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Übergabe ist beim Staffellauf entscheidend

Von Dr. Oliver Everling | 11.Januar 2016

Arnulf Manhold, Vorsitzender des eff European Finance Forum, fällt seine Einführung zur Neujahrsveranstaltung in Frankfurt am Main nicht schwer: Die Börsenturbulenzen zum Jahresanfang lassen das Interesse der Teilnehmer ganz auf die Referentin mit der Frage richten, wie es an den Märkten wohl weitergehe: Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolksswirtin und Leitung Research bei der Landesbank Hessen-Thüringen, spricht über Märkte und Trends 2016.

Manhold ergreift die Gelegenheit, um auf neue Entwicklungen im Verein zu sprechen zu kommen, wie etwa das „responsive design“, das für die Website geplant sei. Das Mitglied Dirk Müller, bekannt als „Mister DAX“, habe zudem vorgeschlagen, den Mitgliedern Redebeiträge auch per Video exklusiv zur Verfügung zu stellen.

Dr. Udo Zietsch vom Regionalvorstand in Frankfurt am Main hebt neben den engagierten Mitgliedern die Sponsoren hervor, die dem Verein seit vielen Jahren treu bleiben und viele Veranstaltungen möglich gemacht haben. Zietsch skizziert die in 2016 geplanten Vorträge und Inhalte der Veranstaltungen.

„Das Jahr 2015 war eine Woche zu kurz“, führt Traud in ihren Vortrag ein. Hätte das Jahr noch die erste Woche des Jahres 2016 umfasst, wäre der Helaba fast eine Punktlandung in ihren Prognosen gelungen. Traud geißelt das Wort „alternativlos“ in der Aktienanalyse, denn angesichts der EZB-Politik hätten viele Analysten keine Alternative mehr zu steigenden Aktienkursen gesehen.

Solchen Analysten seien die Verhältnisse in den Schwellenländern dazwischen gekommen. Bonsai – Wachstum ohne Größe – gelte auch für die Schwellenländer. Viele hätten gedacht, dass „Bonsai“ nur für die Industrieländer gelte, nicht aber auch die von Nachholbedarf gekennzeichneten Schwellenländer.

Für 2016 gibt sich Traud eher optimistisch. Unter 9.000 kaufen, über 12.000 Gewinne mitnehmen – das ist nach Traud die Faustregel für den DAX im Jahr 2016. Neue Höchststände seien nicht ausgeschlossen. „Die Weltwirtschaft bewegt sich vorwärts“, macht Traud klar. Das Negativszenario sehe einen Hindernislauf voraus, das Positivszenario einen Sprint, veranschaulicht Traud ihre Prognosen.

„Die Risiken steigen, aber sie kommen nicht unbedingt von der wirtschaftlichen Seite“, warnt Traud und zieht Analogien zu Staffelläufern. Anders als im Sport würden in der Wirtschaft die Regeln zum Teil auch von den Staffelläufern gemacht. Dazu zähle insbesondere die Notenbank. „Warum springen bei uns oder in Japan die Investitionen nicht an?“ DIe EZB habe nun schon ein zweites Programm angekündigt in der Annahme, „dass die anderen es nicht schaffen“.

Der Ankauf von Staatsanleihen ist ein Marathonlauf. „Man darf sich am Anfang nicht verausgaben.“ Die EZB hätte hier eine ruhigere Hand haben sollen, glaubt Traud. „Natürlich passiert in der ersten Runde noch nichts, aber die Investitionen werden nicht anspringen, desto mehr wird sich der Wachstumspfad nicht zeigen.“

Wenn die Fed den Staffelstab übergibt, sich die Schwellenländer und auch China stabilisieren, können die Aktienmärkte 2016 gut laufen, glaubt Traud und zeigt sich weniger irritiert vom nicht mehr so stark wachsenden Welthandel als andere, denn viele Volkswirtschaften seien nun mehr konsum- und binnenorientiert sowie stärker von Dienstleistung geprägt.

Alternde Bevölkerung, Aufgabe der Ein-Kind-Politik usw. sieht Traud als Zeichen dafür, dass China inzwischen eine fortgeschrittene Volkswirtschaft sei. „China braucht keine 8 % Wachstum mehr, um die jungen Arbeitskräfte in ihre Wirtschaft zu integrieren“, urteilt Traud. China entwickle sich vom Schwellen- zum Industrieland.

Im Vergleich zur Türkei, Slowakei, Tschechien und Polen sei das deutsche Exportwachstum nach China am stärksten gestiegen, während der Export im Vergleichszeitraum von 2009 bis 2015 heute noch deutlich unter dem Niveau vor der Finanzkrise angesiedelt ist. Trotz Russland werde Osteuropa für deutsche Exporteuere immer wichtiger.

Der stark fallende Ölpreis sei für die ölexportierenden Länder eine Katastrophe. Der Angebotsüberhang bei Rohöl sei aber voraussehbar gewesen: Die USA steigerten ihre Produktion, Irak und Iran kehrten als Anbieter zurück. „Unsere  Brent-Prognose 2016 geht in Richtung 50 US$ je Barrel“, sieht Traud voraus.

Ein robuster US-Arbeitsmarkt ebnete den Weg für die Zinswende, kommt Traud auf die Verhältnisse in den USA zu sprechen. Den Zinserhöhungspfand in den USA sieht Traud nun aber noch langsamer voraus als 2004 und noch langsamer als 1994. „Angst zu haben vor Leitzinsen von 1,5 % ist der falsche Ansatz“, urteilt Traud.

Die Fiskalpolitik bremse in den USA, wirke sich aber weitgehend neutral in der Eurozone aus. DIe europäische Konjunktur nehme fast überall Fahrt auf, nur nicht in Italien. „Italien leidet an einer gravierenden Produktivitätsschwäche.“ Das Problem in Frankreich sieht Traud schlicht darin, dass die Franzosen nicht so viel arbeiten würden, denn die Produktivität sei eigentlich hoch – im Unterschied zu den Italienern. In jedem Fall aber seien die Hochpunkte der Arbeitslosenquoten überschritten.

Die Engländer seien es satt, sich von Europa zu Tode regulieren zu lassen. „Daher gibt es in Europa Fliehkräfte“. Seit 2011 steigt die Bevölkerung in Deutschland, „und zwar nicht wegen den Flüchtlingen, die kamen erst später noch hinzu“, analysiert Traud. Die extrem starke Zuwanderung helfe den konsumorientierten Branchen. „Der Konsum wird weiter steigen, aber es ist kein Konjunkturprogramm, denn das macht man nur in der Rezession, aber wir sind nicht in der Rezession.“ Traud sieht, dass die Steuern hoch und die Zinsen niedrig sind, so dass die Umverteilung zugunsten der Flüchtlinge zurzeit noch bewältigt werden könne.

Zuwanderung sei nur dann positiv, wenn es das Wachstumspotential hebe. Dafür sei aber die Bildung und Ausbildung wichtig. „Wenn die Bildung über dem deutschen Niveau ist, ist es positiv, wenn das BIldungsniveau unter dem der Deutschen liege, lohnt sich die Zuwanderung nicht“, sagt Traud aus ökonomischer Sicht und will damit kein Urteil über die humanitären Aspekte treffen.

„Der transatlantische Zinsverbund hält“, glaubt Traud. Einen Rentencrash wie 1994 erwate die Helaba daher nicht. Den Dollar sieht Traud unter Schwankungen seitwärts. Man gaukle den Menschen vor, dass eine Währungsunion eine Fiskalunion brauche. Insbesondere brauche man keine Umverteilungsmechanismen. „Das war der erste Schritt, die Währungsunion kaputt zu machen“, warnt Traud. Eine politische Union benötige eine Fiskalunion, aber diese benötige eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Um den Fliehkräften eines Auseinanderfallens Europa entgegenzuwirken, müsse aber den Ländern Europas wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten gegeben werden.

Themen: Aktienrating, Bankenrating, Branchenrating, Länderrating | Kein Kommentar »

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