Interesse am BdRA wächst wieder
Von Dr. Oliver Everling | 4.Mai 2016
Das Interesse am Bundesverband der Ratinganalysten (BdRA) wächst wieder, nachdem in der Finanzkrise nach dem Jahr 2010 zunächst ein Knick im Zuwachs der Mitgliederzahlen zu beobachten war. Dr. Wolfgang Biegert berichtet in der Mitgliederversammlung in Berlin über die Entwicklung des Vereins. Konkret geht es um die letzten vier Präsidiumssitzungen in 2015 und 2016. Seit Ausscheiden vno Prof. Dr. Helmut Roland im März 2015 ist Biegert kommissarischer Vorsitzender.
Ralf Garrn bestätigt die Wahrnehmung von Biegert, dass sich das Thema „Rating“ bald wieder stark wachsendem Interesse ausgesetzt sehen wird. Dies hänge mit den Bemühungen auf EU-Ebene zur Schaffung eines einheitichen, europäischen Finanzmarktes zusammen. Diese Bemühungen würden die Nachfrage nach Ratigdienstleistungen wieder deutlich steigern.
Biegert berichtet über die Verlegung des Sitzes des Vereins an den Kurfürstendamm 136 in Berlin. Reinhard Streibel ist für die Rating Cert Academy mit der Akquise von Lehrgangsteilnehmern befasst, wie auch Martin Grotz, berichtet Biegert. Der nächste Lehrgang um „Certified Rating Analyst“ ist für den Herbst 2016 geplant. Biegert lädt diie Mitglieder ein, auch von der Präsentation zur Vorstellung des Bundesverbandes Gebrauch zu machen.
Die in 2014 gestarteten BdRA-Regionalkonferenzen wurden in München, Stuttgart und Düsseldorf fortgesetzt. Weitere Konferenzen sind derzeit in Berlin, Köln und anderen zentralen Orten geplant. Die Arbeit des Vereins beschränkt sich nicht auf die Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen und Regionalkonferenzen, sondern umfasst u.a. auch die Arbeit in Arbeitskreisen. So begrüßt Biegert in der Mitgliederversammlung des BdRA in Berlin Dr. Kai Flehmig-Pichlmaier vom Deutschen Gründerverband e.V., München. Er wird federführend im BdRA den Arbeitskreis zur Gründerfinanzierung und Gründerrating vorantreiben.
Die Rating Cert Academy führt seit 2015 das modulare Fortbildungskonzept erfolgreich durch. Der modulare Aufbau schaffe mehr Flexibilität und stelle eine qualitativ hochwertige Ausbildung sicher. Inzwischen werden dise Module auch als maßgeschneiderte Inhouse-Qualifizierung nachgefragt. Aus diesen Kursen resultieren u.a. auch weitere Beitritte zum Verein, berichtet Biegert.
„Ratings kommunizieren“, „Gründungscheck und Businessplan“ swie „Internationale Rechnungslegung“ sind die Themen von zweitägigen Aufbaumodulen, die aktuell im BdRA angeboten werden. Mit Prof. Dr. Ottmar Schneck als künftigem Geschäftsführer der SRH Hochschulen GmbH sei darüber hinaus eine Online-Ratingausbildung an der SRH Mobile University geplant, kündigt Biegert an.
Dieter Pape berichtet aus dem Präsidium des Vereins über die Entwicklung der Finanzen, sowohl des Vereins als auch der GmbH. Die größten Ausgabenblöcke sind die Zeitschrift „Kredit & Rating Praxis“ wie auch die Verwaltung. Einnahmen und Ausgaben sind ausgeglichen, für das Jahr 2015 wurde ein Überschuss erwirtschaftet. Pape erläutert darüber hinaus die Budgetplanung 2016 des Vereins, in der wiederum eine Deckung aller Ausgaben durch die laufenden Einnahmen vorgesehen ist. In der Rating Cert GmbH wurde ein Jahresüberschuss erzielt. Pape dankte in diesem Zusammenhang ausdrücklich dem Geschäftsführer der Rating Cert GmbH, Holger Becker, dem durch die Gesellschafterversammlung bereits Entlastung erteilt wurde. „Es ist genügend Geld in der Kasse,“zeigt Pape anhand der Finanzübersicht, „um auch den künftigen Aufgaben gewachsen zu sein.“
Der Vorstand des Vereins wurde einstimmig entlastet. „Never change a winning team“ – so könnte man die durchweg einstimmige Wahl der Mitgliederversammlung für die Vorstandsmitglieder verstehen. Neu im Vorstand sind Norbert Langenbach, Interne Ratingverfahren, und Michael Truernit, Repräsentant Geschäftsstelle Berlin. Das Präsidium wurde wie folgt gewählt: Dr. Wolfgang Biegert, Vorsitzender, Grit Bantow, stellvertretende Vorsitzende / Schriftführerin, Ralf Garrn, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dieter Pape, Schatzmeister, Prof. Dr. Ottmar Schneck, Ratingbildung, und Prof. Dr. Werner Gleißner, Ratingverfahren und Methoden.
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Vorteile des EU Binnenmarktes besser nutzen
Von Dr. Oliver Everling | 30.April 2016
Deutschlands Position in der globalisierten Ökonomie und die Auswirkungen des Europäischen Binnenmarktes mit Deutschland als Gewinner thematisiert Prof. Dr. Gerhard Stahl von der Peking University HSBC Business School in seinem Vortrag beim 60. Monetären Workshop in Frankfurt am Main. „Der internationale Wettbewerb des 21ten Jahrhunderts ist nicht nur ein Wettbewerb zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen politischen und regulaotirschen Systemen“, so eine seiner Thesen. Prof. Dr. Diethard B. Simmert skizziert in seiner Einführung die Bedeutung des von Stahl vorgetragenen Themas.
Nach dem weltwirtschaftlichen Verflechtungsindikator von McKinsey, zitiert Stahl, gehört Deutschland zu den Ländern der Welt, dessen Wirtschaft am stärksten mit der Weltwirtschaft verflochten ist. Die im Jahr 1985 unter Präsident Delors vorgeleggte Binnenmarktinitiative mit 300 Rechtsakten hatte als wichtiges Ziel, so Stahl, die natioonalen Ökonomien zu öffnen und in einen europäiischen WIrtschaftsraum zu integrieren und Europa dadurch wettbewerbsfühiger zu machen.
Die hat es der deutschen Wirtschaft erlaubt, ihre Internationalisierung im Schutze des 1992 beschlossenen einheitlichen Europäischen Binenmarktes weiter voran zu treiben. Die verschiedenen Erweiterungen der EU nach Süden mit Spanien und Portugal und später nach Osten gingen jeweils einher mit einer zunehmenden Verflechtung. Der Binennmarkt hat zu einem Anstieg des Außenhandels geführt, sowohl innerhalb der EU und gegenüber dem Rest der Welt.
Praktisch alle empirischen Studien über die Auswirkungen des Binnenmarktes kommen zu dem Ergebnis, dass der Binnenmarkt das Wachstum in Europa gefördert hat. Alle Länder – bis auf Griechenland – konnten sich immer besser in Europa integrieren, zeigt Stahl an einer Statistik. Stahl weist auf die methodischen Schwierigkeiten hin, ein Europa „mit“ und „ohne“ Binnenmarkt hypothetisch zu vergleichen. Stahl sieht jedoch genügend Evidenz zur Stützung seiner These, dass der Binnenmarkt Deutschland in besonderem Maße genutzt habe.
Während Kredite zurückgezahlt weren müssen, fallen die kurzfristigen krisenbedingten Vorteile für Deutschland unmittelbar an, so Stahl: Der „save heaven“ Effekt mit dem Kapitalzufluss führt zu Zinsovrteilen, bis hin zu negativen Realzinsen. Der Binnenmarkt war Teil eines politischen Gesamtkonzepts, unterstreicht Stahl: Mehr Wettbewerb, mehr Solidarität, eine Stärkung der EU und mehr europäische Demokratie.
Der Binnenmarkt diente dazu, aus einer Stagnationsphase in Europa herauszukommen. Stahl seiht für die Zukunft als Herausforderung, dass die Bevölkerungsentwicklung zur weiteren Abnahme des deutschen und europäischen Einflusses beiträgt. Stahl zeigt, dass sich die ökonomische Kräfteverteilung schon bis zum Jahr 2020 deutlich verändern wird.
„China durchläuft einen politisch gesteuerten Strukturwandel“, berichtet Stahl. China habe inzwischen praktisch dasselbe Niveau an Forschungsausgaben wie die Europäische Union. Forschung udn Innovation werde durch den Aufbau staatlich geförderter Wissenschaftszentren genauso gefördert, wie durch die Unterstützung innovativer Unternehmen. China wurde vom Empfänger auslndischer Direktinvestitionen zum Investor aus ausländischen Märkten. Inzwischen gibt es immer mehr Weltmarktführer in China – Stahl gibt Sinopec, Huawei, Lenovo usw. als Beispiele.
Stahl kommt auf die Seidenstraßeninitiative Chinas seit 2013 zu sprechen. Damit werde es chinesischen Firmen erleichtert, sich auf den Weltmärkten zu positionieren. Zugleich sinke der Marktanteil ausländischer Banken in China. Ab Oktober werde der RMB in den Währungskorb der Sonderziehungsrechte des IWF aufgenommen. Der Anteil des Euro wird deutlich zurückgehen. Der Europäische Binnenmarkt sei immer noch der größte der Welt. Stahl ruft dazu auf, die Vorteile des Binnenmarktes im regulatorischen Wettbewerb besser zu nutzen.
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Risikolandschaft färbt sich rot
Von Dr. Oliver Everling | 28.April 2016
Auf dem 10. coface Kongress „Länderrisiken 2016″ werden die aktuellen Entwicklungen in der Weltwirtschaft diskutiert. Unter dem auf die Lokation des Fußballstadiums anspielenden Titel „Doppelpass: Länderrisiken reloaded“ diskutieren auf dem Podium der coface Arena in Mainz Dr. Mario Jung, Senior Regional Economist NER, Coface, und Jochen Böhm, Regional Risk Underwriting Director NER, Coface, unter der Moderation von Erich Hieronimus, Pressesprecher NER, Coface.
„Die politischen Risiken nehmen zu“, stellt Dr. Mario Jung fest. Der Senior Regional Economist bei Coface blickt dabei nicht nur auf Russland oder den Nahen Osten. „Auch in Europa wirken politische Themen auf die Wirtschaft.“ Negative Reize seien hier im Angebot, greift Jung das Thema seines Vorredners vom Vormittag auf, Prof. Dr. Roland Erben.
Die Schwäche der Emerging Markets, die Rohstoffpreise und die Risiken für die politische Stabilität sieht Jung im Mittelpunkt bei der Erörterung der derzeit größten Risiken bei schwachem Wachstum. „Inzwischen wird ja sogar die Wahl des amerikanischen Präsidenten als Risikofaktor für die Wirtschaft wahrgenommen, für mich ein neues Phänomen“, steckt Jung die Bandbreite der möglichen Faktoren ab, die man als Risiko für die Volkswirtschaften sehen kann.
Das weltwirtschaftliche Wachstum sein japanisch geworden. Für 2016 sehe die Coface ein Wachstum von 2,7 %. Insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern sei das Wachstum nicht mehr wie einst. „Wir haben gravierende strukturelle Probleme in diesen Ländern gesehen.“ In manchen Ländern kämen die Negativfaktoren gleichzeit zum Tragen. Die Wachstumsstory der Emerging Markets bleibe eingetrübt.
Für China erwartet die Coface ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in HÖhe von 6,5 %, in etwa in der Größenordnung wie die chinesische Staatsführung. Die Frage sei daher, wie „hart“ eine weiche Landung Chinas sei. „China produzierte in zwei Jahren so viel Zement wie die USA im gesamten 20. Jahrhundert“, kommt Jung auf das Problem der Überkapazitäten in China zu sprechen.
In China wwürden die Zahlungsverzögerungen zunehmen. Davon berichten immer mehr Unternehmen. Der Bausektor, Metallbereich, IT und Telekom, aber auch im Konsumsektor seien Zahlungserfahrungen von der Wachstumseintrübung gekennzeichnet.
Stärker noch als in China würden die Belastungsfaktoren aber in Brasilien wirken, so Jung und warnt: „Ordnung und Fortschritt sehen anders aus!“ Es würden in Brasilien auch in der Politik die Personen fehlen, die das Vertrauen der Bevölkerung rechtfertigen würden.
In Russland laufe ein sehr interessantes Phänomen ab. In Russland laufe ein Prozess der Importsubstitution an. Die russische Staatsführung versuche, die Importe durch eigene Produkte zu substitutieren. Landwirtschaft, Ernährung, Pharmazie würden davon in Russland profitieren. „Selbst wenn wir in einigen Branchen Aufwärtsbewegungen sehen, sind Sanktionen insgesamt nicht positiv zu sehen“, macht Jung klar.
Jung kommt auf Fluch und Segen der „harte“ Landung der Rohstoffpreise zu sprechen. In vielen Ländern sei der private Verbrauch durch den Verfall der Energiepreise angetrieben worden. Die Rohstoffexporteure seien insbesondere in den Schwell- und Entwicklungsländern zu finden, „deren Rechnung haut jetzt nicht mehr hin“, macht Jung klar. Das könne auf Exportnationen wie Deutschland zurückschlagen, denn viele Maschinen usw. wurden aus Deutschland in diese Länder exportiert.
Für Deutschland könne man sagen, dass die Schwäche der Emerging Markets in Deutschland angekommen sei. Auch der Effekt von China sei in Deutschland spürbar, denn Deutschland sei viel stärker von China abhängig als andere Länder in Europa. Deutschland habe noch eine starke Binnennachfrage und insofern nicht länger der „kranke Mann Europas“. Im vergangenen Jahr gab es für Osteuropa eher Herauf- als Herabstufungen.
Der Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union, der Zusammenhalt mit Großbritannien – oder gibt es den Brexit? – sowie Fragen nach dem Weg der USA beschäftigen die Wirtschaftsexperten. „It’s politics, stupid!“ Mit diem Spruch überschreibt Jung weitere zentrale Fragen: Steht uns „Trumponomics“ bevor? Führt die EZB weiter schweres Geschütz auf?
Mit „Mind the gap!“ kommt Jung auf den möglichen Brexit zu sprechen. Politische und Handeslbeziehungen müssen neu verhandelt werden, die Unsicherheit dämpft Investitionen, die Abwertung des Pfund, der Verlust an Wirtschaftsleistung usw. sind Risiken, die Jung nicht unterschätzt sehen will.
Jung kommentiert die Risikoweltkarte der Coface. Die Risikolandschaft sei immer deutlicher von der Farbe Rot gekennzeichnet. Nur noch wenige Staaten stehen auf „Grün“. „Leider keine positive Stimmung“, räumt Jung ein.
Hieronimus lässt die Aussagen früherer Redner auf dem Kongress „Länderrisiken“ mit einem prägnanten Video Revue passieren. Böhm berichet, wie die Krise schlagartig auch die Kreditanträge beeinflusste. Die Anfragen gingen zurück, der Aufschwung in einigen Regionen Südeuropas kehre dies nun wieder um. Erfolgreiche Reformarbeit in Spanien und Portugal seien hier zu nennen. In Griechenland stieg die Coface ganz aus. „Das hätte man sich nicht vorstellen können, dass wir einmal aus einem Land in Europa ganz aussteigen. Unsere Prognose ist, dass Griechenland wieder Probleme haben wird.“
Manche Kunden der Coface habe in Griechenland weiter Geschäfte gemacht, zum Teil aber bitteres Lehrgeld bezahlt, berichtet Böhm. Inzwischen habe die Coface für ausgewählte Unternehmen in Griechenland wieder Linien eröffnet.
Investitionen aus dem Ausland, Verwaltungsstrukturen verbessern – Jung sieht in Griechenland durchaus einige Bewegungen in die richtige Richtung. Auf jeden Fall müsse aber ein deutlicher Abbau der Arbeitslosigkeit kommen, das sei noch nicht in Sicht. Die EU gebe viel Geld hinein. Über sehr viel Anschubfinanzierung aus der EU hätten es die Osteuropäer geschafft, aus ihrem Tief herauszukommen. Hieronimus erinnert daran, wie es massiven Widerstand gegen die Maßnahmen gab.
Böhm unterstreicht, „wir schauen auf das einzelne Unternehmen“. Die Geschäftsbeziehung, die Partnerschaft, dürfe nicht zu kurz kommen. „Kann ich dem Unternehmen vertrauen?“ Das sei eine zentrale Frage, dann könne man auch entsprechende Geschäfte betreiben.
Hieronimus kommt auf Aussagen von Jean Claude-Juncker auf dem Länderrisikokongress 2011 zu sprechen, ob die Regulierung der Finanzmärkte die Risiken überschaubar und beherrschbar gemacht haben. Böhm glaubt, dass die Risiken im Finanzsektor eher aus Schwellen– und Entwicklungsländern kommen würden als aus den Industrieländern. Böhm warnt zudem vor „Konsolidierung um jeden Preis“, denn durch Investitionen in die Infrastruktur könnten durchaus noch signifikante positive Effekte gegeben werden.
Hieronimus kommt auf das Demokratiedefizit in manchen Ländern Europas sowie die Disintegration zu sprechen. Die Risiken müsse man zwar im Blick haben, aber negative Effekte auf die Wirtschaft seien zurzeit noch nicht zu erkennen. Auch konservative Regierungen hätten ein Interesse an ihrer jeweiligen Wirtschaft.
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Wohle und Wehe internationaler Verflechtung
Von Dr. Oliver Everling | 28.April 2016
In den vergangenen drei Jahren wiesen die Aktienfonds für deutsche Nebenwerte mit 12,3 Prozent eine deutlich positivere Entwicklung auf als den DAX 30 abbildende Aktienfonds, berichtet die FERI EuroRating Services aus Bad Homburg. Diese Fonds verbesserten sich um 8,6 Prozent. Die von externen Schocks in den vergangenen Monaten ausgelösten Verwerfungen an den deutschen Börsen wirkten sich nach Beobachtung der Analysten der Ratingagentur negativ auf die Aktienfonds aus.
Vom Stichtag 31.03.2016 aus betrachtet verloren die den DAX 30 abbildenden Aktienfonds über die vorangegangenen zwölf Monate um 13,8 Prozent an Wert, so berichtet die FERI. Auch Aktienfonds für deutsche Nebenwerte verloren an Wert. Mit 1,8 Prozent fiel dieser Rückgang jedoch deutlich geringer aus. Im Januar, als die stärksten Verwerfungen an den Börsen stattgefunden haben, schätzten deutsche Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage kaum schlechter ein als im Vormonat. Der ifo-Geschäftsklimaindex gab lediglich von 112,8 auf 112,5 Punkte nach. Die solide Konjunktur in Deutschland konnte die negativen Einflüsse der externen Schocks also zumindest abfedern. Damit spiegeln die Aktienfonds für deutsche Nebenwerte die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands besser wider als die den DAX 30 abbildenden Aktienfonds. Dies sind die Ergebnisse einer neuen Analyse der FERI EuroRating Services.
„Auch wenn sie ihre Zentralen in Deutschland haben, weist der Großteil der DAX 30 Unternehmen sehr komplexe internationale Verflechtungen auf und ist damit anfälliger gegen aus deutscher Perspektive externe Schocks“, sagt Christian Michel, Direktor und Leiter Funds bei der FERI EuroRating Services AG. „Auch Mid und Small Caps sind natürlich international aktiv. Dennoch verbleibt ein großer Anteil ihrer Wertschöpfungsketten und auch ihrer Märkte in Deutschland. Wer der Dynamik und den Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft vertraut und entsprechend investieren möchte, für den können deutsche Mid/Small Caps Aktienfonds eine interessante Investitionsmöglichkeit darstellen“, sagt Michel.
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Risikosteuerung verlangt Forschergeist
Von Dr. Oliver Everling | 28.April 2016
Zum Risikoidentifikation und -bewertung leitet Prof. Dr. Roland Franz Erben von der Hochschule für Technik aus Stuttgart die Teilnehmer des coface Länderrisikokongresses in Mainz dazu an, die Relevanz von Erkenntnissen der WIrtschaftspsychologie zu verstehen. Erben zeigt auf, wie Flucht, Kampf, Totstellen oder Erforschen instinktive Reaktionen auf Risiken sind, denen sich nicht nur Urmenschen, sondern auch heutige Manager gegenüber sehen. Früher seinen schnelle Reaktionen wichtig gewesen nach dem Muster: Großer Tiger – schnelle Flucht.
„Reize“ führen zu „Bewertungen“ und lösen „Reaktionen“ aus, abstrahiert Erben. Schadenseintrittswahrscheinlicht und Schadensausmaß sind zwei Dimensionen in der Risikosteuerung. Geringe Wahrscheinlichkeit und geringer Schaden lassen sich durch Standardprozesse managen. Proaktives Risikomanagement wird jedoch bei höheren Wahrscheinlichkeiten und/oder höheren möglichen Schäden verlangt.
Erben spricht von dem Risikosteuerung in den 1980er Jahren als „Risikobuchhaltung“, als mit Riisken wie mit Versicherungen umgegangen wurde. In den 1990er Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein Früherkennungssystem notwendig ist (KonTraG): Frühwarnsysteme, Aufbau einer Risikomanagementorganisation, Risikoreporting und Haftung. In den 2000er setzte sich die Modellgläubigkeit durch: Quantifizierung, Mote-Carlo-Simulation, Szenarioanalysen, wertorientiertes Risikomanagement, Compliance und ISO 31000.
Erben zeigt nun auf, wie in den Zeiten der Finanzkrise sich die Erkenntnis durchsetzte, dass man die Leistugsfähigkeit der Modelle überschätzt hatte. Chancen- und Risikomanagement, Integration von RM, CO, IR und stragegischer Planung, Krisenmanagement und ISO 22301 (BCM) wurden dadurch populär.
„Wie geht es weiter?“ Erben wirft die zentralen Fragen auf. Flexibilität, Resilienz/Antifragilität, Verhaltensorientierung und Risikokultur sind Erbens Schlagworte dazu. „Resilienz ist sicher ein großes Thema, um sich gegen die ‚Schwarzen Schwäne‘ zu schützen“, sieht Erben voraus. Erben streitet die Bedeutung der Modelle von früher nicht gänzlich ab, hält aber ein Plädoyer für eine stärker integrierte Betrachtung. „Erforschen“, dazu ruft der Professor die Teilnehmer des Kongresses in der coface Arena auf.
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Lipper Fund Awards von Thomsen Reuters
Von Dr. Oliver Everling | 27.April 2016
Die von ARTS Asset Management, einem Unternehmen der C-QUADRAT Gruppe, gemanagten Fonds stehen bei den renommierten Lipper Fund Awards 2016 vier Mal auf Rang eins. Bei den Lipper Fund Awards, die von Thomsen Reuters vergeben werden, wurde die Performance zahlreicher ARTS-Fonds über 10 Jahre in der jeweiligen Vergleichsgruppe prämiert. Wie bereits bei den €uroFund Awards im Februar 2016 haben die mittels eines technischen Handelssystems von ARTS gesteuerten Mischfonds somit erneut langfristig überzeugt.
Unter anderen hat Lipper den C-QUADRAT ARTS Total Return Global AMI A, als Top Performer in der Kategorie „Absolute Return EUR High“ auf Sicht von 10 Jahren für Europa ausgezeichnet. Der C-QUADRAT Flaggschiff-Fonds wurde bereits bei den diesjährigen €uro Fund Awards prämiert und konnte einen 2. Platz über 10 Jahre gewinnen.
Über einen Zeitraum von ebenfalls zehn Jahren hat der von ARTS gemanagte Mischfonds DWS Concept ARTS Conservative drei erste Plätze in der Kategorie „Mixed Asset EUR Conservative – Global“ erzielt. Der Fonds wird demnach nicht nur als Top-Performer unter den in Österreich zugelassenen Fonds klassifiziert, sondern auch in Deutschland und Europa. Der DWS Concept ARTS Conservative strebe einen vergleichsweise stetigen Vermögensaufbau bei moderatem Risiko an. Er erwirbt vorwiegend Anteile an Rentenfonds, wobei die Beimischung von Aktienfonds bis zu 30% die Ertragschancen steigern soll.
Das Erfolgsrezept aller ARTS Fonds sieht Fondsmanager Leo Willert, Geschäftsführer und Head of Trading von ARTS Asset Management, in dem von ihm entwickelten technischen Handelssystem. Dieses trifft Anlageentscheidungen allein aufgrund komplexer mathematischer Regeln und damit unabhängig von menschlichen Emotionen.
Leo Willert erklärt: „Das ARTS-Handelssystem ist so aufgebaut, dass mittels aktiver Steuerung der Aktienquote und einer Systematik der sofortigen Verlustbegrenzung bei Einzelpositionen versucht wird, lange Verlustphasen zu vermeiden. Dies verkürzt die notwendige Zeit für Erholungsphasen undliefert langfristig attraktive Erträge. Daher freut es mich ungemein, dass unabhängige Adressen wie Lipper feststellen, dass unsere Fonds bei einer 10-Jahres-Betrachtung an erster Stelle in ihrer jeweiligen Vergleichsgruppe stehen.“
Thomas Rieß, C-QUADRAT Gründungs- und Vorstandsmitglied, sagt: „Leo Willert hat mit seinem innovativem Handelssystem zum wiederholten Mal renommierte Awards gewonnen. Herzlichen Glückwunsch an ihn und sein Team! Besonders dürfen sich langfristig orientierte Anleger freuen, die in die ausgezeichneten Fonds von C-QUADRAT ARTS investiert haben.“
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FERI AIF-Anleiherating
Von Dr. Oliver Everling | 25.April 2016
Wer nach „AIF“ in Google sucht, findet bisher nicht viel. Gerald Christoph Dorsch von der FERI EuroRating Services AG schildert daher auf der FERI Frühjahrstagung die wesentlichen Eigenschaften dieses Finanztitels. Die Verbriefung von Alternativen Investment Fonds (daher die Abkürzung AIF) durch AIF-Anleihen ist durch eine Reieh von Eigenschaften gekennzeichnet.
Die Fremdkapitalemission erfolgt durch eine Einzweckgesellschaft in zwei Varianten, nämlich „EK-FK“ oder „FK-FK“. Bei der erten Variante (AIF-Anleihe im engeren Sinne) ist die Dividendenausschüttung eines oder mehrerer AIFs die einzige Ertragsquelle der Gesellschaft. Der Gläubiger findet Sicherheiten durch Eigentümeransprüche an das Fondsvermögen. Bei der Variante „FK-FK“ sind Zins und TIlgung unter einer oder mehreren Fremdkapitalfinanzierungen eins oderer mehrerer AIFs einzige Erttragsquelle der Gesellschaft, diese werden besichert durch Forderungen aus den Fremdkapitalfinanzierungsinstrumenten.
Das FERI AIF-Anleiherating basiert auf einer für derartige Emissionen ausgelegten Ratingmethode und beschäftigt sich mit den Vermögensgegenständen des Fonds („Asset-Based Funds“, „Debt Funds“), dem Fonds sowie der Anleihe. Ein FERI Fondsrating für den ALternativen Investment Fonds ist hierfür keine Voraussetzung.
Dorsch skizziert die Ratingmethode der FERI. Das FERI AIF-Anleiherating besteht nach seinen Worten aus mehreren Teilanalysen, deren Analyseergebnisse über eine eigene Scorecard konsistent erfasst und abschließend zu einer Bewertung zusammengefasst werden: Emittent, Vermögensgegenstände, Fonds, Anleihe und Sponsor.
Ausgangspunkt ist die Emittentenanalyse. Die Vermögengegenstände werden durch eine Investmentkriterienanalyse, Vermögensgegenstandanalyse, Portfolioanalyse, makroökonomische Analyse und Refinanzierungsrisikoanalyse durchleuchtet. Für den Fonds erfolgt eine Konstruktions- und Dokumentationsanalyse, Managementanalyse, Investmentprozessanalyse, Kostenstrukturanalyse, Leistungsverhaltensanalyse und Kapitalstrukturanalyse. Aus der Betrachtung von Emittent, Vermögensgegenstände und des Fonds resulltieren die Barmittelausflussprognosen (Zins/Tilgung, Dividenausschüttung/Rücknahme).
Die Anleihe selbst wird sowohl quantitativ als auch qualitativ analysiert: Die modellierten Cashflows der Anleihe werden den Barmittelflüssen gegenübergestellt und so ein Expected-Loss-Rating ermittelt. „Wir schauen uns auch die weichen und weniger greifbaren Themen an, wie zum Beispiel die Rolle des Treuhänders oder Sponsors“, sagt Dorsch. Wenn der Sponsor im Falle eines eingetretenen Verlustes auch höchst wahrscheinlich ausgefallen sein wird, müsse das Rating entsprechend nach unten korrigiert werden.
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Harte Risiken beim Stahl
Von Dr. Oliver Everling | 25.April 2016
Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage durch Überkapazitäten und chinesische Exportflut nd schwaches Wachstum der Weltwirtschaft sind die beiden wesentlichen Faktoren, die der Stahlbranche schwer zu schaffen machen. Die Folge aus Sicht des Kreditversicherers Coface: Die Kreditrisiken für Stahlunternehmen steigen. Vor 2018, erwartet Coface, wird der Markt nicht zur Ruhe kommen
2014 bestritt China 45 Prozent der weltweiten Stahlproduktion. Jetzt lässt der „Appetit“ nach, warnt der Krediversicherer aus Mainz: „Chinas Wirtschaft durchläuft strukturelle Veränderungen. Der Produktionssektor gibt nach, die Dienstleistungen gewinnen an Gewicht im Wachstumsmodell Die inländische Nachfrage nach Stahl hat ihren Höhepunkt erreicht und wird weiter nachgeben. Dennoch ist das Angebot noch immer viel zu hoch. China drückt seine Übermengen in den Export, was besonders Stahlproduktionsstrukturen in Europa, den USA und in den Emerging Markets durcheinander bringt.“
Coface konstatiert einen stetigen Anstieg des Kreditrisikos in der Metallproduktion weltweit. Der Sektor ist der riskanteste unter den 12 von Coface untersuchten Branchen. Die Risikobewertung steht jetzt bei „sehr hoch“ für Lateinamerika, Emerging Asien, den Nahen Osten und Westeuropa sowie bei “hoch” für Osteuropa und Nordamerika. Die Branche ist ohnehin eine der unprofitabelsten überhaupt und nimmt unter 94 Branchen Platz 90 ein. Zugleich hat sie die höchste Verschuldung. Die Preisaggressivität Chinas vor allem bei einfachem Stahl schwächt die konkurrierenden Produzenten weltweit. Die Überkapazitäten schlagen auch auf die Kreditrisiken in China durch, die Verschuldung der Unternehmen dort steigt signifikant.
Angebot und Nachfrage könnten sich 2018 wieder annähern. Die ersten Produktionseinschränkungen in China wirken sich dann allmählich aus. Die drei Branchen mit dem höchsten Stahlbedarf haben nach Ansicht der Analysten der Coface mittelfristig weiter die besten Aussichten: Die Automobilbranche hat großes Wachstumspotential in den Emerging Countries. Der Maschinenbau profitiert ebenfalls von mehreren Wachstumsfaktoren, sowohl in den aufstrebenden als auch in den Industrieländern. Und die Baubranche sollte sich wieder erholen, nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden Verstädterung in den Emerging Countries.
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Schulden bleiben das Kernproblem
Von Dr. Oliver Everling | 25.April 2016
„Auf der Herbstkonferenz 2015 erschien vielen Teilnehmern der Konferenz meine Prognose zu pessimistisch“, führt Axel Angermann, von der FERI Trust GmbH in seinen Vortrag auf der FERI Frühjahrstagung ein. Daher wolle er erst einen Rückblick nehmen und analysieren inwieweit die Prognosen von damals eingetreten seien. Der Blick auf einige Charts zu USA, Euroraum, Japan und Großbritannien zeigt schnell: Seit November gab es keine Aufwärtsrevisionen für die Industrieländer. Es bleibt bei spürbr eingetrübten Wachstumserwartungen für 2016. „Dies gilt insbesondere für die Schwellenländer“, fügt Angermann hinzu.
„Wir erleben derzeit die vierte Phase einer seit 2008 immer noch andauernden globalen Schuldenkrise, deren Schwerpunkt sich in die Schwellenländer verlagert hat“, urteilt Angermann. In der Phase 1 „rettete“ China die Weltwirtschaft (2009 – 2010), da die Nachfrage aus China den Absturz stoppte. Zugleich explodierte aber auch die Staatsverschuldung mit der Folge einer Staatsschuldenkrise im Euroraum (2011 – 2013). Von den USA und dem Euroraum floss Kapital daher nach China und die Emerging Markets.
Phase 3 der Schuldenkrise sah von Mitte 2013 bis Mitte 2015 die Umkehrung der Kapitalströme. Der sinkende Ölpreis machte die Strukturprobleme in den Emerging Markets sichtbar. Seit Mitte 2015 ist die Schuldenkrise durch negative Impulse aus China gekennzeichnet. Abwertung des Yuan, Kapitalflucht und weiter sinkender Ölpreis führt insbesondere in den Emerging Markets zu sich verschärfenden Strukturproblemen. Angermann prangert die anhaltend hohe Verschuldung in Industrie- und Schwellenländern an. Es zeigt sich ein deutlicher Anstieg der privaten Verschuldung in den Schwellenländern seit 2008.
China sieht Angermann perspektivisch immer mehr als Risikofaktor für die Weltwirtschaft. Massive Kapitalabflüsse signalisieren nach seiner Einschätzung Unischerheiten über die wirtschaftliche und politische Stabilität. China verzeichne Fehlallokationen, Überinvestitionen, Probleme mit dem Schattenbankensystem und weitere strukturelle Ungleichgewichte, die den Kapitalabfluss verstärken, mehr Druck auf die Währung ausüben und Gegenmaßnahmen von Regierung und Notenbank erzugen.
Angermann hält einen temporären Erfolg Chinas immer noch für wahrscheinlicher als eine deutliche Abwertung des Yuan (mehr als 15 bis 20 %), so dass es nur zu einer moderaten, kontrollierten Abwertung des Yuan kommt (ca. 5 %) und es bei moderatem Wachstum bleibt. Damit würden aber die Strukturprobleme prolongiert und die Unsicherheiten bleiben. Gelinge China das nicht, wäre eine Finanzkrise mit unabsehbaren Folgen und ein drastischer Wachstumseinbruch möglich mit negativer Rückkopplung auf die Schwellenländer. China setze aber immerhin den Umbau des Wachstumsmodells fort, konstatiert Angermann, denn der Dienstleistungssektor überflügelt inzwischen das Produzierende Gewerbe.
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Korrektur eines europäischen Mythos
Von Dr. Oliver Everling | 22.April 2016
In einer Zeit, in der immer weniger Menschen das Schengener Abkommen oder den Euro mit der Idee Europas gleichsetzen, sind grundsätzliche Überlegungen zur Identität Europas willkommen. So auch das Buch von Rolf Bergmeier, der sich bemüht, einen insbesondere in Deutschland und den frankophonen Ländern gepflegten Mythos aufzuräume: Karl der Große gilt als prägende Persönlichkeit der europäischen Geschichte und wird von Historikern daher auch als „Zierde des Erdkreises“ oder „Vater Europas“ gepriesen. Aber ist er diesem Ruf wirklich gerecht geworden? Dieser Frage geht Bergmeier in seinem aktuellen Buch nach.
Der studierte Philosoph und Althistoriker Rolf Bergmeier will in seinem Buch „Karl der Große. Die Korrektur eines Mythos“ (Tectum Verlag) zeigen: Karls Denken und Handeln stehen in krassem Gegensatz zu allem, was Europa Gesicht und Farbe verleiht. Rolf Bergmeier räumt auf mit falschen Idealisierungen und unterzieht den Mythos Karl der Große einer Korrektur.
Bergmeier zeichnet den Rahmen des Handelns von Karl dem Großen nach, nämlich das antike und mittelalterliche Sozialmilieu, sowie die Antike des „Mäzenatenparadies“. Zur Jahrtausendwende wurde das katholische Christentum zur Staatskirche. Bergmeier fügt das Wirken von Karl dem Großen in einen größeren Kontext, indem er auf das das verschwiegene Religionschaos im 4. Jahrhundert und die Bischöfe als neuer Führungsschicht zu sprechen kommt. „Mundus vult decipi“ – Die Welt will betrogen werden, glaubt Bergmeier und sieht dies in Bildung, Wissenschaft und bei Gelehrten in der Karl-Literatur bestätigt.
Karls Hof und sein Wirken, die „Hofakademie“, das klösterliche Schulsystem, speziell auch das Wesen der fränkischen Klosterschulen unterzieht Bergmeier einer kritischen Untersuchung mit der Folgerung, dass Klosterschulen sind keine Volkshochschulen waren, sondern Teil eines Systems zur Machtentfaltung.
Bei Bergmeier erfährt man manches über die Klosterbibliotheken, Kataloge und Verzeichnisse mittelalterlicher Klosterbibliotheken, Karls Hofbibliothek, Karolingische Buchkunst und wie die Klosterbibliotheken im Schatten antiker und arabischer Sammlungen zu sehen sind, wie auch Karolingische Architektur im Vergleich zu den Errungenschaften der Antike.
Der Leser erfährt, wie die fränkische Wirtschaftsverfassung von Karls feudalem Gesellschaftsmodell einer feudalen Ordnung geprägt war mit einem großen Gewinner, nämlich der Kirche. Der Analphabet reformiert Sprache und Schrift und fördert Latein als Kirchensprache, Herrschaftssprache und Ausschlusssprache.
„Wie in aller Welt kann man Karl zum ‚Vater Europas‘ machen?“ Das fragt Bergmeier und zieht die „Ehre“ des Karlspreises in Frage. Bergmeier bestreitet nicht die große Bedeutung von Karl dem Großen für die Geschichte Europas. Karl der Große habe zweifellos seinen Anteil an der Errichtung eines christlichen Staates, denn „Karls Handwerk ist der Krieg“, wie Bergmeier schreibt. Ohne Karl dem Großen würde die katholische Kirche möglicherweise nicht heute noch über eines der größten Vermögen der Welt verfügen und hätte sich das Christentum sicherlich nicht derart in Europa verbreitet, so dass es noch heute Quell religiöser, politischer und sozialer Auseinandersetzungen bleibt.
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