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Berufsausbildung zum Trader

Von Dr. Oliver Everling | 9.November 2015

Wer bei diesem Buch trockenes Lehrmaterial erwartet, ist auf der falschen Fährte. Das Buch von dem ehemaligen Deutsch-Banker Uwe Wagner „Die Berufsausbildung zum Trader: Die perfekte Vorbereitung für das Handeln an der EUREX“ im FinanzBuch Verlag vermittelt nicht nur Wissen für Profis, sondern auch die Begeisterung für einen Beruf, der nicht nur für professionelle Trader selbst, sondern aufgrund der wichtigen Funktionen von Finanzmärkten für die effizientere Allokation der volkswirtschaftlichen Ressouce „Kapital“ Werte für alle schafft.

Jedem, der einen Blick auf Kurscharts wirft, „fällt zweifellos auf, dass Kurse zur Trendbildung neigen. Das ist ein unbestreitbarer Fakt. Diese Neigung zur Trendbildung wird in verschiedensten Handelsstrategien ausgenutzt.“ Beim Trading geht es aber nicht nur um die das Analysieren von Kurscharts, sondern um viel mehr, wie das Buch von Wagner zeigt. Jeder Markt hat, wie Wagner schreibt, einen bzw. viele „Wirte“: Das sind diejenigen, die aus den unterschiedlichsten Gründen als Nachfrager oder Anbieter auftreten, entweder das Scharnier zur „Realwirtschaft“ darstellen, die Rohstoffe, Liquidität usw. benötigt, oder selbst Trader sind.

Wie kaum jemals zuvor hat heute praktisch jedermann die Chance, Trader zu werden. Die Voraussetzungen sind dafür so günstig wie noch nie. Bei manchem Trader fängt das Berufsleben mit dem Herunterladen einer App von ayondo auf sein Smartphone an. Ein Demokonto kann jeder ohne jedes Risiko eröffnen und dann erleben, wie sich unter realen Bedingungen seine Handelsstrategien auswirken. Schon mit geringstem Kapitaleinsatz kann dann – nach einiger Erfahrung und gegebenenfalls eben auch Ausbildung – damit bares Geld verdient werden.

Indem jedermann zum Trader werden kann, wird auch das Wissen von Menschen nutzbar gemacht, die zwar keine akademische Ausbildung genossen haben, sich aber mit bestimmten Märkten und ihren Einflussfaktoren – vielleicht aufgrund früherer Branchen- und Berufserfahrung – besonders auskennen. Ihr Wissen um Trends wird reich belohnt, wenn sie dann kaufen, wenn andere Marktteilnehmer nur noch verkaufen wollen und sich nach Käufern sehnen, wie auch umgekehrt verkaufen, wenn die Nachfrage anderer Marktteilnehmer steigt.

Das Buch richtet sich an diejenigen, die ihrem Trading eine professionelle Grundlage geben wollen. Am Ende einer solchen Ausbildung „hat der Absolvent die Möglichkeit, eine Prüfung als ‚zertifizierter Börsenhändler EUREX‘ bei der EUREX in Frankfurt a. M. abzulegen und sich damit die Voraussetzung zu schaffen, die notwendig ist, um im Terminhandel beruflich Fuß zu fassen, oder anderwärtig direkt an der Börse erfolgreich handeln zu können“, schreibt Wagner.

Aber was ist eigentlich ein Trader? Wagner zitiert dazu Ayn Rand, eine russisch-amerikanische Bestseller-Autorin jüdischer Herkunft, die sich auch zu Themen der Ökonomie, politischen Philosophie und Ethik äußerte: „Ein Trader ist das Symbol dessen, was Menschen verbindet – das moralische Symbol für Respekt vor menschlichen Wesen.“

„Wir, die wir von Werten und nicht von der Beute leben,“ so das Zitat von Rand weiter, „sind Trader – mit Leib und Seele. Ein Trader ist ein Mensch, der verdient, was er bekommt, der nie das Unverdiente gibt oder nimmt. Ein Trader bittet nicht darum, für seine Niederlagen bezahlt oder seine Fehler geliebt zu werden. Ein Trader wirft weder seinen Körper noch seine Seele weg.“ Die mystischen Parasiten, die den Trader schon immer geschmäht und verachtet, die Bettler und Plünderer dagegen verehrt haben, wissen nach Rand um den heimlichen Grund für ihren Hohn und Spott, denn „ein Trader ist die Instanz, die sie fürchten: ein gerechter Mensch“.

Das Buch wendet sich dementsprechend an diejenigen, die von der Ethik ihres Handelns überzeugt sind und darin eine Berufung sehen, selbständiger Händler zu werden. Wer zu diesem Buch greift, hat bereits Geschmack am Tading gefunden, Grundkenntnisse erworben und befasst sich nun mit der konkreten Umsetzung. Wagner liefert dazu alle Fragestellungen, mit denen sich ein selbstständiger Händler befassen sollte – insbesondere bevor er den Schritt in die Selbständigkeit wagt. So ruft Wagner den Leser auf, sich zu fragen, ob es eine wirkliche Berufsperspektive gibt oder ob reines Wunschdenken den Schritt in die Selbständigkeit begründet.

Beim ersten Druchblättern des Buches könnte man auf den Gedanken kommen, das Buch sei eigentlich falsch herum aufgebaut, denn erst soll sich der Leser über das eigene Geschäftskonzept und darüber Gedanken machen, ob er vom Trading wirklich leben kann, die persönlichen Voraussetzungen dazu mitbringt oder gegebenenfalls über einen Arbeitsplan verfügt, um das Traden zu erlernen. In späteren Kapiteln setzt sich Wagner detailliert mit Trading-Strategien auseinander. Wer also noch gar keine Vorstellung vom Trading und keine Idee von einer eigenen Trading-Strategie hat, wird in den ersten Kapiteln straucheln, und muss sich entweder erst mit den späteren Lektionen befassen und/oder erst einmal praktische Erfahrungen sammeln.

Das wichtigste Arbeitsinstrument ist nach Wagner das Denken. „Wir denken in Analogien und Kategorien.“ Die Sammlung von Erfahrungen sei an der Börse extrem wichtig. „Die Erfahrungsbildungsmaschine“ sei die Marktnachbereitung und die Nutzung aller Hilfsmittel, die man bekommen kann: Visualisierung und Imagination kommender Kursbewegungen, Erstellung eines Handelsregelwerkes usw. Wagner kommt ausführlich auf die Psychologie zu sprechen: „Verluste blockieren, verängstigen und demotivieren.“

„Finden Sie den für Sie geeigneten Markt und Handelsstil“ und „setzen Sie sich realistische Ziele“, ruft Wagner den Leser auf. Selbstdisziplin sei wie ein Muskel, der trainiert werden müsse. Ausbruchs- und Wiedereinstiegshandel, Kurzfrist-Trader, der X_Trader®, die wichtigsten Markt- und Ordertypen und deren Orderbuchpräsenz, Kenntnis der jeweiligen Marktseite, die Darstellungsmöglichkeit des Marktes als Orderbuch, die Rolle der Marketmaker usw. bestimmen die Inhalte der weiteren Kapitel.

Wann kommen die unterschiedlichen Ordertypen in den Märkten zum Einsatz? Gibt es eine optimale Einrichtung des Trading-Platzes? Wie viele Monitore werden gebraucht? Wie kann ein Trader die Spuren im Markt lesen? Wie erlernt man die Spurenerkennung und ihre profitable Umsetzung im Markt? Auf diese und viele weitere Fragen gibt Wagner in seinem Buch Antworten. Was sind Contra-Trades mit direktem Bezug zu Chartmarken? Wie sieht der Contra-Handel innerhalb einer engen Konsolidierungszone aus? Welche Eigenschaften haben Handelsprodukte wie Optionen – die Königsklasse der Trading-Instrumente – oder Futures? Sind Marktentwicklungen zuverlässig prognostizierbar?

Wagner macht keine vollmundigen Versprechungen und vermittelt keine billigen Erfolgsrezepte. Wagner verspricht in seinem Buch keine Abkürzung zu schnellem Wohlstand und Reichtum, wie es in manchen blinkenden Anzeigen auf Webseiten oder in E-Mails von Spammern zu lesen ist. Wer zu seinem Buch greift, will eine ernsthafte Perspektive für einen Beruf als Trader finden, der heute bereits mit geringen Investitionen, mit Lernbereitschaft und Ausdauer zum Erfolg führen kann.

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