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Beschwerdekammer der Europäischen Aufsichtsbehörden einig gegen Scope Ratings

Von Dr. Oliver Everling | 11.Januar 2021

Die Gemeinsame Beschwerdekammer der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA – Europäische Bankenaufsichtsbehörde, Europäische Behörde für Versicherungen und betriebliche Altersversorgung und Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) hat einstimmig beschlossen, die Beschwerde der Berliner Ratingagentur Scope Ratings GmbH (Scope) gegen die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in Bezug auf die Auslegung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen der Verordnung über Ratingagenturen (Credit Rating Agency, CRA) zurückzuweisen.

Mit einem Marktanteil von 0,62 % bezeichnet sich die Scope Group selbst als „the leading European provider of independent credit ratings„. Im Zentrum der Beschwerde von Scope Ratings stehen die 2015er-Covered-Bond-Methode der Beschwerdeführerin, ihre Anwendung im Zusammenhang mit unaufgeforderten Ratings, die die Beschwerdeführerin 2015 abgegeben hat, und die spätere Änderung dieser Methodik durch die Scope Ratings im Jahr 2016.

Am 28. August 2020 focht die Beschwerdeführerin die Entscheidung des ESMA-Aufsichtsrats vom 28. Mai 2020 an. Diese Anfechtung wurde am 4. Juni 2020 auf der Website der ESMA veröffentlicht. Hier ging es um Verstöße der Ratingagentur gegen geltendes Recht der Europäischen Union. Scope Ratings verstieß gegen die Punkte 43 von Abschnitt I, 3a und 3b von Abschnitt II und 4a von Abschnitt III von Anhang III der CRA-Verordnung. ESMA hatte eine Aufsichtsmaßnahme in Form einer öffentlichen Bekanntmachung gemäß Artikel 24 der CRA-Verordnung verabschiedet. ESMA verhängte gegen Scope Ratings eine Geldbuße gemäß Artikel 36a der CRA-Verordnung.

Die Beschwerdekammer hat einstimmig beschlossen, die Beschwerde zurückzuweisen. Insbesondere stellte die Beschwerdekammer fest, dass ESMA bei der Auslegung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen der CRA-Verordnung keine Rechtsfehler begangen hat.

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hatte Bußgelder in Höhe von 640.000 € für Fehler der Berliner Ratingagentur bei Ratings für gedeckte Schuldverschreibungen verhängt. Allein für diesen Bereich musste die Behörde 559 von insgesamt 622 Ratings zählen, die von Scope Ratings ohne Analyse gemäß der öffentlich bekannt gegebenen Methode abgegeben worden waren. Nur gut ein Zehntel dieser Ratings folgten bei Scope Ratings der angeblichen strengen Methodik. Fast 90 % der Ratings hatten bei Scope in der veröffentlichten Methodik keine Basis.

Daher musste ESMA gegen die Scope Ratings GmbH eine Geldbuße in Höhe von 640.000 € verhängen. Dies wurde durch eine öffentliche Bekanntmachung publik. In dieser wurden die Verstöße von Scope Ratings gegen die Verordnung über Ratingagenturen (CRAR) im Zusammenhang mit der systematischen Anwendung der von Scope vorgeblich verwendeten 2015 Covered Bonds Methodology (CBM) und ihrer Überarbeitung veröffentlicht.

Scope beging die Verstöße nach Feststellung der Behörde fahrlässig. Es handelt sich um Verstöße von Scope gegen die Credit Rating Agencies Regulation (CRAR). Eines der Ziele der Regulierung war es, nach der Finanzkrise 2008 wieder Vertrauen in die Arbeit der Ratingagenturen herzustellen; solches Vertrauen wurde durch die Berliner erneut verspielt. Scope hielt die von einer Ratingagentur (CRA) als professionelles Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor erwartete besondere Sorgfalt nicht ein.

Im Jahr 2015 hatte Scope eine Methodologie für Covered Bonds verabschiedet, die neben einer Analyse der Kreditstärke des Emittenten eine Untersuchung umfasste, die aus zwei weiteren Schritten bestand. Der erste dieser Schritte umfasste eine Analyse des rechtlichen Rahmens und des Abwicklungsregimes, während der zweite eine Analyse des Deckungspools der zugrunde liegenden Kredite (Deckungspool) betraf. Die Methodologie legte auch fest, dass eine gründliche Analyse des Deckungspools für alle bewerteten gedeckten Schuldverschreibungen durchgeführt werden musste. Für die Versäumnisse wurden 550.000 € fällig für die „nicht systematische Anwendung der Methodik“, so das Urteil der europäischen Aufsicht.

Anleger, die auf die konsequente Anwendung der von Scope Ratings veröffentlichten Methodik vertrauten, wurden getäuscht. ESMA musste bei näherer Untersuchung feststellen, dass Scope seine Methodologie für Covered Bonds  nicht systematisch anwandte. Die im September und November 2015 abgegebenen Ratings umfassten nicht die von der CBM vorgesehene Art der Analyse des Deckungspools. Folglich wurden 559 Ratings ohne Analyse gemäß dem öffentlich bekannt gegebenen CBM von insgesamt 622 im Rahmen des CBM 2015 erteilten Ratings abgegebenen.

Auch die Überarbeitung der Methodik war fehlerhaft, stellte die europäische Aufsichtsbehörde fest. Dafür setzte die Behörde noch eine weitere Geldbuße in Höhe von 90.000 € fest. Ferner musste ESMA bemerken, dass Scope Ratings vor einer wesentlichen Änderung seiner CBM im Jahr 2016 die ESMA nicht in Kenntnis setzte. Außerdem hatte die Berliner Ratingagentur die Interessengruppen nicht öffentlich zu den vorgeschlagenen Änderungen konsultiert, die dennoch später umgesetzt wurden – ein klarer Verstoß gegen die Regeln. Nach der EU Verordnung über Ratingagenturen hätte Scope Ratings die europäische Aufsichtsbehörde von der Ratingagentur Scope ordnungsgemäß benachrichtigen müssen.

Bei den versäumten Offenlegungen und Konsultationen ging es nicht bloß um unwesentliche Aspekte, so die Argumentation der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, der nun auch die Gemeinsame Beschwerdekammer der Europäischen Aufsichtsbehörden folgte. Die 2016 in die CBM eingeführten Änderungen waren nach übereinstimmender Ansicht wesentlich, da sie die Bedingungen veränderten, unter denen eine Bewertung des Deckungspools nach dieser Methodik durchgeführt werden musste.

ESMA hatte die grundsätzlichen Versäumnisse von Scope Ratings dargelegt und außerdem auch offengelegt, welchen Verpflichtungen die Berliner Ratingagentur im Einzelnen nicht nachgekommen war. ESMA sei über die beabsichtigten wesentlichen Änderungen der CBM nicht informiert worden. Anleger konnten sich kein zutreffendes Bild von den Überlegungen der Agentur machen.

Aus gutem Grund ist jede Ratingagentur verpflichtet, Kommentare von Interessengruppen einzuladen. Nur so können Fehler in der Methodik eher erkannt und kontrolliert werden. Scope Ratings ignorierte aber diese Interessen der Betroffenen und versäumte es, öffentlich Gelegenheit zur Kommentierung der Methodik zu geben. Da keine Konsultation erfolgte, informierte Scope Ratings weder betroffene Anleger, noch ESMA auch über Änderungen aufgrund dieser Konsultation, wie es nach der EU Verordnung über Ratingagenturen vorgeschrieben ist. Scope verstieß deshalb gegen diese Regel ebenso.

Scope kam ihren CRAR-Verpflichtungen nicht nach, stellte die Aufsichtsbehörde fest. Die Methoden müssen schlüssig gestaltet und systematisch bei der Erstellung von Ratings angewendet werden, damit die Anleger vor willkürlichen Entscheidungen einer Ratingagentur geschützt werden. Die Sicherung der Qualität der Ratingmethoden, ihre systematische Gestaltung und Anwendung sowie ihre Offenlegung sind ein zentrales Ziel der Regulierung der Ratingagenturen. Ohne objektiven Grund darf eine Ratingagentur von ihrer öffentlichen Methodik nicht abweichen.

Angesichts der Rolle von Ratingagenturen und Ratings auf den Finanzmärkten und ihrer Auswirkungen auf das Vertrauen der Anleger ist es wichtig, dass die Ratings auf soliden, zuverlässigen und transparent gestalteten Methoden basieren. Die Regelungen sieht ESMA als eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bewertungen solide und zuverlässig bleiben. Ratingagenturen müssen bei der Änderung ihrer Methoden mehrere Schritte befolgen, darunter die Offenlegung der Änderungen, die öffentliche Konsultation, die Offenlegung von Kommentaren von Interessengruppen und die Information der ESMA.

Die am 24. Mai 2011 als Ratingagentur nach der EU-Verordnung über Ratingagenturen registrierte Scope Ratings GmbH ist eine 100 % Tochter der Scope SE & Co. KGaA in Berlin und ist das Resultat einer Vielzahl von Umwandlungen, die es erschweren, die genauen Zusammenhänge zu verstehen. Die Gesellschaft ist eine nach § 267 HGB kleine Kapitalgesellschaft. Die seit mehr als einem Jahrzehnt anhaltenden Verluste werden durch Kapitalerhöhungen aufgefangen und durch wiederholte Vergrößerung des Kreises von Investoren, insbesondere nicht veröffentlichten Kommanditaktionären unterschiedlicher Interessen, weitergegeben.

Die Muttergesellschaft geht auf die durch Gesellschaftsvertrag am 24. April 2002 gebildete und im Januar 2003 mit der Firma Fondscope Analyse GmbH unter Berlin HRB 87486 eingetragene Gesellschaft zurück, die im Mai 2004 in Scope Holding GmbH umbenannt und ebenfalls (wie die Tochter) nach formwechselnden Umwandlungen schließlich im November 2016 in Scope SE &Co. KGaA erneut umbenannt wurde. Der Vorgänger FondScope AG hatte bereits 2002 Insolvenz angemeldet.

Die Bußgelder gegen Scope Ratings wurden nun von der höchsten Beschwerdekammer sowohl vom Grund, als auch von der Höhe her bestätigt. Die Beschwerdekammer ist ein gemeinsames Gremium der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA), das eingeführt wurde, um die Rechte der Parteien, die von den von den Behörden getroffenen Entscheidungen betroffen sind, wirksam zu schützen. Obwohl sein Sekretariat von den Behörden unterstützt wird und die Beschwerdekammer Teil der Behörden ist, ist sie bei ihren Entscheidungen völlig unabhängig.

In der Beschwerdekammer wirken die Spitzen der europäischen Finanzdienstleistungsaufsicht, European Banking Authority (EBA), European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) und European Securities and Markets Authority (ESMA), zusammen. Die Beschwerdekammer besteht aus sechs Mitgliedern und sechs Stellvertretern, die von EBA, ESMA und EIOPA gemäß den Bestimmungen der ESA ernannt wurden. Die Mitglieder sind Personen mit nachweislicher Berufserfahrung in den Bereichen Banken, Versicherungen, betriebliche Altersversorgung und Wertpapiermärkte oder andere Finanzdienstleistungen sowie mit der erforderlichen juristischen Expertise, um in Bezug auf die Tätigkeiten der Behörden fachkundige Rechtsberatung zu leisten. Derzeitige Mitarbeiter der zuständigen nationalen Behörden oder anderer nationaler oder an den Tätigkeiten der ESA beteiligter Institutionen der Union können nicht in die Beschwerdekammer aufgenommen werden.

Der Beschluss der europäischen Beschwerdekammer hat nichts mit weiteren Unregelmäßigkeiten zu tun, die in Deutschland schon zur Verurteilung von Scope Ratings führten.

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