head von US Equity bei Lazard Asset Management. Er gibt einen Ausblick auf die politische Lage in den USA für das kommende Jahr und beleuchtet, was das für Investoren bedeutet.
„Erfolg oder Misserfolg der Biden-Administration dürfte von drei Dingen abhängen: Covid-19, Klimawandel und China. Die ersten Aufgaben des neuen Präsidenten werden die Pandemie betreffen. Dazu zählen ein weiteres Steuerpaket, Test- und Rückverfolgungsinitiativen sowie Impfstoffverteilung und Logistikmanagement.“ Außerdem gelte es, Herausforderungen anzugehen, die schon lange vor dem Virus bestanden, insbesondere Einkommensunterschiede und Rassismus. Für die Biden-Administration werde es allerdings schwierig sein, Gesetze ohne die Unterstützung der Republikaner zu verabschieden. Parteiübergreifende Unterstützung erwartet Ron Temple eher bei Infrastrukturausgaben, da mehrere Republikaner bei diesem Thema bereits Bereitschaft signalisiert haben.
Biden hat immer wieder betont, wie wichtig das Thema Klima für seine Wirtschaftspläne sei. Ein Infrastrukturpaket könnte daher klimafreundliche Vorschläge enthalten, wie z.B. die Begrünung und energetische Sanierung bestehender Gebäude und die Auflage, dass Neubauten energieeffizient sein müssen.
In der Außenpolitik schließlich wird Biden die Chance haben, einige wichtige Beziehungen neu zu gestalten, insbesondere auch die Beziehungen zur Europäischen Union geradliniger zu gestalten. „In Bezug auf China wird sich die US-Politik wahrscheinlich nicht wesentlich ändern, wohl aber der Umgangston. Biden ist dafür bekannt,“ berichtet Ron Temple, „gegen China einen strengen Kurs anzustreben, sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus humanitären Gründen. Zunächst wird er entscheiden müssen, was mit den milliardenschweren Zöllen auf chinesische Produkte geschehen soll. Statt sie ganz abzuschaffen, wird Bidens Team sie wahrscheinlich als Druckmittel einsetzen, um politische Ziele zu erreichen. Die Biden-Administration dürfte für China als auch für Investoren größere Stabilität und Vorhersehbarkeit bei der Entscheidungsfindung bedeuten.“
„In den USA erwarten wir vom designierten Präsidenten Biden bedeutende politische Veränderungen,“ gibt Ron Temple seine Erwartung preis, „rechnen aber gleichzeitig mit einem Stillstand in der Gesetzgebung. Der EU-Rettungsfonds und die Konjunkturprogramme in China sollten das Wachstum vor Ort ankurbeln, während die USA auf eine zyklische Erholung nach der Pandemie werden warten müssen. Wir gehen davon aus, dass die Zentralbanken weiterhin versuchen werden, das Wachstum zu stimulieren, obwohl sie nur noch wenige Instrumente zur Verfügung haben.“
Insgesamt sieht Ron Temple Investoren auch im kommenden Jahr vor schwierigen Entscheidungen in Bezug auf eine angemessene und ausgewogene Kapitalanlage: „Wir gehen davon aus, dass es für den Erfolg mehr denn je auf die Titelselektion ankommen wird. Wir würden dazu raten, sich auf die Fundamentaldaten jedes einzelnen Wertpapiers zu konzentrieren und gleichzeitig dem Drang zu widerstehen, sich zu großen Risiken auszusetzen. Das vergangene Jahr war turbulent, aber es gibt einen Lichtblick am Horizont. Die Pandemie hat außerdem die Kraft wissenschaftlicher Innovationen unter Beweis gestellt und stimmt uns optimistisch hinsichtlich der Bewältigung anderer großer Herausforderungen wie chronischer Gesundheitsprobleme und des Klimawandels.“
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Steigende Kreditausfälle für 2021 erwartet
Von Dr. Oliver Everling | 15.Dezember 2020
93,3 Prozent der Finanzexperten erwarten einen Anstieg der Kreditausfälle im Jahr 2021. Knapp die Hälfte dieser geht sogar von einem starken Anstieg aus. Dies geht aus einer neuen „Handelskontor“-Infografik hervor.
Lediglich 4,1 Prozent erwarten hingegen einen Rückgang der Kreditausfälle. 2,7 Prozent sind der Auffassung, dass sich das Niveau kaum verändern wird. „Dennoch ist die Stoßrichtung eindeutig“, sagt Handelskontor-Herausgeber Raphael Lulay.
Ein hohes Maß an Kreditausfällen könnte für Banken gefährlich werden. Folgt man den Finanzmarktexperten, dann sind insbesondere die Sparkassen gefährdet. Hier sehen 58 Prozent dieser überdurchschnittlich hohe Risiken. Bei Großbanken und Privatbankiers sehen hingegen lediglich 32 Prozent bzw. 9 Prozent höhere Risiken.
Indes schlägt sich die wirtschaftliche Not vieler Unternehmen noch nicht in den angemeldeten Insolvenzen wider. Die Anzahl dieser befindet sich sogar auf einem historischen Tief. Dies hängt nicht zuletzt mit den außer Kraft gesetzten Antragspflichten zusammen. Allerdings befürchten knapp 61 Prozent der Finanzexperten, dass diese Aussetzung zu mehr sogenannten Zombiefirmen führt.
Wie die Infografik aufzeigt, könnte sich die Zunahme der Unternehmensinsolvenzen von 2019-2021 auf 12 Prozent belaufen. Hinsichtlich der Entwicklung in den USA sind die Experten unterdessen deutlich skeptischer. Hier erwarten diese sogar einen Anstieg der Insolvenzen von 57 Prozent.
„Dass es zu vermehrten Kreditausfällen kommen wird, hierin sind sich die meisten Profis einig“, so Handelskontor-Herausgeber Raphael Lulay. „Deutlich kontroverser wird hingegen diskutiert, ob die Banken gewappnet hierfür sind“.
Themen: Debitorenrating, Kreditrating | Kommentare deaktiviert für Steigende Kreditausfälle für 2021 erwartet
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