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Insolvente Greensill Bank stützte sich auf „Scope Risk Solutions“

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2021

„Es kann nicht richtig sein, dass eine Ratingagentur einer Bank ein Rating erteilt und gleichzeitig bei der Analyse berät“, zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung Frank Schäffler (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages. „Das stinkt zum Himmel“, fasst der Finanzexperte die Erkenntnisse zusammen, die die Bundesregierung über eine lokale Ratingagentur in Berlin preisgeben musste. Die Berliner Agentur operiert zurzeit unter dem Namen „Scope Ratings GmbH“ und stellt sich mit einem Marktanteil von weniger als 1 % als „der führende europäische Anbieter unabhängiger Kreditratings“ dar.

Die Verantwortung der Bundesregierung für Fehlentwicklungen bei der Greensill Bank in Bremen reicht offenbar weiter, als bisher bekannt. Dies lässt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler u. a. und der Fraktion der FDP im Bundestag schließen. Die Antwort deckt neue Tatsachen zur Bankinsolvenz auf.

So wichtig die gegebenen Antworten der Bundesregierung auch sind – auf viele Fragen bleibt die Bundesregierung eine Antwort schuldig. Dies geht aus der der Bundestag-Drucksache (BT-Drucksache 19/30208) vom 1. Juni 2021 hervor: “Reaktionen der Bundesregierung auf das Rating der Greensill Bank AG”.

Die Greensill Bank hatte nicht nur einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der zugleich auch Investor und Beirat derjenigen Ratingagentur war, die ein geschöntes Rating vergab, sondern stützte sich auch noch auf “Scope Risk Solutions”, um Kreditanalysen durchzuführen.

“Der Jahresabschlussprüfer der Greensill Bank berichtete im Prüfungsbericht 2019 über die Auslagerung ‘Erstellung und laufende Überwachung von Kreditanalysen’ an die Scope Risk Solutions GmbH, eine Schwestergesellschaft der Scope Ratings GmbH und zugleich Tochterfirma der Scope SE & Co. KGaA (Scope Group)”, schreibt die Bundesregierung.

Damit ist klar, dass sich bei der Greensill Bank die Interessenkonflikte maximierten: Scope Risk Solutions GmbH “analysierte” für die Greensill Bank die Kreditrisiken, zugleich wurde aber das Ergebnis dieser Arbeit durch die Scope Ratings GmbH selbst beurteilt. Scope lieferte Risikomanagement und beurteilte anschließend, wie gut dieses ist – und das auch noch “kontrolliert” durch denselben Aufsichtsrat bzw. Beirat.

Die Prüfungsberichte der Greensill Bank sind nicht öffentlich verfügbar, so dass Gläubiger auf das Einschreiten der Bundesregierung bzw. der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) angewiesen waren, die Zugang zu den Prüfungsberichten hatten.

Ein wichtiges Warnsignal wurde übersehen: Es gab 2019 nicht nur das Rating “A-” der Scope Ratings GmbH, das veröffentlicht wurde, sondern auch ein Rating der zum Prüfungsverband deutscher Banken gehörigen GBB-Rating in Köln, das nicht veröffentlicht wurde. Zweifellos kannte der frühere Geschäftsführer des Prüfungsverbandes, Eberhard Kieser, “seine” Ratingagentur auch noch, als er im Aufsichtsrat der Greensill Bank neben dem Investor der Ratingagentur Scope Verantwortung trug. Da dieses nicht veröffentlicht wurde, liegt die Vermutung nahe, dass es für die Greensill Bank nicht vorteilhaft war, dieses Rating ebenfalls zu veröffentlichen.

“Gemäß § 10 Abs. 4 der Verordnung über die Finanzierung der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH und der Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands GmbH müssen CRR-Kreditinstitute für die Berechnung der Beiträge zur Entschädigungsreinrichtung alle auf sie bezogenen aktuellen Ratings übermitteln. Entsprechend wurden für die Beitragsberechnung 2020 der Greensill Bank die Ratings der Scope Ratings GmbH und der GBB-Rating herangezogen”, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Das Ergebnis dieser Berechnung würde u.a. Rückschlüsse auf das von GBB-Rating erteilte Rating erlauben, das der BaFin bekannt gewesen sein musste. Statt den von der Greensill Bank geleisteten Beitrag zur Entschädigungseinrichtung aber offenzulegen, stellt die Bundesregierung diese Information unter Geheimschutz.

Dass es in Deutschland 2019 kaum private Banken gab, die besser als die Greensill Bank geratet waren, darüber will die Bundesregierung keinen Überblick gehabt haben: “Eine vergleichende Auswertung öffentlich zugänglicher Ratings für alle privaten deutschen Banken wird nicht auf Monatsbasis vorgenommen.” Der Informationsgehalt des Ratings ergibt sich aber gerade aus der relativen Einordnung auf der ordinalen Ratingskala – somit zeigt sich aus der Antwort der Bundesregierung, bei der sie sich auf die Angaben der BaFin stützt, den Nutzen und die Funktionen des Ratings nicht verstanden zu haben und offenbar auch in der Aufsicht nicht einzusetzen.

So werden auch die Daten aus dem Central Repository (CEREP) der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) von der deutschen Aufsicht nicht genutzt. Das CEREP soll alle Ratingdaten bereithalten: “Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Das zentrale Register mit statistischen Daten zu Ratingagenturen (CEREP) liegt im ausschließlichen Verantwortungsbereich der ESMA und damit außerhalb des Aufsichtsbereichs der BaFin.” Die Bundesregierung vermag daher nicht einmal eine Antwort darauf zu geben, wer genau und unter welchen Aspekten die von Scope an das CEREP gelieferten Daten überhaupt prüft.

Die Bundesregierung zeigt sich auch “blank” bei den Fragen, welche Rolle die Ratings von Scope bei den Kommunen für ihre Geldanlagen bei der Greensill Bank darstellten oder ob Kommunen oder andere öffentliche Einrichtungen eine alternative Meinung bzw. ‚private Ratings‘ (gemäß CRAR) zur Greensill Bank eingeholt haben. “Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.” Mithin gab es kein Bewusstsein bei der Bundesregierung über die weitreichenden Konsequenzen der von ihr zugelassenen Zustände bei der Greensill Bank.

So fehlte es an Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutz vor Interessenkonflikten bei Scope: “Die parallele Tätigkeit von Scope Ratings GmbH und Scope Risk Solutions GmbH für die Bank bzw. die Greensill Gruppe war der BaFin seit Eingang des finalen Berichts zu der bei der Greensill Bank durchgeführten Einlagensicherungsprüfung des Prüfungsverbands deutscher Banken (PdB) am 15. Juni 2020 bekannt.”

Außerdem war die BaFin nicht den personellen Verquickungen nachgegangen: “Aus Presseartikeln erlangte die BaFin im März 2021 Kenntnis von einer Berater-Tätigkeit des Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Greensill Bank für die Scope Group.” Dass im Aufsichtsrat der Greensill Bank auch der langjährige Vorstand des Prüfungsverbands deutscher Banken saß, wird nicht einmal erwähnt.

“Rückblickend kann das Bestehen von sich aus den vorgenannten Sachverhalten möglicherweise ergebenden Interessenskonflikten zwischen der Scope Group und der Greensill Bank nicht ausgeschlossen werden”, so das Fazit der Bundesregierung, deren Regierungsmitglieder vielfältige Kontakte zu den zahlreichen Beirats- und Aufsichtsratsmitgliedern von Scope hatten.

Mehr zum Thema „Scope Ratings“ auch auf RATING.REPAIR.

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