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Über die Währungsunion zur Politikunion

Von Dr. Oliver Everling | 15.Oktober 2008

Gelangt Europa über die Währungsunion zur politischen Union? Diese Frage bewegt die Diskussion um die Europäische Währungsunion praktisch von Anbeginn. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otmar Issing sprach als Präsident des Center for Financial Studies bei den CFS President Lecture zu diesem Thema in Frankfurt am Main. „Die Veranstaltung fällt in eine Zeit, in der einige absagen mussten, um anderswo die Welt zu retten“, sagte Issing und freute sich über das dennoch gefüllte Auditorium der Commerzbank.

„Wenn sich der Staub einmal gelegt haben wird, wird sich herausstellen, dass das die Grundfragen sind“, bezieht sich Issing auf das Thema der Veranstaltung. Issing erinnert an die Ursprünge Europas in der griechischen Mythologie und an die mittelalterlichen Interpretationen der Schichtungen. Der eiserne Vorhang habe die geistigen Eliten auch im Osten Europas nicht daran gehindert, an das Gedankengut Europas weiterhin anzuknüpfen. „Die Offenheit für neue Länder mindert den Anspruch Europas nicht“, sagt Issing. Die Mitglieder würden darüber bestimmen, was zu Europa zähle und zählen werde.

Noch Winston Churchill habe sich mehr dem Common Wealth als Europas verpflichtet gefühlt, unterstreicht Issing mit einem Zitat. Dies werde noch heute durch die angelsächsische Orientierung Großbritanniens deutlich. Die gemeinsame Kontrolle der Produktion von Kohle und Stahl sollte nach dem Zweiten Weltkrieg jeden Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unmöglich machen. Mit der Montanunion wurde der Schumann-Plan Realität. Um auch die weitergehenden Absichten zu befördern, schien der Weg der Wirtschaftsunion vorgezeichnet.

Europa sei nicht an einem Tag erbaut, sondern Schritt für Schritt und an konkreten Projekten entstanden. Die EWG startete 1958 und 1973 erweitert. Insbesondere die Verhandlungen mit Großbritannien spiegelten die politischen Interessen hinter den wirtschaftlichen Erwägungen. Die EWG bezeichnet Issing als das erfolgreichste Integrationsprojekt in der Geschichte der Menschheit. Für ihn stechen folgende Elemente hervor: Zusammenwachsen der Wirtschaft, statt sektoraler Integration (Beispiel Montanunion) Integration der Gesamtheit der Volkswirtschaften, nicht der Weg der supranationalen Behörde, sondern Ziel eines einheitlichen Binnenmarktes. Die Wirtschaftsbeziehungen sollten sich nicht von den Vorgängen in einem Nationalstaat unterscheiden.

Hemmnisse im Wirtschaftsverkehr zu beseitigen, Freizügigkeit von Personen, Waren und Kapitalverkehr wurden unabdingbare Erfordernisse eines einheitlichen Marktes gesehen. Alle Versuche, diese Absicht auf dem direkten Weg zu erreichen, blieben stecken – nur über die Wirtschaft wurden die maßgeblichen Fortschritte erreicht. Eine gemeinsame Währung leistet einen wichtigen Beitrag zur Identifikation der Bürger mit Europa.

Die Abschaffung nationaler Währungen überschritt den Rubikon rein wirtschaftlicher Integration, zeigt Issing auf. Die Einführung des einheitlichen Geldes kam einer Krönungszeremonie gleich. Der letzte Schritt dieser politischen Entscheidung erzwingt entsprechende Institutionen. Issing sieht in den Vereinbarungen von Maastricht den Konsens über Teilnahmebedingungen. Die monetaristische Sicht habe sich aber durch Terminvereinbarungen durchgesetzt. Die Währungsunion sei immer auch als Schrittmacher der politischen Union gesehen worden.

Die instrumentale Rolle des gemeinsamen Geldes sei auch in Bezug auf die Außenpolitik gesehen worden, da so Ausgleichszahlungen fällig würden. Für Ökonomen erschließe sich aber nicht, wie eine gemeinsame Währung eine gemeinsame Außenpolitik garantieren solle. Issing warnt davor, die Einheit der Währung mit einer politischen Mission zu überfrachten. Vom katholischen Ministerpräsidenten Portugals wurde 1995 der Euro in seiner Rolle für Europa mit Petrus verglichen, auf den Jesus seine Kirche baute . Die britische Ministerpräsidentin Margaret Thatcher habe dagegen dem Euro ein Scheitern vorausgesagt.

Vollendung des Binnenmarktes einerseits, Veränderung der institutionellen Ordnung andererseits seien die beiden Eckpfeiler. Die ökonomische Logik der Währungsunion verlange nicht die Aufgabe der Steuerhoheit. Die Regierungen seien ihren Parlamenten und diese ihren Wählern verantwortlich. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hätten die nationalen Regierungen seine Regeln anerkannt. Fraglich sei aber, unter welchen Bedingungen man sich tatsächlich zu Sanktionen durchringe. Die Währungsunion rufe Spannungen unter dem Dach eines unvollendeten europäischen Hauses aus.

Issing geht auf die Forderung nach einer europäischen Wirtschaftspolitik ein. Der EU-Rat sei mit genau den Kompetenzen ausgestattet, um Stabilität und Wachstum zu sichern. Es gehe bei der Forderung nach einer europäischen Wirtschaftspolitik eher darum, ein Gegengewicht zur Europäischen Zentralbank zu schaffen. „Die Finanzmarktkrise offenbaren einmal mehr das Bild des unvollendeten europäischen Hauses“, sagt Issing. Das Vorpreschen einzelner Länder sei aus nationaler Sicht verständlich, habe aber erhebliche „beggar my neighbor“-Implikationen. Wettbewerbsverzerrungen seien die Folge. Gleiche Wettbewerbschancen seien aber die Grundlage des Binnenmarktes.

Issing warnt vor einer Sozialunion, die Wachstum und Beschäftigung durch Rigiditäten auf den Arbeitsmärkten beschädigen würde. Ein Zusammenhang zur Währungsunion ergebe sich erst dann, wenn es um ambitionierte Finanzierungen gehen. Zu Zeiten des Kalten Krieges habe die äußere Bedrohung den inneren Zusammenhang gestärkt. Nach 1945 dominierte das Interesse, Europa eine Wiederholung des Schreckens zu ersparen. Heute stehe die Währungsunion zwischen der Europäischen Union und einer noch weitergehenden Integration.

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