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Ratingagenturen im Kontext der Finanzaufsicht

Von Dr. Oliver Everling | 8.Mai 2009

Das zehnjährige Jubiläum des „Everling Internet Newsletters“ fällt in eine Zeit, in der das Thema Rating hochaktuell ist, sagt Frank Schäffler, MdB und Mitglied des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages anlässlich des Empfangs in Frankfurt am Main. „Die Finanzkrise hat den Blick auf die Rolle der Ratingagenturen gelenkt. Teilweise werden sie dabei als Sündenbock missbraucht, um von eigenen Fehlern, beispielsweise im Bereich der staatlichen Aufsicht, abzulenken“, sagt Schäffler.

„Doch es stimmt, die Ratingagenturen sind in der gegenwärtigen Finanzmarktkrise mehr als nur die Überbringer der schlechten Nachrichten: Kredite von Millionen von Kreditnehmern wurden von tausenden von Finanzdienstleistern zu Paketen geschnürt, die von wenigen Investmentbanken mit den Urteilen von nur drei Ratingagenturen versehen über hunderte von Banken an tausende von institutionellen Anlegern in Fonds und anderen Finanzprodukten vertrieben wurden, die schließlich in den Depots von Millionen von Anlegern landeten.“

Die Fehleinschätzungen der führenden US-amerikanischen Agenturen, die am Nadelöhr des Verbriefungsfadens sitzen, mussten sich in dieser Kette der Abhängigkeiten zu gewaltigen Fehlallokationen von Kapital multiplizieren. „Doch gerade die Kreise,“ warnt Schäffler, „die Ratingagenturen nun zu den allein Schuldigen an der Krise machen wollen, drohen die regulatorische Keule zu schwingen und damit Marktmechanismen zu verhindern. Wir brauchen als Konsequenz der Krise gerade nicht weniger oder gar staatliches Rating, sondern wir brauchen mehr Wettbewerb im Rating-Markt, wir brauchen eine Rating-Kultur in Deutschland und in Europa.“

Schäffler: „Wir haben deshalb als Finanzausschuss des Bundestages im Verfahren des Erlasses der EU-Verordnung eine Entschließung gefasst, in der wir fordern, dass der Wettbewerb dadurch gefördert wird, dass einer überdurchschnittlichen Belastung kleinerer Ratingagenturen entgegengewirkt wird. In einzelnen Punkten wurde diese Forderung auch durchgesetzt. So enthält die Verordnung nun eine Proportionalitätsklausel, der zufolge Ratingagenturen mit weniger als 50 Beschäftigten von Verpflichtungen der Verordnung freigestellt werden können.“

In Erwägungsgrund 27 heißt es ausdrücklich, zitiert Schäffler: „Auch sollte das Auftreten neuer Akteure auf dem Markt für Ratingagenturen gefördert werden.“ Genau daran werde die Verordnung zu messen sein: führt sie wirklich zu mehr Wettbewerb oder stärkt sie vielleicht nur das bestehende Oligopol, indem die dominierenden Agenturen nun auch noch ein staatliches Gütesiegel erhalten?

„Wir hätten uns hier als liberale auf europäischer Ebene mehr Öffnung, mehr Wettbewerb gewünscht, aber mehr war angesichts des Zeitdrucks wegen der bevorstehenden Wahl und angesichts der Mehrheitsverhältnisse nicht zu erreichen. Wichtig ist es daher auch, dass wir schauen, was wir auf nationaler Ebene tun können. Unser Vorschlag, den wir auch beim Bundesparteitag diskutieren wollen,“ sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete, „ist, dass Emittenten künftig für alle Finanzinstrumente sicherstellen müssen, dass sich Anleger anhand von mindestens zwei unabhängigen Ratings beim Kauf und Verkauf über die Anlage informieren können. Ziel ist es, für den Anleger transparent zu machen, für wie wahrscheinlich es qualifizierte Analysten halten, dass ein Finanzinstrument die vom Emittenten geweckten Erwartungen erfüllt.“

„Doch wenn wir die richtigen Lehren aus der Finanzkrise ziehen wollen, dann dürfen wir den Blick auch nicht nur auf die Ratingagenturen verengen. Wir müssen unsere Finanzaufsicht in Deutschland grundlegend neu aufstellen. Die BaFin“, macht Schäffler klar, „hat in der gegenwärtigen Krise versagt. Die wirklich großen Probleme wurden nicht von ihr selbst, sondern von Dritten entdeckt.“

Die BaFin ist nach Feststellung von Schäffler durch eine kompetente, durchsetzungsfähige und politisch unabhängige Aufsichtsbehörde zu ersetzen. Ihre Zuständigkeit muss sich explizit auf alle Finanzmarktinstitutionen – und nicht nur die Banken, sondern auch Ratingagenturen usw. – erstrecken. Diese umfassende Finanzaufsicht wäre sinnvollerweise der Deutschen Bundesbank zuzuordnen. Nur die Bundesbank hat nach Beobachtung von Schäffler in Deutschland die nötige Glaubwürdigkeit, diese Aufgabe zu bewältigen. Im Vergleich zur BaFin muss die neue Finanzaufsicht auch personell besser ausgestattet werden, quantitativ und qualitativ.

„Wir müssen insgesamt das Thema Haftung wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Wer als Vorstand riskante Geschäfte eingeht,“ fordert Schäffler, „sollte bei Managementfehlern über einen Selbstbehalt bei der D & O-Versicherung beteiligt sein. Eine Bank, die strukturierte Produkte auflegt, sollte einen bestimmten Anteil auch selbst tragen und sich durch die Verbriefung nicht vollständig einer Haftung entziehen können.“

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