ESG als Erfolgsfaktor: Fachbuch knackt 130.000 Downloads im Aufschwung des Private-Equity-Markts

Von Dr. Oliver Everling | 6.August 2025

Das im Dezember 2024 erschienene Buch *„ESG als Treiber von M\&A – Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse erfolgreich managen“*, herausgegeben von Karl A. Niggemann, Ulrich Dahlhausen, Markus B. Hofer, Rudolf Schmitz und Oliver Everling, hat inzwischen die Marke von **130.000 Downloads** überschritten – ein bemerkenswerter Erfolg für ein Fachbuch dieser inhaltlichen Tiefe. Die hohe Nachfrage unterstreicht die wachsende Relevanz von ESG-Kriterien in der Gestaltung und Bewertung von Transaktionen im Private-Equity-Markt.

Der Erfolg des Buchs fällt in eine Phase, in der der globale Private-Equity-Markt nach mehreren wirtschaftlichen Schocks klare Erholungsanzeichen zeigt. Laut *Capital Dynamics Private Markets Insights* stieg das weltweite Exit-Volumen im ersten Halbjahr 2025 um **41 % im Vergleich zum Vorjahr** auf **545,9 Mrd. US-Dollar**. Treiber dieser Entwicklung waren robuste M\&A-Transaktionen und mehrere bedeutende IPOs im ersten Quartal, auch wenn im zweiten Quartal ein Rückgang um 35 % bei den Exits zu verzeichnen war – bedingt durch zunehmende Marktunsicherheiten und politische Entwicklungen wie die Ankündigung eines sogenannten „Liberation Day“ durch Präsident Trump im April.

Vor diesem Hintergrund zeigt das Springer-Buch, wie wichtig fundierte ESG-Strategien und Bonitätsanalysen für Unternehmen und Investoren geworden sind. Besonders im Mid-Market-Segment, das laut Studie zunehmend als „Sweet Spot“ im Private-Equity-Bereich gilt, gewinnen ESG-konforme und resilient strukturierte Investments an Bedeutung. Denn Unternehmen mittlerer Größe sind oftmals weniger stark von systemischer Volatilität betroffen und bieten durch operative Hebel zusätzliches Wertschöpfungspotenzial.

2024 machten von Private-Equity-Gesellschaften initiierte Transaktionen und Continuation Funds bereits **44 % des Sekundärmarktes** aus – mit einem Rekordvolumen von **75 Mrd. US-Dollar**. Die Zahl der Fondsabschlüsse stieg 2025 im ersten Quartal um **8 %**, vor allem im Segment kleiner und mittlerer Unternehmen. Auch hier liefert das Buch praxisnahe Ansätze zur Integration von ESG-Faktoren und Ratings in Transaktionsprozesse.

Inmitten volatiler Märkte, geopolitischer Unsicherheiten und sich wandelnder regulatorischer Rahmenbedingungen zeigt der Erfolg des Buchs, dass ESG nicht nur als Compliance-Thema, sondern als strategischer Hebel für nachhaltige M\&A-Prozesse verstanden wird. Die starke Resonanz aus Wissenschaft und Praxis belegt, dass der Bedarf an fundierter Orientierung im Umgang mit ESG-Kriterien, Ratings und Due-Diligence-Prozessen größer ist denn je.

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WpI MaRisk – eine verpasste Chance für die Risikokultur

Von Dr. Oliver Everling | 6.August 2025

Mit dem neuen Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Wertpapierinstituten („WpI MaRisk“) setzt die BaFin zweifellos wichtige Impulse zur Stärkung der Risikosteuerung und Transparenz im Finanzsektor. Liquiditätssteuerung, Stresstests, Risikoberichte und Notfallpläne werden umfassend adressiert. Doch gerade in einem so detaillierten Regelwerk fällt eines besonders auf: Das Thema „Ratings“ und der Umgang mit externen Bonitätseinschätzungen werden mit keinem Wort explizit geregelt. Das ist nicht nur eine Lücke, sondern ein strukturelles Versäumnis.

In einer Zeit, in der Ratingurteile für Märkte, Emittenten und Produkte gleichermaßen risikobestimmend sind – insbesondere im Kontext der Bewertung von Anlageportfolios, der Allokation von Risikokapital oder bei Liquiditätsplanungen – ist es kaum nachvollziehbar, dass Ratings keine Rolle im BaFin-Rundschreiben spielen. Selbst dort, wo regelmäßig Bewertungen, Risikobewertungen oder Ergebnisermittlungen gefordert werden, bleibt unklar, ob und wie externe Bonitätsurteile einbezogen werden sollen – etwa als Input zur Modellkalibrierung, zur Einschätzung von Risikokonzentrationen oder zur Beurteilung von Abwicklungsrisiken.

Diese Auslassung ist aus mehreren Gründen problematisch. Erstens ignoriert sie, dass Ratings – bei aller berechtigten Kritik – ein marktetabliertes Frühwarnsystem darstellen, das regulatorisch längst anerkannt ist, etwa im Bankenaufsichtsrecht oder im Versicherungsaufsichtsgesetz. Zweitens versäumt es die BaFin damit, Wertpapierinstitute zu einem reflektierten und dokumentierten Umgang mit externen Ratings zu verpflichten. Gerade kleinere Institute verlassen sich häufig stark auf externe Urteile, ohne deren Aussagekraft kritisch zu hinterfragen oder in ihre internen Limitsysteme sauber zu integrieren.

Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn das Rundschreiben zumindest ein Mindestmaß an Leitlinien zum Einsatz von Ratings definiert hätte – etwa zur Einbettung in die Risikoinventur, zur Berücksichtigung in der Risikoberichterstattung oder zur Einordnung in Stresstestszenarien. Auch eine Auseinandersetzung mit dem Risiko einer zu starken Ratings-Abhängigkeit und der Forderung nach eigenständiger Validierung wäre angebracht gewesen.

Stattdessen hinterlässt die WpI MaRisk den Eindruck, Ratings seien für die Risikosteuerung nachrangig oder entbehrlich. Diese Haltung ist realitätsfern – gerade in einem Umfeld steigender Bonitätsrisiken, höherer Volatilität und zunehmender Marktverwerfungen. Wer Ratings ignoriert, verzichtet auf ein wichtiges Instrument zur Risikoorientierung. Wer sie unreflektiert nutzt, handelt grob fahrlässig. Die BaFin hätte hier stärker differenzieren und Orientierung geben müssen.

Die Regulierung von Risikomanagement darf sich nicht in operativen Anforderungen erschöpfen. Sie muss auch den methodischen Werkzeugkasten definieren – und dazu gehören Ratings zwingend. Die nächste Überarbeitung der WpI MaRisk sollte diesen blinden Fleck beheben.

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Niedrigzinsen sind kein Freibrief für geringes Risiko

Von Dr. Oliver Everling | 6.August 2025

Sinkende Zinsen dürfen nicht als generelles Signal für sinkende Risiken verstanden werden – eine trügerische Gleichung, die an den Finanzmärkten immer wieder zu Fehlbewertungen führt. Gerade in einem Umfeld geldpolitischer Lockerung ist es entscheidend, zwischen geldpolitischem Kurs und fundamentalen Risikoeinschätzungen zu unterscheiden. Zinssenkungen reflektieren in vielen Fällen nicht eine Entwarnung, sondern im Gegenteil eine Reaktion auf bestehende oder wachsende wirtschaftliche Probleme. Wie Lauren van Biljon, Senior Portfolio Managerin bei Allspring Global Investments, betont: „Wenn es ein ‚hawkish cut‘ ist, dann ist es ein ‚hawkish cut‘ – also eine Zinssenkung, bei der gleichzeitig klar signalisiert wird, dass man sich Sorgen um das Lohnwachstum und den Arbeitsmarkt macht.“ Der Kapitalmarkt kann solche widersprüchlichen Signale aufnehmen, ohne dass sie sich unmittelbar in risikoadäquaten Aufschlägen widerspiegeln – im Gegenteil, in der Praxis werden teils sogar Anleihen mit schlechterem Rating zu niedrigeren Renditen gehandelt, wenn sie von der allgemeinen Zinsentwicklung profitieren.

Diese Entwicklung zeigt, dass Marktpreise nicht automatisch eine realistische Einschätzung des Kreditrisikos darstellen. Der Fokus auf Leitzinsen verstellt häufig den Blick auf fundamentale Schwächen der Emittenten – sei es im Unternehmens- oder Staatsbereich. Van Biljon verweist auf strukturelle Probleme wie „hartnäckiges Lohnwachstum“ und einen „angespannten Arbeitsmarkt“, die letztlich auf tieferliegende Angebotsprobleme verweisen, auf die geldpolitische Instrumente nur begrenzt wirken. Auch der Umgang mit Gilt-Verkäufen – also der Abbau von Anleihebeständen durch die Notenbank – sei unter diesen Umständen besonders sensibel, zumal „einige Spannungen \[…] am langen Ende der Kurve“ zu beobachten seien. Eine künstlich gedämpfte Zinsstrukturkurve darf also nicht als Garantie für solide Fundamentaldaten missverstanden werden.

Sophie Careford, Leiterin der internationalen Portfolio-Spezialisten bei Allspring, unterstreicht diese Einschätzung und warnt davor, vorschnelle Schlüsse aus der Zinsentwicklung zu ziehen. Ihrer Einschätzung nach wird zwar eine Zinssenkung erwartet, doch in Verbindung mit einem „vorsichtigen Tonfall seitens der Bank“, wobei Formulierungen wie „schrittweise und umsichtig“ oder „kein vorgezeichneter Kurs“ dominieren dürften. Es gehe nicht um einen grundlegenden Richtungswechsel, sondern um die Schaffung geldpolitischer Flexibilität in einem Umfeld multipler Unsicherheiten – schwachem Wachstum, hoher Kerninflation, einem fiskalisch restriktiven Umfeld und strukturellen Arbeitsmarktproblemen. Auch die Frage nach der Angemessenheit eines 2 %-Inflationsziels wird von Careford als diskussionswürdig erachtet: „So kontrovers es auch sein mag, es lohnt sich, die Allgemeingültigkeit des 2 %-Inflationsziels zu hinterfragen.“

Diese Ambivalenz der geldpolitischen Signale zeigt, warum Ratings als komplementäre Risikoeinschätzung an Bedeutung gewinnen. Wenn Marktpreise unter dem Eindruck geldpolitischer Maßnahmen verzerrt sind, können Ratings helfen, die risikoadäquate Bewertung von Emittenten und Anlageinstrumenten wieder herzustellen. Besonders in Zeiten, in denen die Märkte Zinssenkungen als Einladung zur Renditejagd verstehen, kommt es zu Fehlallokationen – gerade bei Anleihen mit schwächerer Bonität. Hier bieten Ratings eine wichtige Orientierung: Auch wenn der Marktzins fällt, bleibt das Ausfallrisiko bestehen – oder steigt sogar. Die Vorstellung, dass niedrigere Zinsen ein universelles Zeichen für Sicherheit seien, gehört daher zu den gefährlichsten Irrtümern der Kapitalanlage.

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Ratings als Schlüssel zu Private-Equity-Chancen

Von Dr. Oliver Everling | 6.August 2025

Die überarbeitete Verordnung zu europäischen Long-Term Investment Funds (ELTIF), die im Januar 2024 in Kraft getreten ist, hat einen tiefgreifenden Wandel auf den Kapitalmärkten angestoßen – insbesondere für Privatanleger. Erstmals erhalten diese nun in breiterem Maße Zugang zu Anlageformen, die zuvor nahezu ausschließlich institutionellen Investoren vorbehalten waren: Private Equity, Private Debt oder Infrastruktur. Diese Anlageformen versprechen nicht nur neue Renditechancen, sondern auch einen besseren Zugang zur wirtschaftlichen Realität jenseits börsennotierter Unternehmen. Doch wie können Privatanleger fundierte Entscheidungen treffen, wenn es um diese komplexen, nicht transparenten Märkte geht? Hier kommt dem Rating eine zentrale Rolle zu.

Ein Rating ist kein bloßes Zahlenurteil – es ist ein Instrument der Aufklärung, Einordnung und Risikotransparenz. Es schafft Orientierung in einem Markt, der durch geringe Informationsdichte, hohe Komplexität und eingeschränkte Liquidität geprägt ist. Gerade weil Private Markets nicht an der Börse gehandelt werden, fehlt die tägliche Kursfeststellung als Spiegel des Marktvertrauens. Ratings füllen diese Leerstelle, indem sie qualitative und quantitative Kriterien zu einem strukturierten Urteil verdichten. Die Ratingagentur Scope zeigt exemplarisch, wie dieser Beitrag in der Praxis aussieht: Laut Scope kamen im Jahr 2024 allein 55 neue ELTIFs auf den Markt – ein Zeichen für die Dynamik, aber auch für die Herausforderung, aus einer wachsenden Zahl von Angeboten die passenden zu identifizieren. Ratings helfen, Risiken zu klassifizieren und die Seriosität sowie die Erfolgswahrscheinlichkeit von Anlagevehikeln und Strategien einzuschätzen.

Doch die Herausforderung geht tiefer: Private-Equity-Anlagen erfordern ein grundsätzliches Verständnis des Marktes. Wie Marc Tavakolian, Head of Investor Relations bei ODDO BHF Private Assets, betont, sei die Bedeutung von Private-Equity-Investments für Anleger heute noch stark unterschätzt. „Das potenzielle Anlageuniversum auf den privaten Märkten ist größer als das an der Börse gehandelte“, so Tavakolian. Der Unterschied ist enorm: Während in Deutschland nur rund 438 börsennotierte Unternehmen existieren, die bestimmte Größenkriterien erfüllen, liegt die Zahl entsprechender privater Unternehmen bei über 16.000. Dieses Reservoir an unternehmerischem Potenzial kann durch klassische Aktienkäufe nicht erschlossen werden – hier beginnt die Relevanz von Private Equity und damit auch der Bedarf an fundierten, ratingsgestützten Entscheidungen.

Ein Rating beleuchtet nicht nur den Fonds als Vehikel, sondern auch die zugrunde liegende Strategie. Denn Private Equity ist nicht gleich Private Equity. Tavakolian verweist auf die vier typischen Phasen eines Fonds: Kapitalbeschaffung, Investmentperiode, Ausschüttungsphase und Liquidation. Jede Phase birgt andere Risiken – etwa Liquiditätsengpässe in der Anfangsphase oder Bewertungsunsicherheiten in der Investmentperiode. Hier kann ein Rating systematisch Transparenz schaffen: Welche Strategie wird verfolgt? In welchem Unternehmensstadium wird investiert? Sind es Venture-Capital-Investments in Startups ohne getestetes Geschäftsmodell? Oder Buyouts in reife Unternehmen mit stabilem Cashflow? Handelt es sich um Turnaround-Fonds, die mit hohen Risiken, aber auch entsprechendem Renditepotenzial verbunden sind?

Zentral ist dabei laut Tavakolian: „Daher geht es den Unternehmen bei der Entscheidung für Private Equity nicht allein um die Deckung des Kapitalbedarfs, der unter Umständen auch durch Kredite gedeckt werden könnte. Private-Equity-Investitionen bringen neben Geld auch Know-how, ohne dass Zinsen anfallen. Das macht sie nicht nur für die Anleger, sondern auch für die Unternehmen attraktiv.“ Genau hier schließt sich der Kreis zur Rolle des Ratings. Denn je stärker Know-how, Netzwerkqualität, Managementkompetenz und strategische Fokussierung eines Fonds in die Bewertung einfließen, desto besser können Anleger beurteilen, ob das Vehikel zu ihren Zielen und Risikoprofilen passt.

In einer Zeit, in der sich die Grenzen zwischen institutionellem und privatem Kapital auflösen und regulatorische Neuerungen wie die ELTIF-Novelle diesen Prozess beschleunigen, wird die Rolle von Ratingagenturen unverzichtbar. Sie fungieren als Brücke zwischen Transparenzanspruch und Intransparenzrealität, zwischen Anlegerinteresse und Anbieterverantwortung – und letztlich zwischen Hoffnung auf Rendite und Kontrolle des Risikos. Wer die Potenziale privater Märkte nutzen will, sollte daher Ratings nicht als Zusatzinformation betrachten, sondern als Voraussetzung für informierte Entscheidungen.

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„Too Big to Ignore“ – Wie der Handelsboom Credit Ratings herausfordert

Von Dr. Oliver Everling | 5.August 2025

Die jüngsten Quartalsergebnisse börsennotierter Unternehmen liefern, wie Dr. Christoph Bruns feststellt, ein vielsagendes Bild: „Zu den Auffälligkeiten gehören die starken Ergebnisse der Banken- und Brokerindustrie.“ Die hohe Volatilität an den Finanzmärkten, die geopolitische Verschiebungen, geldpolitische Unsicherheiten und technische Innovationen reflektiert, hat sich als lukratives Umfeld für den Handel mit Finanzprodukten erwiesen. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass auch neue Märkte wie der Handel mit Kryptowährungen an Bedeutung gewinnen – obwohl viele dieser Produkte wenig Substanz aufweisen. Trotzdem ist der Handel enorm, was Bruns mit einem bezeichnenden Zitat unterstreicht: „Ungeachtet der fehlenden Substanz hinter den meisten Kryptos vollzieht sich auf dem Feld ein enormer Handel.“ Die Antwort der Bank of America auf die Frage nach dem Engagement in diesem Markt bringt die zugrunde liegende Logik auf den Punkt: „It is too big to ignore!“

In diesem Spannungsfeld zwischen spekulativem Handelserfolg und fragwürdiger Wertbasis wird die Rolle klassischer Bewertungsinstrumente wie der Credit Ratings zunehmend problematisch. Die Bonitätsnoten, einst als stabiler Maßstab für die Bewertung von Unternehmen und Staaten gedacht, laufen Gefahr, an Relevanz zu verlieren. Denn der Markt hat sich verändert: „Klar ist jedoch, dass der Markt handelbarer Finanzprodukte größer denn je und obendrein ein Wachstumsmarkt ist.“ In einer solchen Umgebung zählen weniger langfristige Fundamentaldaten als vielmehr kurzfristige Opportunitäten. Unternehmen wie Goldman Sachs, Morgan Stanley oder BNP Paribas profitieren ebenso wie neuere Akteure: „Zu den Auffälligkeiten im Brokerage-Geschäft zählt unter anderem der kometenhafte Aufstieg des US-Anbieters Robinhood.“ Dass dieses Unternehmen heute mit einem Marktwert von fast 90 Milliarden US-Dollar die meisten europäischen Großbanken „deutlich in den Schatten“ stellt, verweist auf eine tektonische Verschiebung innerhalb der Finanzarchitektur.

Dabei bleiben die grundlegenden mentalen Muster der Finanzindustrie offenbar bestehen. Bruns erinnert an das geflügelte Wort von Citigroup-Chef Chuck Prince, der die Haltung der Branche im Vorfeld der Subprime-Krise treffend beschrieb: „Man müsse weitertanzen, solange die Musik spiele.“ Heute ist die Musik lauter denn je, und der Tanz hat globalen Charakter: „Auch chinesische, japanische und britische Wertpapierhäuser melden gute Zahlen.“ Die Beteiligung privater Anleger an den gestiegenen Handelsvolumina ist dabei nicht zu unterschätzen – ein Trend, der ebenso Chancen wie Risiken birgt.

Gerade in einem solchen Umfeld stellt sich die Frage, ob Ratings den heutigen Märkten noch gerecht werden. Wenn Werte zunehmend durch Handelsaktivität selbst und weniger durch wirtschaftliche Substanz oder Stabilität entstehen, geraten klassische Bewertungskriterien ins Hintertreffen. Die Dynamik des Marktes, wie Bruns sie schildert, lässt erkennen, dass sich die Finanzwelt in einem Zustand ständiger Bewegung befindet – während Credit Ratings in ihrer Trägheit oft nur ein Abbild der Vergangenheit zu liefern scheinen.

Angesichts dieser Entwicklungen sind auch die Ratingagenturen gefordert, ihre Analysemodelle und Bewertungsmethoden grundlegend zu überdenken. Wenn Märkte sich zunehmend durch spekulative Dynamik, technologische Innovationen und kurzfristige Kapitalströme definieren, reicht eine ausschließliche Fokussierung auf traditionelle Kennzahlen wie Verschuldungsgrad oder Zinsdeckungsquote nicht mehr aus. Vielmehr bedarf es einer erweiterten Methodik, die auch systemische Risiken aus der hohen Handelsaktivität, der Rolle privater Anleger oder der wachsenden Bedeutung von schwer bewertbaren Assets wie Kryptowährungen berücksichtigt. Nur wenn Ratingagenturen sich diesen Realitäten stellen, können ihre Urteile auch künftig verlässliche Orientierung bieten. Es wäre an der Zeit, dass sie – ganz im Sinne des Zitats der Bank of America – anerkennen: „It is too big to ignore!“

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Boom, Bust – und das Ende der Zinslogik: Dr. Polleits Report als Weckruf für Investoren

Von Dr. Oliver Everling | 2.August 2025

Seit April 2024 bietet Thorsten Polleit mit seinem neuen „Boom & Bust Report“ einen ebenso markanten wie eigenständigen Dienst für investitions- und geldpolitisch interessierte Leser an. Der Report erscheint regelmäßig als digitaler Newsletter und kombiniert ökonomische Analyse mit pointierten Kommentaren zur makroökonomischen Entwicklung, insbesondere zur Geldpolitik, zum Verhalten der Zentralbanken und zu den Konsequenzen für Märkte wie Gold, Silber, Aktien und Anleihen.

Die Darstellungsform ist geprägt von einer klaren, meinungsstarken Sprache, häufig untermalt mit historischen Grafiken, Datenreihen und Zitaten, die ökonomische Entwicklungen über Jahrzehnte hinweg sichtbar machen. Polleit bezieht sich auf klassische ökonomische Prinzipien, insbesondere der Österreichischen Schule, und tritt in klarem Gegensatz zu keynesianisch geprägter Politik und moderner Geldtheorie auf. Der Stil ist erklärend, aber nicht akademisch trocken, sondern richtet sich bewusst an engagierte Privatanleger und institutionelle Investoren, die jenseits des Mainstreams denken und handeln möchten.

Ein zentrales Thema des Reports vom Juli 2025 ist die Entkopplung zwischen Langfristzinsen und dem Goldpreis. Der Goldpreis hat sich — entgegen klassischer Annahmen — zuletzt auch bei steigenden Zinsen nach oben bewegt. Dies deutet laut Polleit auf eine wachsende Vertrauenskrise gegenüber dem Fiatgeldsystem hin. Die Zentralbanken, so seine These, manipulierten zunehmend die Kreditmärkte und verlören dabei die Kontrolle über die Zinssignale. Der Zins, traditionell als Preis des Geldes verstanden, spiegele längst nicht mehr Angebot und Nachfrage wider, sondern werde durch geldpolitische Eingriffe künstlich verzerrt.

Hier kommt der Bezug zu Credit Ratings ins Spiel: Wenn Zinsen als ökonomisches Bewertungssignal ausfallen, können auch klassische Risikoeinschätzungen – wie sie Ratings darstellen – an Aussagekraft verlieren. Wenn Kapitalmarktpreise politisch beeinflusst oder manipuliert sind, ist die Aussagekraft marktbasierter Indikatoren für Kreditrisiken zwangsläufig reduziert. Ratingagenturen, die sich auf Märkte und Modelle stützen, laufen so Gefahr, Fehlbewertungen systematisch zu wiederholen oder zu unterschätzen – insbesondere in Zeiten finanzieller Repression.

Polleit verdeutlicht diesen Zusammenhang, indem er aufzeigt, dass der Goldpreis heute eine Funktion anderer Erwartungen ist: Erwartungen eines systemischen Wandels, möglicherweise sogar eines Währungsregimewechsels. Er präsentiert zwei Szenarien: Entweder preist der Goldmarkt korrekt eine Rückkehr zu sinkenden Zinsen und weiterem Geldmengenwachstum ein (Szenario 1), oder er liegt falsch und wird sich korrigieren müssen (Szenario 2). Polleit hält das erste Szenario für wahrscheinlicher. Daraus folgt für ihn ein klarer Rat an Investoren: Gold behalten oder kaufen – nicht verkaufen.

Auch zur Rolle von Zentralbanken bezieht der Report dezidiert Stellung. Die angebliche politische Unabhängigkeit von Notenbanken sei ein Mythos, argumentiert Polleit. De facto gebe es längst eine fiskalische Dominanz: Zentralbanken agierten zunehmend als Finanzierungsinstrumente überschuldeter Staaten. Zinssenkungen und Anleihekäufe dienten dabei nicht mehr der Stabilität oder Preisniveausicherung, sondern der indirekten Staatsfinanzierung. Auch dies untergrabe die Aussagekraft von Ratings, da die Kreditwürdigkeit von Staaten in einem manipulierten Zinsumfeld kaum noch marktbasiert zu ermitteln sei.

Der „Boom & Bust Report“ positioniert sich damit als Stimme gegen die ökonomische Orthodoxie und als intellektuelles Werkzeug für Investoren, die verstehen wollen, warum Märkte nicht mehr funktionieren wie früher. Seine kritische Haltung gegenüber politischer Einflussnahme auf Märkte, seine detaillierten Auswertungen makroökonomischer Daten und seine klaren Anlageimplikationen machen ihn zu einem relevanten Angebot in einer Zeit wirtschaftlicher Verunsicherung.

Inhaltlich anspruchsvoll, stilistisch zugespitzt und mit einem klaren Zielpublikum im Blick – so lässt sich Polleits neuer Dienst zusammenfassen. Dass er dabei auch zentrale Prämissen des bestehenden Finanzsystems infrage stellt, verleiht dem Report eine Brisanz, die über klassische Anlageempfehlungen hinausgeht. Wer Credit Ratings, Zinsentwicklungen oder die Rolle von Gold im Portfolio verstehen will, erhält hier wertvolle, wenn auch provokante Impulse.

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Bonität zählt: Kurzlaufende Anleihen im Aufwind

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2025

In einem Marktumfeld, das von Unsicherheit, Volatilität und geldpolitischen Umbrüchen geprägt ist, rücken kurzlaufende Unternehmensanleihen mit hoher Bonität verstärkt in den Fokus institutioneller und privater Anleger. Besonders entscheidend für die Attraktivität dieser Anlageklasse ist dabei das Credit Rating. Es fungiert als zentrales Instrument zur Risikobewertung und Orientierung, gerade wenn es um die Auswahl von Anleihen geht, die Stabilität und Ertragspotenzial in turbulenten Zeiten vereinen sollen.

Eine aktuelle Analyse von Aberdeen Investments zeigt deutlich, wie stark die Nachfrage nach dieser Form der Kapitalanlage zuletzt gestiegen ist. Innerhalb von nur sechs Monaten beliefen sich die weltweiten Nettozuflüsse in kurzlaufende Anleihen auf 91 Milliarden GBP – ein Anstieg um 214 Prozent im Vergleich zum Vorhalbjahr. Noch klarer wird der Trend im Jahresvergleich: Während im Vorjahr noch ein Nettoabfluss von -31 Milliarden GBP zu verzeichnen war, lag der Saldo bis Ende Mai 2025 bei +120 Milliarden GBP. Dieses Interesse lässt sich nicht zuletzt auf die besonderen Eigenschaften von kurzlaufenden Anleihen mit Investment-Grade-Rating zurückführen. Sie gelten als relativ resistent gegenüber makroökonomischen Schocks und bieten eine höhere Vorhersehbarkeit der Erträge – ein entscheidender Vorteil in einem Umfeld volatiler Kapitalmärkte.

Anleihen mit Investment-Grade-Rating zeichnen sich durch solide Bilanzen, stabile Cashflows und eine vergleichsweise geringe Ausfallwahrscheinlichkeit aus. Sie sind damit eine risikoärmere Alternative zu Hochzinsanleihen, die zwar höhere Renditen versprechen, aber auch mit größerer Konjunkturabhängigkeit und Bonitätsrisiken einhergehen. Im Vergleich zu Geldmarktfonds wiederum bieten kurzlaufende IG-Anleihen oftmals attraktivere risikoadjustierte Erträge – insbesondere dann, wenn sinkende Leitzinsen die Erträge kurzfristiger Anlagen zusätzlich unter Druck setzen. Hinzu kommt, dass kurzlaufende Anleihen durch ihre geringe Duration nur in geringem Maße auf Zinsänderungen reagieren. Ihre geringe Zinssensitivität macht sie somit zu einem bevorzugten Instrument für Investoren, die ihre Portfolios gegen die Schwankungen des aktuellen Zinsumfelds absichern möchten.

Ein Blick auf die historische Entwicklung untermauert diesen Befund. Der ICE BofA 1-3 Year Global Corporate Index, ein maßgeblicher Referenzindex für diese Anlageklasse, verzeichnete in den letzten 28 Jahren lediglich ein einziges Jahr mit negativer Gesamtrendite. Diese Stabilität ist maßgeblich auf die robuste Bonitätsstruktur und das kurze Laufzeitenprofil der zugrundeliegenden Anleihen zurückzuführen. Kurzlaufende IG-Anleihen haben sich damit über Jahrzehnte hinweg als verlässlicher Baustein defensiver Portfolios bewährt.

Doch nicht nur das Credit Rating allein entscheidet über die Qualität eines Portfolios. Auch die Breite des Anlageuniversums und ein aktives Management spielen eine wesentliche Rolle. Bei Aberdeen Investments wird daher nicht nur in entwickelte Märkte investiert, sondern auch gezielt in qualitativ hochwertige Emittenten aus Asien und Schwellenländern. Besonders attraktiv erscheinen etwa Unternehmen aus dem Versorgungssektor oder dem Bereich erneuerbare Energien – zum Beispiel in Indien, wo politische Unterstützung und hohe Binnennachfrage stabile Rahmenbedingungen schaffen. Hinzu kommt die gezielte Allokation in Anleihen mit sehr kurzer Restlaufzeit (unter einem Jahr), ein Segment mit oft besonders günstigen risikoadjustierten Renditen, das in traditionellen Benchmarks nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Ein aktives Management ermöglicht es außerdem, durch flexible Allokation zusätzliche Renditepotenziale zu erschließen. So werden selektiv auch Papiere mit niedrigerem Investment-Grade-Rating (z. B. BBB), hochwertige Hochzinsanleihen und nachrangige Finanzanleihen beigemischt – vorausgesetzt, sie bieten eine attraktive Risiko-Rendite-Struktur. Gleichzeitig werden in überverkauften Marktsegmenten gezielt Chancen genutzt, während bei überzogenen Bewertungen bewusst Risiken reduziert werden. Das Ergebnis ist ein breit diversifiziertes, aktiv gemanagtes Portfolio mit einer durchschnittlichen Duration von zwei Jahren, einem Rating im Bereich A- und einer Zielvolatilität von lediglich ein bis zwei Prozent.

Für Anleger bieten kurzlaufende IG-Anleihen damit eine defensive, aber gleichzeitig renditestarke Alternative in einem zunehmend komplexen Marktumfeld. Gerade in Phasen erhöhter Unsicherheit – etwa ausgelöst durch geopolitische Spannungen, inflationäre Tendenzen oder fiskalpolitische Risiken – bietet diese Anlageform ein hohes Maß an Stabilität, ohne auf attraktive Erträge verzichten zu müssen. Wer darüber hinaus die Chancen aktiven Managements nutzt, kann seine Portfolios gezielt gegen Bonitätsrisiken absichern, Renditechancen selektiv nutzen und dabei auch auf neue Wachstumsregionen setzen. In einer Welt voller Unwägbarkeiten bleibt die Kreditwürdigkeit der Emittenten ein verlässlicher Kompass – und kurzlaufende Anleihen mit hoher Bonität ein solides Fundament für jedes ausgewogene Anleiheportfolio.

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Anleihemarkt trotzt globalen Unsicherheiten und eröffnet neue Chancen

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2025

Während geopolitische Unsicherheiten zunehmen und sich die globale Wirtschaftsordnung im Wandel befindet, zeigt sich der internationale Anleihemarkt bemerkenswert stabil. Trotz der vielfältigen Herausforderungen sind laut Michael Weidner, Geschäftsführer und Co-Head of Global Fixed Income bei Lazard Asset Management, derzeit keine Dislokationen zwischen Angebot und Nachfrage zu beobachten. Vielmehr eröffnen sich über sämtliche Regionen und Marktsegmente hinweg zahlreiche Anlagechancen – vorausgesetzt, Investoren setzen auf eine differenzierte Allokation und gezielte Titelauswahl.

Besonders attraktiv erscheinen derzeit Covered Bonds. Mit Ratings im Bereich von AA bis AAA, mittleren Laufzeiten und einer historisch gesehenen Ausfallquote von null gelten sie als solide Anlageklasse mit niedrigem Risiko. „Global haben wir in diesem Segment eine Anlageklasse mit vergleichsweise attraktiven Renditen“, so Weidner. Trotz dieser positiven Merkmale fristen Covered Bonds laut seiner Einschätzung ein Schattendasein, obwohl ihre geringe Volatilität in einem Umfeld zunehmender Unsicherheit ein klares Argument für eine stärkere Gewichtung ist.

Auch Unternehmensanleihen bieten Potenzial, wenn auch selektiv. Zwar sind die Spreads zuletzt enger geworden, doch etwa in nordeuropäischen Hochzinsmärkten lassen sich laut Weidner weiterhin interessante Chancen aus Risiko-Rendite-Sicht identifizieren. „Die Ausfallraten im europäischen High-Yield-Segment sind stabil auf niedrigem Niveau. Die meisten Emittenten verfügen über robuste Geschäftsmodelle und solide Margen“, betont der Experte.

Staatsanleihen rücken ebenfalls wieder stärker in den Fokus. Besonders Japan liefert ein Beispiel für ein attraktives Renditeprofil: „30-jährige japanische Staatsanleihen rentieren inzwischen über drei Prozent – währungsgesichert sind über fünf Prozent möglich“, erläutert Weidner. Auch einige südeuropäische Länder hätten sich beeindruckend entwickelt. Griechenland habe eine bemerkenswerte Renaissance erlebt, Spanien gelte als „Wachstumsmeister der Eurozone“ und Portugal befinde sich ebenfalls auf einem soliden Kurs.

Demgegenüber fällt die Einschätzung zu Frankreich und dem Vereinigten Königreich deutlich kritischer aus. Frankreich sieht Weidner als das „schwächste Glied in der Eurozone“, mit verhaltener Wachstumsdynamik, hohem Haushaltsdefizit und eingeschränkter politischer Handlungsfähigkeit. In Großbritannien belaste insbesondere die Dienstleistungsinflation den Markt. Trotz attraktiver Langfristrenditen von rund 5,5 Prozent seien die Nachwirkungen der Truss-Ära, die Unsicherheiten infolge des Brexits und die schwache geldpolitische Reaktionsfähigkeit der Bank of England Risikofaktoren, die eine vorsichtige Haltung nahelegen.

Auch währungsseitig sind Herausforderungen präsent. Die Schwäche des US-Dollars wirft Fragen nach seiner zukünftigen Rolle als Leitwährung auf. „Noch gibt es keine echte Alternative – weder Euro noch Renminbi können diese Rolle derzeit ausfüllen“, erklärt Weidner. Zwar profitiere der Schweizer Franken von seiner Stabilität, sei aber für großvolumige Umschichtungen zu klein. Für institutionelle Anleger bleibe daher eine aktive Steuerung der Währungsrisiken zentral, um sowohl Chancen zu nutzen als auch Risiken abzufedern.

In einem Umfeld, das von geopolitischer Komplexität und ökonomischer Divergenz geprägt ist, gewinnt aktives Management zunehmend an Bedeutung. „Wir befinden uns in einer Phase, in der sich regionale Divergenzen wieder stärker bemerkbar machen“, so Weidner. Entsprechend positioniert sich das Global Fixed Income-Team von Lazard Asset Management mit einer bewussten Allokation in Covered Bonds, selektiven Hochzinsanleihen aus Skandinavien, chancenreichen Staatsanleihen aus Japan und Südeuropa sowie einer konsequenten Steuerung von Währungsrisiken. „Der globale Anleihemarkt bietet wieder echte Chancen – und damit die Möglichkeit, durch eine geschickte Auswahl Mehrwert zu generieren“, resümiert Weidner.

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Allzeithochs, künstliche Intelligenz und die Zukunft der Credit Ratings

Von Dr. Oliver Everling | 29.Juli 2025

Wenn Aktienmärkte neue Allzeithochs erreichen, sorgt das bei vielen Investoren für Unruhe – aus Sorge, dass auf die Höhenflüge ein Absturz folgt. Gleichzeitig erleben wir mit dem Durchbruch generativer und zunehmend physischer künstlicher Intelligenz (KI) eine technologische Revolution, deren Auswirkungen die Bewertung von Unternehmensrisiken und Zukunftspotenzialen grundlegend verändern. Zwei Entwicklungen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, ergeben zusammen betrachtet ein neues Verständnis für nachhaltige Wertschöpfung – und für die Rolle von Credit Ratings.

Duncan Lamont, CFA und Head of Strategic Research bei Schroders, hat fast 100 Jahre Marktdaten analysiert und kommt zu einem klaren Schluss: „Der Markt ist häufiger auf einem Allzeithoch, als man denkt.“ In 31 % der Monate seit 1926 notierte der US-Aktienmarkt auf einem Rekordstand – und gerade dann waren die nachfolgenden Renditen im Durchschnitt höher als in anderen Marktphasen: 10,4 % über der Inflation im Vergleich zu 8,8 % sonst. Noch gravierender ist der langfristige Unterschied: Wer bei Allzeithochs ausstieg und auf bessere Einstiegszeitpunkte wartete, verlor über 90 % potenziellen Vermögenszuwachs.

Diese Erkenntnisse stellen eine Herausforderung für klassische Risikomodelle dar, wie sie etwa in Credit Ratings zur Anwendung kommen. Wenn Hochstände nicht automatisch auf eine Überhitzung oder bevorstehenden Abschwung hindeuten, dann sollten Bonitätsanalysen künftig weniger an kurzfristiger Zyklik und mehr an strukturellen Entwicklungen orientiert sein. Und genau hier kommt die zweite große Entwicklung ins Spiel: die Künstliche Intelligenz.

„KI ist keine Plattform oder ein einfaches Produktivitätswerkzeug. KI ist die Technologie hinter anderen Technologien“, schreibt Brice Prunas, Portfoliomanager des ODDO BHF Artificial Intelligence Fonds. Damit sei sie nicht nur ein mächtiger Motor des Wandels, sondern ein strukturelles Investmentthema – mit Auswirkungen auf Medizin, Wissenschaft, Industrie, Bildung und sogar die Alterspflege. Prunas zieht den Vergleich zur Stadtentwicklung: „Wenn KI Paris wäre, befinden wir uns im Zeitalter von Baron Haussmann. Das Fundament wird gelegt, doch die Gebäude werden gerade erst bezogen.“

Diese langfristige Perspektive ist entscheidend – nicht nur für Investoren, sondern auch für Ratingagenturen. Wenn Technologien wie AlphaFold (die Struktur von 200 Millionen Proteinen entschlüsselnd) den Nobelpreis ermöglichen, wenn Kapital den Produktionsfaktor Arbeit zunehmend ersetzt und KI in Drohnen, humanoiden Robotern und autonomen Fahrzeugen physisch sichtbar wird, dann verändert sich die Grundlage unternehmerischer Wertschöpfung fundamental.

Solche strukturellen Treiber müssen sich in Kreditbeurteilungen stärker niederschlagen – sowohl in Chancen als auch in Risiken. Wer etwa Unternehmen negativ bewertet, weil sie „am Zyklus-Hoch“ agieren, übersieht womöglich ihre strategische Positionierung in transformativen Märkten wie KI. Gleichzeitig verlangt die enorme Dynamik in der KI-Entwicklung von Analysten ein tieferes Verständnis von technologischen Plattformen, geopolitischen Risiken (z. B. durch China), regulatorischen Rahmenbedingungen und ethischen Herausforderungen.

„KI ist kein kurzfristiger Hype, sondern eine zivilisatorische Umwälzung“, betont Prunas. Gerade deshalb sei es auch keineswegs zu spät, in das Thema zu investieren – im Gegenteil: „In einigen Aspekten geht es jetzt erst los.“ Die Bewertungen hält er angesichts der Wachstumsperspektiven für vernünftig.

Vor diesem Hintergrund sollte auch die Bonitätsanalyse nicht in der Vergangenheit verharren. Allzeithochs sollten nicht reflexartig als Warnsignal gewertet werden, sondern differenziert im Kontext technologischer, gesellschaftlicher und makroökonomischer Megatrends betrachtet werden. KI ist ein solcher Megatrend – mit einer disruptiven Kraft, die nicht nur Märkte, sondern auch die Grundlagen der Kreditbewertung neu schreiben könnte.

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Zwischen Rauschen und Rhythmus – Warum Kondratjews Zyklen keine Sicherheit geben

Von Dr. Oliver Everling | 23.Juli 2025

Die Suche nach Orientierung an den Finanzmärkten gleicht dem Versuch, in einem Sturm mit Kompass und Sternen zu navigieren – beides hilfreich, aber keineswegs unfehlbar. Dr. Georg von Wallwitz, Gründer der Münchner Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz, wagt in seinem aktuellen Börsenblatt dennoch eine Standortbestimmung der globalen Aktienmärkte und findet Inspiration bei einem alten Bekannten der ökonomischen Zyklenforschung: Nikolai Kondratjew, dem wohl bedeutendsten Ökonomen der Sowjetzeit. Kondratjew prägte in den 1920er Jahren die Theorie der „langen Wellen“, jener angeblich über Jahrzehnte andauernden Innovations- und Wachstumszyklen, die wirtschaftliche Entwicklungen maßgeblich prägen sollen. Und tatsächlich: Wer die Geschichte der Industrialisierung, Elektrifizierung, Automobilisierung, Digitalisierung und nun Künstlichen Intelligenz betrachtet, kann der Versuchung schwer widerstehen, darin ein gewisses Muster zu erkennen.

Doch Wallwitz bleibt skeptisch gegenüber jeder Form mechanistischen Denkens in einer Welt, die nicht nur komplex, sondern stochastisch ist. „Es mag schwer sein festzustellen, wo wir im Börsenzyklus stehen. Aber es ist nicht unmöglich, die Treiber hinter den größeren Bewegungen an der Börse anzugeben“, schreibt er. Zu diesen Treibern zählt er klassische Stimmungsindikatoren wie FOMO („Fear of missing out“) oder TINA („There is no alternative“), die in Phasen der Euphorie Investoren zu blinden Käufen verleiten – genau dann, wenn Vorsicht angebracht wäre. Umgekehrt signalisiert tiefes Misstrauen und allgemeine Krisenrhetorik womöglich attraktive Einstiegsgelegenheiten.

Gleichzeitig macht Wallwitz deutlich, dass Kondratjew-Zyklen nur eine grobe Orientierung bieten können. Denn was in den langen Wellen nach Plan aussieht, ist im Tagesgeschäft der Börse oft nur ein Rauschen, das kaum zu deuten ist. „Nothing ever happens“ – so bringt er die gegenwärtige Marktlage auf den Punkt. Der dramatische Zinsanstieg seit 2022, geopolitische Spannungen, Inflation, Staatsschulden – nichts davon hat den Aktienmarkt bislang ernsthaft ins Wanken gebracht. Alles scheint eingepreist, alles scheint verkraftbar. Selbst der Aufstieg Donald Trumps oder die geopolitischen Risiken in China und der Ukraine lassen die Märkte bislang weitgehend kalt.

Vor diesem Hintergrund erscheint der derzeit laufende „KI-Zyklus“ als Teil eines größeren Kondratjew-Zyklus: eine Neuauflage der Digitalisierung, wie sie seit den 1980er Jahren begonnen hat. Seit Mitte der 2010er Jahre nimmt die Künstliche Intelligenz Fahrt auf, und Wallwitz sieht darin den Motor des aktuellen Wachstumsversprechens – oder auch nur des Marktrauschens. Zwar gibt es Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der enormen Investitionen, doch die Vision eines neuen Produktivitätswunders überstrahlt derzeit jede Skepsis.

Und dennoch bleibt das Dilemma bestehen: Die langfristigen Zyklen mögen faszinierend sein, aber sie sind für Anleger kaum handhabbar. Gerade die Kritik an Kondratjews Theorie bemängelt, dass seine Zyklen erst im Rückblick konstruiert werden und weder genaue Dauer noch Wendepunkte zuverlässig vorhersagbar sind. Der rückschauende Blick mag eine gewisse Ordnung suggerieren, doch die reale Welt der Märkte ist von Unsicherheit, Zufällen und politischer Willkür geprägt.

„Nothing ever happens. Until it does.“ Mit diesem lakonischen Schlusssatz bringt Wallwitz die Essenz seines Marktbilds auf den Punkt. Die Ruhe der Märkte ist trügerisch, denn sie birgt die Möglichkeit des plötzlichen Umschwungs. Solange dieser nicht eintritt, bleibt der Börsenalltag ein Tanz auf dem Vulkan, der mal in Optimismus, mal in Angst mündet – aber nie in Sicherheit.

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