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Realwirtschaft unbeirrt

Von Dr. Oliver Everling | 9.März 2016

„Die seit Jahresbeginn vorherrschende Skepsis der Kapitalmärkte gegenüber der Geopolitik sowie Zweifel an der internationalen Notenbankpolitik haben sich im Februar weiter verstärkt“ konstatiert Thomas Böckelmann, Investmentchef der Euroswitch, in seiner Einschätzung der Kapitalmärkte. Insbesondere die Zweifel an der Handlungsfähigkeit der politischen Akteure angesichts der Unsicherheiten in der heutigen Zeit bleiben als Hauptproblem bestehen. Geopolitisch seien zwar erste Hoffnungszeichen erkennbar, aber Europa werde bis auf Weiteres davon abhängig bleiben, dass die Notenbank EZB weiter Zeit für die Akteure erkauft. Dementsprechend hoch seien die Markterwartungen an die nächste EZB-Entscheidung am 10. März.

Ein Lichtblick ergebe sich durch die Stabilisierung des Ölpreises dank der Debatten um potentielle Produktionskürzungen. Zwar seien sinkende Ölpreise mehrheitlich für die Wirtschaft zu begrüßen, die Kapitalmärkte befürchten jedoch negative Nebeneffekte durch denkbare Unternehmens- oder Staatspleiten. „Insbesondere der ohnehin durch das zunehmend negative Zinsniveau gedrückte Bankensektor leide unter dieser Diskussion“ kommentiert Böckelmann die momentane Entwicklung.

Spätestens seit dem G20 Gipfel in Shanghai scheinen auch die übertriebenen China-Ängste auf dem Rückzug. So sei die chinesische Administration verstärkt um Transparenz ihrer Handlungen im Bereich der Geld- und Währungspolitik bemüht. Auch die immer wieder von den Medien geschürten Krisenberichte über die chinesische Wirtschaft scheinen einer realistischeren Betrachtung gewichen.

Beruhigend verlief die Berichtssaison der Unternehmen, die für das Kalenderjahr 2015 weitestgehend abgeschlossen ist. So liegen Umsatz- und Gewinnentwicklung auf Vorjahresniveau, wenn man den Energie- und Rohstoffsektor aus der Betrachtung ausklammere. Die weltweit eingestürzten Aktienkurse nehmen bereits Gewinneinbrüche in diesem Jahr bei den Unternehmen in der Größenordnung von 15% vorweg. Knapp 20% der deutschen börsengehandelten Unternehmen notieren unterhalb des Wertes ihres bilanziellen Eigenkapitals. „Übertrieben? Wir denken ja“ äußert sich Thomas Böckelmann und fügt hinzu, dass die durch die Kursverluste ausgelösten Rücksetzer im Investitions- und Konsumverhalten aktuell noch nicht belastbar eingeschätzt werden können.

Realwirtschaftliche Konsequenzen im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung seien laut Böckelmann weiterhin nicht auszuschließen. Die von zahlreichen Volkswirten angehobene Rezessionswahrscheinlichkeit vom normalen Niveau 10% auf aktuell 20% reflektiere in erster Linie die Sorge vor derartigen Effekten. Zur Verbesserung der Stimmung fehle es insbesondere an politischen Signalen im Bereich von Strukturreformen und Infrastrukturinvestitionen.

Themen: Aktienrating | Kein Kommentar »

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