Interne Bankenratings bleiben im Dunkeln
Von Dr. Oliver Everling | 29.September 2015
Die Nachrichten über die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen mittelständichen Unternehmen und Banken sind widersprüchlich. So wuredde beispielsweise auf dem TSI Congress in Berlin von Bankenvertretern berichtet, dass Unternehmen mit ihren Banken sehr zufrieden seien, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfeldes, des erweiterten Spektrums verfügbarer Finanzinstrumente und des harten Wettbewerbs zwischen den Banken in einem Markt, der im internationalen Vergleich als „over-banked“ bezeichnet wird. Schon auf dem TSI Congress in Berlin wurde aber die Frage laut, warum sich diese Zufriedenheit nicht auch in der Praxis zeige.
Zum zweiten Mal hat der Verband „Die KMU-Berater – Bundesverband freier Berater e. V.“ kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nach der Zusammenarbeit mit ihren Banken befragt. Das Ergebnis: Die Mittelständler bewerten die Kommunikation mit den Banken durchweg negativer als 2014. Die KMU-Berater und ihr Kooperationspartner die Deutsche Unternehmerbörse DUB.de sehen darin eine Gefahr für die zukünftige Kreditversorgung des Mittelstandes. Alle Ergebnisse des „KMU-Banken-Barometer 2015″ ergänzt um Handlungsimpulse für Mittelständler stehen im Internet unter http://www.banken-barometer-2015.kmu-berater.de.
„In den zehn Standardfragen des KMU-Banken-Barometer haben sich die Beurteilungen der Unternehmen achtmal verschlechtert, während nur zwei Fragen marginal besser beantwortet wurden. Das heißt, die Zusammenarbeit hat sich aus Sicht der Unternehmen in der gesamten Breite nicht verbessert. Das gilt vor allem für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern“ fasst der Verbandsvorsitzende Thomas Thier die Ergebnisse zusammen.
Nicolas Rädecke von der Deutschen Unternehmerbörse DUB.de weist auf die besonders schlecht beurteilten Themen hin: „Die Unternehmen beklagen mangelnde Informationen zum Rating und über Förderkredite, die zu hohen Forderungen nach Sicherheiten durch die Banken und sind mit der eigenen Unabhängigkeit von ihren Banken nicht zufrieden“.
Brisanz bekommen diese Ergebnisse vor dem Hintergrund der sich künftig verschlechternden Ertragsentwicklung bei nahezu allen Kreditinstituten. „Die Verbände der Sparkassen und Genossenschaftsbanken warnen genauso wie die Bundesbank vor einem Rückgang der Zinserträge um bis zu 20 bis 30 Prozent in den kommenden zwei Jahren“ sagt Carl-Dietrich Sander, Leiter der Fachgruppe Finanzierung-Rating der KMU-Berater. Dieser Rückgang könne nicht durch höhere Provisionserträge ausgeglichen werden. Gleichzeitig stiegen die Kosten vor allem durch die Regulierung weiter. Das bedeutet laut Sander, dass die Institute im Kreditgeschäft noch zurückhaltender werden müssen, da sie sich keine Kreditrisiken oder gar -ausfälle mehr leisten könnten.
In diesem Umfeld kommt nach den Beratungserfahrungen der KMU-Berater einer guten Kommunikation zwischen Unternehmen und Banken eine ganz besondere Bedeutung zu. „Die Ergebnisse des KMU-Banken-Barometer 2015 verstehen wir daher als Aufforderung an Unternehmen wie Kreditinstitute, ihre Kommunikation zu überdenken und zu verbessern“ betont Thier. Banken und Sparkassen sollten aus Sicht der KMU-Berater offener über ihre Bewertung von Unternehmens-entwicklung, Rating und Sicherheiten sprechen, damit die Unternehmen die Sichtweisen ihrer Kreditgeber realistisch einschätzen können. Die Unternehmen fordern die KMU-Berater auf, offensiver und aktueller mit Informationen und Zukunftserwartungen auf ihre Kreditgeber zuzugehen. „Wir brauchen mehr Engagement von beiden Seiten, sonst werden wir in den kommenden Jahren das Wort ‚Kreditklemme‘ von vielen Unternehmen hören“ ist Sander überzeugt.
Das KMU-Banken-Barometer umfasste zehn Standard- und zwei Sonderfragen. Die Umfrage konnte vom 18. Mai bis 26. Juli 2015 beantwortet werden. Davon haben wie im Vorjahr 155 Unternehmer/innen Gebrauch gemacht.
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Emotionen regieren die Anleger
Von Dr. Oliver Everling | 29.September 2015
Natixis Global Asset Management (Natixis), veröffentlicht die Ergebnisse einer weltweiten Studie, durchgeführt im Zeitraum von Juni bis Juli 2015 unter 2400 Beratern aus den USA, aus Asien und Europa (davon 150 Finanzberater aus Deutschland). Kurzfristige Marktgeschehnisse, die 2015 wiederholt auftraten, wie etwa die Schulden Griechenlands oder die Turbulenzen an den chinesischen Aktienmärkten, trafen die Investoren besonders schwer und verleiteten sie zu emotionalen Anlageentscheidungen.
Auf die Frage nach den größten Fehlern von Privatanlegern, hoben die Finanzberater weltweit die folgenden hervor: Emotionale Investment-Entscheidungen, Fokussierung auf kurzfristige Marktschwankungen, fehlende Finanzpläne, zu hohe Cash-Positionen und fehlende konkrete Ertragsziele.
Eine Herausforderung für Berater sieht aufgrund der Studienergebnisse Natixis darin, Anlegern zu helfen, ihre Emotionen zu bewältigen. Insgesamt 77 % der deutschen Berater bezeichneten die Emotionalität vieler Privatanleger als größten Fehler, der den Anlageerfolg gefährden könnte. Weiterhin finden 65 % der Berater, dass Anleger häufig zu stark auf kurzfristige Marktbewegungen reagierten und 57 % von ihnen keinen konkreten Finanzplan hätten.
Die Mehrheit (73 %) der deutschen Finanzberater hält es daher für entscheidend, berichtet Natixis, irrationale Anlageentscheidungen ihrer Kunden durch Beratung zu verhindern. Auf internationaler Ebene waren sogar 82 % der Befragten dieser Ansicht.
„Mehr denn je ist es entscheidend geworden, Anlegern zu helfen, ihre Emotionen zu bewältigen und an Marktturbulenzen vorbeizusteuern. Finanzberater müssen über die Beratung hinaus ihre Kunden kompetent coachen und sie dabei unterstützen, die Komplexität der Märkte besser zu verstehen und sich in Richtung eines langfristig durchdachten Anlageverhaltens zu bewegen“, erklärt Jörg Knaf, Executive Managing Director bei Natixis Global Asset Management für die DACH-Länder.
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Wachstum oder Nachhaltigkeit
Von Dr. Oliver Everling | 28.September 2015
Die de-facto-Insolvenz der USA sowie das Entstehen einer weltweiten Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit liegen zeitlich eng beeinander. 1971 brach der amerikanische Präsident Richard Nixon das Versprechen der USA, US-Dollar jederzeit in einem festen Verhältnis in Gold umzutauschen. 1972 veröffentlichte der 1968 gegründete Club of Rome seine berühmte Studie „Grenzen des Wachstums“. Eigentlich wäre es schon damals an der Zeit gewesen, jedes unreflektierte, rein nominales Wachtumsziel ad acta zu legen.
Doch es kam anders: Fast könnte man sagen, dass die Blütezeit rein quantitativer Wachstumsziele erst bevorstand, denn die Koppelung von Fiat-Geld mit einem staatlichen Zwangsgeldmonopol, das im Falle der USA der von privaten Banken getragenen Federal Reserve Bank of New Yorik zugewiesen wurde, machte erst die ungebremste Verfolgung rein quantitativer Wachstumsziele und die Illusion möglich, damit Reichtum anzuhäufen und weltweit Wohlstand zu schaffen. Indem Geld von jeder realen Gegebenheit abgekoppelt wird, wie damals von der Nixon-Administration entschieden, wird es beliebig vermehrbar.
Diese beliebige Vermehrbarkeit in Kombination von Monopolisierung durch den Staat führte zu den Segnungen des Wohlfahrtsstaates, denn ungedecktes Geld ermöglichte es Sozialpolitikern, ihren Wählern praktisch beliebige Versprechen zu machen und deren Erfüllung mit Schuldenaufnahmen zu finanzieren. Die rasch anwachsende Verschuldung in den meisten Industriestaaten war die Folge.
Für Staaten galten in Bezug auf ihre Verschuldung scheinbar andere Regeln als für Privatleute: Staatsschulden können von Generation zu Generation vererbt werden. Unter der Kontrolle des Staates kann eine Zentralbank stets auch weiteres Geld drucken, um dem Staat und seinen Gebietskörperschaften zu erlauben, allen zwingend fälligen Zahlungsverpflichtungen stets vollständig und rechtzeitig nachzukommen.
Die Wirkungen des Zinses und insbesondere des Zinseszinses wurden dabei jedoch unterschätzt. Wenn ein Staat auch nur wenige Prozentpunkte Zinsen verspricht, häuft sich die Staatsschuld über Jahrzehnte hinweg in Relation zum Sozialprodukt zu ungeheuren Größenordnungen an. Der Effekt ist in der Literatur als „Josephspfennig“ bekannt und wurde schon 1772 von dem Moralphilosophen und Ökonomen Richard Price beschrieben.
Die Versuchung des Wohlfahrtsstaates wie auch machtsüchtiger Politiker bis hin zu Diktatoren, durch steigende Verschuldung in ungedecktem Fiat-Geld kurzfristig ihre Ziele zu erreichen, ist letztlich die wichtigste Triebfeder für das verfehlte Wachstumsziel, dem die meisten Industrienationen noch heute nachstreben. Wer beispielsweise einen realen Zins von mehr als 7 % verspricht, muss binnen 10 Jahren sein Vermögen mindestens verdoppeln, um seinen Zahlungsverpflichtungen aus endfälligen Zinsen und Tilgung nachkommen zu können. In den 1970er Jahren waren solche Zinssätze normal und wurden nur real durch die Inflationsrate geschmälert.
Wer seinen Staat mit mehr oder weniger hohen Zinsen fremd finanziert und seine Schulden nicht aus erhöhten Steuern und Abgaben, Privatisierungen oder sonstigen Einnahmen zu reduzieren vermag, ist auf (nominales) Wachstum angewiesen: Nur dieses verspricht, den von den Finanzmärkten geforderten Kapitaldienst erbringen zu können. Entsprechend einseitig sind Politiker auf Wachstumsziele fixiert – insbesondere in den USA, wenn dieses System auch noch von privilegierten Banken getragen wird, die aus dem staatlichen Zwangsgeldmonopol Nutzen ziehen. So wuchs die Machtstellung der USA durch ein vorgeblich „liberales“ System privater Banken, das in Wirklichkeit von staatlicher Monopolisierung und Zwangsmaßnahmen profitiert.
Prof. Dr. Gerhard Scherhorn kommt in seinem Buch „Nachhaltigkeit oder Wachstum“ auf die Eigenschaften einer expontentiellen Wachstumskurve zu sprechen. Das Buch erschien 2015 im Altius Verlag (ISBN 978-3-932483-35-6). „So ist die Wachstumskurve des Sozialprodukts bei nachhaltiger Entwicklung S-förmig (logistisch), nach den Anfgangs-Phasen eines znächst flachen und dann steileren Wachstums flacht sie auf hohem Niveau wieder ab. Sie folgt dann nicht der Zinseszinslogik wie die Exponentialkurve, sondern den Gesetzen der Natur, denen auch unser eigenes Wachstum unterworfen ist.“
Das Buch von Scherhorn gliedert sich in sieben Kapitel: „Rechner oder soziales Wesen“, „Die Bedürfnisse: maßlos oder verantworlich“, „Der Konsum: kaufen oder leben“, „Die Arbeit: Job oder Tätigkeit“, „Die Gemeingüter: ausbeuten oder kultivieren“ und „Die Politik in der Wachstumsfalle“.
Die Verfolgung nominaler Wachstumsziele ist ebenso am Ende wie die ausufernde Verschuldung des Wohlfahrtsstaates. Die Idee staatlichen Schuldenmachens, heutigen Generationen zu einem besseren Leben zu verhelfen, verkehrt sich durch den aus dem Zinseszinseffekt resultierenden Wachstumsdruck und dem damit verbundenen Raubbau an natürlichen Ressourcen in ihr Gegenteil.
Das Buch von Gerhard Scherhorn erscheint aus Anlass seines 80. Geburtstags, wie Prof. Dr. Johannes Hoffmann in seinem Vorwort schreibt. Beide Professoren verbindet ihre Arbeit am so genannten „Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden“, dessen Kriteriologie in den Bewertungsdimensionen Natur-, Sozial- und Kulturverträglichkeit heute zum Standard für Nachhaltigkeitsratings geworden ist und von führenden Ratingagenturen wie der oekom research AG in München angewandt wird.
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Erste Start-up Garage der comdirect
Von Dr. Oliver Everling | 28.September 2015
Die Commerzbank-Tochter comdirect präsentiert sich als erste Bank in Deutschland mit einer Start-up Garage. Ab sofort können sich Gründer und ihre Start-ups direkt mit ihrer Idee bei comdirect bewerben und diese dann mit Unterstützung von comdirect entwickeln und verproben. Damit sollen Innovationen im Finanzbereich gefördert und weiter vorangebracht werden.
„Bei comdirect fühlen wir uns unserem Grundsatz ‚Bank. Neu gedacht‘ verpflichtet“, so Holger Hohrein, der für Innovation und Start-ups zuständige Vorstand bei comdirect. „Unsere Start-up Garage ist eine Werkstatt in der Ideen entwickelt werden, die Kunden einen echten Mehrwert bringen und vielleicht auch das Potenzial haben, die Zukunft des Banking zu verändern. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser gemeinsame Weg richtig ist. Denn genau wie Fintech Start-ups sind wir bereits durch und durch digital. Wir verstehen uns als ‚Enabler‘ und Partner.“
Mit der Start-up Garage hat sich comdirect bewusst für einen anderen Ansatz, als ihn beispielsweise klassische Inkubatoren verfolgen, entschieden. „Wir sind da, wo die Idee entsteht“, betont Hohrein. So ist für die Teilnahme an der Start-up Garage zunächst nur eine grundsätzliche Idee notwendig, die Entwicklung und Verprobung eines Prototypen erfolgt dann während der Projektphase. „Das Ganze soll als Ideen- und Technologiebeschleuniger funktionieren. Ziel ist die Entwicklung neuer, innovativer Lösungen für oder im Umfeld von Banking. Gleichzeitig wollen wir damit auch die hiesige Fintech-Szene fördern und ermuntern. Sonst droht Deutschland einmal mehr ins
Hintertreffen zu geraten“, so Hohrein.
Interessierte Fintech-Start-ups und Gründer können sich mit ihrer Idee oder ihrem Konzept jetzt direkt bei comdirect melden und in einem Pitch vorstellen. „Wir planen in der Garage zunächst ein bis drei Start-ups zu unterstützen“, erläutert Hohrein. Die Bewerber erhalten die notwendige Infrastruktur und Ressourcen: Dazu gehören
beispielsweise kostenlose Arbeitsräume in Hamburg oder auch Soft- und Hardware. Zudem gibt es eine monatliche finanzielle Unterstützung.
Die drei wichtigsten Assets, die comdirect mitbringt, sind der Zugang zu drei Millionen Kunden, Know-how und Austausch von und mit Experten der Bank sowie eine große Offenheit gegenüber neuen Ideen.
Mehr dazu auf www.comdirect-garage.de sowie am 16. bis 18. Oktober 2015 im Seminar „Neue Gründerkultur für Deutschland“ der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit auf der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach – im Kreis von Existenzgründern, Gründungsexperten und Investoren wird der neue Ansatz der comdirect diskutiert.
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Der große Neustart
Von Dr. Oliver Everling | 27.September 2015
Wenn Amerikaner ein Buch schreiben, scheint es fast schon eine Selbstverständlichkeit, dass dieses im Erfolgsfall in viele Sprachen übersetzt wird. Wenn sich Autoren aus Europa zu Wort melden, ist die Wegstrecke hin zur Übersetzung in andere Sprachen viel länger, obwohl doch gerade Europa mehr Sprachenvielfalt und mehr Amtssprachen aufzuweisen hat, als der ganzen amerikanische Kontinent. Besonders weit ist der Weg für diejenigen Autoren, die sich in ihren Argumentationen nicht durchweg US-amerikanischen Interessen beugen wollen. Umso beachtlicher daher der Erfolg, wenn es trotz dieser wiedrigen Umstände einem Autoren gelingt, die Aufmerksamkeit auch internationaler Verlage zu gewinnen.
Einer von diesen Autoren ist der Niederländer Willem Middelkoop, WIrtschafts- und Finanzjournalist und Gründer des Commodity Discovery Fund. Ähnlich wie Max Otte gelang es Middelkoop schon vor der Finanzkrise, Gründe für ihr mögliches Entstehen zu identifizieren und in seinem Buch „Als de dollar valt“ 2007 zu veröffentlichen. Mit „The Big Reset“ erweckte er Anfang 2014 international Aufmerksamkeit. Dank Übersetzung durch Wolfgang Wurbs liegt der Titel nun als „Der große Neustart“ im Wiley-VCH Verlag auch in deutscher Sprache vor. Das deutsche Buch kommentiert auch schon jüngste Entwicklungen aus 2015.
Der Untertitel „Kriege um Gold und die Zukunft des globalen Finanzssystems“ zielt insofern über das Ziel des Buches hinaus, als dass es hier keineswegs um militärische Auseinandersetzungen geht. Allenfalls könnte man wenigen Sätzen über den Irak-Krieg der USA und die Motivation der USA, den Irak wieder zur Fakturierung der Öllieferungen in US-Dollar zu zwingen, in dieser Richtung deuten.
Die Hauptkapitel des Buches von Middelkoop tragen eher lehrbuchartigen Titel wie „Die Geschichte des Geldes“ und „Die Geschichte des Dollar“ – Themen, an denen sich auch schon viele andere Autoren, insbesondere nach der Finanzkrise, versucht haben. Middelkoop gelingt es besonders geschickt, in die eigentlich trockene Materie einen Spannungsbogen zu bringen und zum Beispiel die Neugier des Lesers durch das ganze Buch hindurch zu wecken und zu bewahren, indem er seinen Textabschnitten jeweils eine konkrete Frage voranstellt, die er ebenso konkret beantwortet. Der stete Erkenntnisgewinn motiviert zum Weiterlesen.
Wer das Buch von Middelkoop liest, dem wird klar, dass die USA eigentlich schon 1971 insolvent waren. Die einseitige Aufgabe des Goldstandards durch Richard Nixon war eine mit euphemistischen Erklärungen getarnte Bankrotterklärung, die nur eine schnelle Einigung mit Saudi-Arabien das von den USA dominierte Weltwährungssystem überleben ließ. Indem sich Saudi-Arabien auf Betreiben von Kissinger darauf verpflichten ließ, gemeinsam mit anderen OPEC-Staaten ihr Öl nur gegen US-Dollar zu verkaufen, war praktisch der Rest der Welt gezwungen, sich weiterhin US-Dollar zu beschaffen – koste es, was es wolle. So blieben an einigen Sonntagen Mitte der 1970er Jahre auch in Deutschland die Autos stehen. So gesehen waren diese Ereignisse in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern der Preis dafür, dem US-Dollar auch dann noch seine Vormachtstellung zu garantieren, als jede Golddeckung verlorengegangen war.
Offenbar ist auch Middelkoop davon überzeugt, dass die Zentralbanken schon lange zur systematischen Verschleierung der Implikationen ihrer Politik übergegangen sind. Da eine „Operation Anheizen der Druckerpresse“ das „Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wert des Geldes gefährden würde, hat sich die Fed für den den wahren Sachverhalt verschleiernden Ausdruck ‚Quantitative Easing‘ (quantitative Lockerung) entschieden. Nur einer von einer Million Menschen würde verstehen,“ schreibt Middelkoop, „dass QE damit zu tun hat, dass mehr Geld gedruckt wird.“
Das Buch von Middelkoop gibt manche außerhalb der Niederlande weniger bekannte Geschichte preis, wie zum Beispiel die über die Entstehung der Zentralbanken – den „Alchemisten unserer Zeit“, wie Middelkoop formuliert. „Um all die verschiedenen Münzen bewerten zu können und gleichzeitig die Abhängigkeit der Stadt von einer Reihe von Geldwechslern zu verringern, wurde im Jahr 1609 die Amsterdamer Wisselbank gegründet. Sie wir häufig als die erste Zentralbank bezeichnet.“ Das historische Beispiel vereinfacht es dem Leser zu verstehen, was noch heute in den Zentralbanken der Welt passiert.
Die Abkoppelung der Geldschöpfung von knappen Gütern wie dem Gold hat letztlich zu unserem Schuldenplanet geführt. Middelkoop verwöhnt den Leser mit zahlreichen Statistiken, die die insbesondere nach der Finanzkrise gestiegene Verschuldung belegen. Middelkoop zeigt auf, wie die Federal Reserve Bank of New York im Interesse ihrer Anteilseigner agiert, nämlich Banken, die von der Monopolisierung und staatlichen Sanktionierung des US-Dollars als allein gültigem gesetzlichen Zahlungsmittel profitieren.
Im Unterschied zu anderen, stärker von der Österreichischen Schule, Ludwig von Mises usw. beeinflussten Autoren klammert sich Middelkoop jedoch an das Gold, kritisiert zwar die Abhängigkeit der Zentralbanken von der Politik usw., kommt aber nicht darauf zu sprechen, dass jedes staatliche Zwangsgeldmonopol, gleich, ob an Gold gebunden oder als fiktives Fiat-Geld, zu mehr oder weniger korrupten Machenschaften, Fehlsteuerungen und dysfunktionalen Allokationen volkswirtschaftlicher Ressourcen führen dürfte.
Middelkoop geht ausführlich darauf ein, wie auch die Gold- und Silbermärkte staatlich manipuliert werden. Er widmet dem „Krieg gegen das Gold“ ein ganzes Kapitel. Zu welchen Maßnahmen Regierungen fähig sind, wenn der Wert ihres Geldes in Gefahr gerät, zeigt die Geschichte der USA: „Um aus der Depression herauszukommen, legte Präsident Roosevelt einen Plan zur Erholung der Wirtschaft vor, der ‚New Deal‘ genannt wurde. Der Plan enthielt einen ‚Gold Reserve Act‘, der Ende Januar 1934 vom Kongress verabschiedet wurde und die US-Regierung ermächtigte, das gesamte Gold der Fed zu konfiszieren und unter die Kontrolle des US_Finanzministeriums zu stellen“, berichtet Middelkoop und zeigt außerdem die drakonischen Strafen auf, die bei privatem Besitz von Gold und Silber verhängt wurden.
Das letzte Kapitel des Buches von Middelkoop enthält den eigentlichen „Neustart“ und wie dieser konkret aussehen könnte. Hier lässt er insbesondere die chinesische Perspektive zu Wort kommen, z.B. Zhou Ming, General Manager der Edelmetallabteilung bei ICBC: „Da der Status des US-Dollar als internationale Reservewährung erschüttert ist, muss eine neue globale Währungsstruktur konzipiert werden.“
Zu diesem Denken kam es nach Worten von Middelkoop, „nachdem die chinesische Ratingagentur Dagong im Jahr 2013 die US-Schuldtitel von A auf A- herabstufte“. China habe gerade mit Dutzenden Ländern eine sehr große Zahl an Vereinbarungen über Währungs-Swaps abgeschlossen, was dazu führen werde, dass die Verwendung des US-Dollar im Handel Chinas abnehme. Auch der ehemalige Fed-Chef Paul Volker habe auf dem jährlichen Treffen des Bretton-Woods-Komitees vorgeschlagen, auf einen Neustart des Währungsystems hinzuarbeiten.
Middelkoop macht plausibel, warum die Chinesen ihre US-Dollarreserven nutzen, um gezielt den Goldpreis niedrig zu halten und bei niedrigen Goldpreisen ihre Goldbestände kräftig zu erhöhen. Nur so könne es China gelingen, anteilsmäßig mit anderen Reservewährungen gleichzuziehen. Nur mit höheren Goldreserven sei China gegen das Endspiel der USA geschützt, sich durch Inflation und Abwertung von ihrer Schuldenlast zu befreien und eine Vermögensverschiebung zu Lasten Chinas und anderer Länder zu erreichen.
Das flüssig übersetzte Buch von Middelkoop liest sich schnell, zumal der Leser keine Langeweile befürchten muss. Geschickt streut Middelkoop auch manche spannende Geschichte ein, wie etwa die über das Goldlager unter der Federal Reserve Bank of New York, das über einen Tunnel direkt mit dem Tresor des von den Chinesen erworbenen ehemaligen Gebäudes von J.P. Morgan verbunden sei.
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Kein Finanzmarkt ohne Ethik
Von Dr. Oliver Everling | 25.September 2015
Ein Finanzmarkt ohne Ethik funktioniert auf Dauer nicht. Das ist ein Ergebnis des Positionspapiers der DVFA „Ethik und Integrität im Finanzmarkt“, das am Freitag in Frankfurt am Main vorgestellt wurde. „Die Finanzbranche beruht auf ethischen Voraussetzungen“, sagte Professor Dr. Julian Nida-Rümelin, Leiter des Ethik-Panels der DVFA, das das Grundsatzpapier erarbeitet hat. „Ein System lediglich auf Regeln, Sanktionen und Kontrollen zu stützen, wird scheitern. Es bedarf darüber hinaus eines gemeinsamen, professionellen Ethos’.“
„Mehr Ethik zu wagen, ist der Alternativ-Entwurf zu verordneter kleinteiliger, hochkomplexer Kontrolle der Branche“, sagte Ingo R. Mainert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des DVFA e.V. Die Förderung einer Kultur der Integrität der Finanzmarktakteure ergänze sinnvolle Regulierung und sei fest in der Tradition des Berufsverbandes verankert.
Finanzinstitute und Finanzaufsicht hätten auf die jüngste weltweite Krise vor allem mit höherer Komplexität, mehr Compliance und immer detaillierteren Regelwerken reagiert. Dies drohe, die Organisationen zu lähmen und die Branche zu ersticken.
Die DVFA als Berufsverband der Investment Professionals in Deutschland stellt sich der Herausforderung, im Spannungsfeld zwischen verantwortungsloser Gewinnmaximierung und hektischer Überregulierung, ethisch fundierte Orientierung anzubieten. Sie zielt ab auf die intrinsische Motivation jedes einzelnen Finanzmarktteilnehmers.
„Das Positionspapier der DVFA bietet klare Erkenntnisse und praktikable Lösungen“, sagte Ralf Frank, Generalsekretär der DVFA. Urteilskraft, Entscheidungsstärke, Besonnenheit und Integrität seien die vier im Rückgriff auf die antike Philosophie entwickelten Tugenden, auf denen das Verhalten der Investment Professionals fußen sollte.
Julian Nida-Rümelin, einer der renommiertesten zeitgenössischen philosophischen Denker Deutschlands, präsentierte die Positionen des fünfzehnköpfigen DVFA-Ethikpanels aus Wissenschaftlern, Bankern, Juristen und Kommunikationsexperten und stellte sich Fragen von Medienvertretern.
Ethik im Finanzmarkt in eine Form operationale Form zu gießen, gelang erstmals der in den 1990er Jahren gegründeten oekom research AG aus München, einer auf Nachhaltigkeitsbeurteilungen unter ethischen, ökologischen und sozialen Aspekten spezialisierten Ratingagentur in München. Inzwischen werden dort mehr als 70 Mitarbeiter beschäftigt.
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Scope Rating für WealthCap Immobilien Nordamerika 16
Von Dr. Oliver Everling | 25.September 2015
Scope Ratings bewertet den geschlossenen Alternativen Investmentfonds WealthCap Immobilien Nordamerika 16 mit einem Rating von a (AIF). Der Anleger beteiligt sich über den in US-Dollar notierten Publikums-AIF an einer Büroimmobilie in Mountain View, Kalifornien im Silicon Valley in den USA. Die 2002 erbaute Immobilie verfügt über ca. 5.200 qm Mietfläche verteilt über drei Stockwerke, berichtet die Agentur aus Berlin.
Der Kaufpreis der Immobilie betrug nach Erhebung von Scope 64,4 Mio. USD. Das gesamte Fondsvolumen liegt bei 72,9 Mio. USD, welches auf Ebene der Objektgesellschaft in Höhe von 32,0 Mio. USD durch vorrangiges Fremdkapital finanziert wird. Die Fremdkapitalquote liegt somit auf dieser Ebene bei rund 48,4%. Über das Agio von 5,0% hinausgehende Weichkosten fallen in Höhe von 12,0% bezogen auf das Eigenkapital an.
Die von Scope erwartete Rendite liegt bei 6,36% p. a. mit einer abwärts gerichteten Volatilität von 3,11%. Das Rendite-Risiko-Verhältnis des Fonds lässt nach Einschätzung von Scope eine gute risiko-adjustierte Rendite erwarten.
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Neue Rolle von Verbriefungen in Deutschland und Europa
Von Dr. Oliver Everling | 24.September 2015
Dr. Michael Meister vom Bundesministerium der Finanzen spricht den „riesen Weg“ auf dem TSI Congress 2015 an, den die Finanzbranche im Thema Verbriefung zruückgelegt habe. Im Closing Forum der TSIVeranstaltung geht es um die neue Rolle von Verbriefungen in Deutschland und Euroopa. Meister stellt die Frage an den Anfang seiner Ausführungen, wie man den Menschen erklären kann, „warum wir das tun, was will man eigentlich verbriefen, wer verantwortet den Inhalt?“
Bei der Regulierung müsse beachtet werden, ob alle Beteiligten auch wirklich verstehen, was sie tun. Die Finanzkrise habe gezeigt, dass schließlich Leute Verantwortung trugen, die nicht verstanden hattten, was sie tun. Standardisierung und Beurteilung der Qualität seien hier wichtig. In diesem Zusammenhang spricht Meister die Ratings an.
Beim Thema Automobil ist Meister nicht zum Lachen aufgelegt. „Der Vertrauensschaden muss möglichst klein gehalten werden. Bei allen Anstrengungen, unseren Standort zu verbessern, müssen wir aufpassen, nicht an anderer Stelle Schaden anzurichten.“ Es komme auf die richtige Balance an. Das müsse auch in der Regulierung berücksichtigt werden. Welche Wirkungen ein Vertrauensschaden für eine Branche haben kann, zeigte nicht zuletzt auch die Finanzkrise.
Transparenz, Standardisierung und Qualität sind aus Sicht von Meister die drei Eckpunkte der Regulierung, denn es nutze z.B. nichts, Transparenz zu schaffen, wenn bei Verbriefungen keine Qualität „drinstecke“. Meister geht es um klare Rechtsbegriffe und darum, dass es nicht zu Erschwernissen kommt. Dem Anleger zu signalisieren, wo er eine belastbare Anlagemöglichkeit findet, sieht Meister als eine zentrale Aufgabenstellung. Meister erinnert daran, schon seit Jahren bessere Qualitätsstandards gefordert zu haben, nun stehe man kurz davor.
Philipp Otto, Herausgeber der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, spricht die Haftung der Originatoren an. Lars Hille von der DZ BANK sieht Haftung nur für technische Dinge, nicht aber für den Inhalt, denn die tpyischen Investitionsrisiken seien von den Investoren zu tragen.
Nobert Mayer von der BMW Group unterstreicht, dass „ABS ideal zu unserem Geschäft passt“. Mit der Haftung des Originators habe BMW Group weniger Probleme, da man ohnehin die Positionen auf der Bilanz habe. Mit Blick auf die aktuelle Krise bei VW spricht Mayer andere Beispiele an, wie Toyota, wo ABS-Strukturen in Turbulenzen kamen. BMW habe das Verrtrauen wieder in den Markt bringen können. Die Stresstests hätten funktioniert und der Markt habe das ausgehalten. „Vermutlich wird es auch diesmal zu Stress kommen, aber wir werden sehen, wie gut der Markt das aushält.“
Hans-Jörg Mast von Claas spriicht von der Saisonalität seines Geschäfts. Erntethematik auf der Nordhalbkugel, Duration drei Jahre – das seien Aspekte für kurzfristige Finanzierung durch ABS. Heutzutage habe man eine Sondersituation, Mast sieht Claas bei einer Rückkehr zu „normalen Finanzierungsstrukturen“ gut positioniert. Für Mast wäre es der Idealfall, wenn Strukturen gefunden werden könnten, die die Eigenmittelunterlegung entbehrlich machen. Darüber könne aber lange diskutiert werden.
Meister warnt vor den Fristentransformationen, jedoch dürften diese auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Transparenz und Rechtssicherheit in einem Europa mit sehr vielen verschiedenen Institutionen, die an ihren eigenen Regeln „basteln“, sieht Meister in der Verantwortung der Europäischen Kommission, denn diese sei in der Lage, in Europa einheitliches Recht zu setzen.
„WIr brauchen keine Förderung“, sagt Hille, „sondern wir brauchen Standardisierung“. Mayer fügt hinzu, dass „wir nicht im regulationsfreien Raum leben wollen“, sondern Regulierung werde gebraucht, um Sicherheit und Liquidität zu schaffen.
Mast berichtet von seinen Erfahrungen mit den Ratingagenturen. Die Aufgabe der Banken stehe im Lehrbuch mit Fristentransformation und weiteren Transformationsfunktionen. „Daher werden wir weiterhin Banken brauchen“, urteilt Mast. An Ratingagenturen werde man nicht vorbeikommen. Die Struktur mache die Risikotransformation und der Markt die Fristentransformation, merkt Mayer an. „Wenn die Banken schon so reguliert werden, müsse man aufpassen, dass nicht auch das Shadow-Banking entsprechend reguliert werden“. Sonst gebe es keine dringed benötigte Alternativen. Meister wirft ein, dass man kein „Wild West“ wolle, daher müssten die Schattenbankaktivitäten mit erfasst werden.
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Refinanzierungswelle der Unternehmen auf der TSI in Diskussion
Von Dr. Oliver Everling | 24.September 2015
Mit Blick auf die anrollende Refinanzierungswelle im Mittelstand interessieren auf dem TSI Congress 2015 klassische und alternative kapitalmarktnahe Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen. Zu diesem Thema diskutieren unter der Moderatin von Dr. Frank Schaum von der IKB Andreas Carlone von der Commerzbank, Dr. Markus Herrmann von der LBBW, Stefan Leipold von der UniCredit und Mark Währisch von Standard & Poor’s.
Carlone glaubt, dass neue Finanzierungsfaormen die Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen erweitern, nicht aber klassische Instrumente verdrängen werden. Leipold fügt hinzu, dass bei kapitalmarktbasiereten Finanziierungen meist auch eine Backup-Linie benötigt werde. Insofern könne nicht von rein kapitalmarktbasierten Finanzierungen in den meisten Fällen nicht gesprochen werden. Nur wenn die Adressen bestens bekannt sind, können sich Unternehmen auch direkt ohne weitere Absicherungen am Kapitalmarkt refinanzieren. Meist reicht die Bonität jedoch nicht aus, um genügend Anleger im Alleingang zu finden.
Hermann kommt auf die unterschiedlichen Standards in Europa zu sprechen, so dass man die Frage nach den Refinanzierungsmöglichkeiten in Europa differenzierrt beantworten muss. „Da, wo es drauf ankommt, nämlich bei der Dokumentation, müssen die unterschiedlichen Verhältnisse berücksichtigt werden.“
Eine Diskussioin entspannt sich um die künftige Rolle von Big Data. Leipold spricht dazu das „sehr starke Instrument“ des Schuldscheindarlehens an.
Währisch sieht Mittelständler im Investment Grade Bereich, die direkt an den Kapitalmarkt gehen und mit ihrer Finanzierung kein Problem haben. Anders verhalte es sich bei der Mehrzahl der Mittelständler, die kein Rating von BBB- oder besser erreichen. In Europa wolle man die notwendige Transparenz nicht so geben wie in den USA. Daher müsse die Informationsasymmetrie zwischen Kapitalgebern und -nehmern durch den direkten Kontakt überbrückt werden. Impulse für die Entwicklung der Kapitalmärkte in Europa nimmt Währisch dort wahr, wo Unternehmen eine bessere Diversifizierung ihrer Finanzierungsquellen wünschen.
Schaum wirft die Frage auf, inwieweit Kreditfonds Angebote der Banken ersetzen können. Carlone weist darauf hin, dass Deutschland „over-banked“ sei, so dass sich die Banken bei den Unternehmen „die Klinke in die Hand geben“ würden. Carlone erwartet aber, dass Kreditfonds durchaus Impulse für den Wettbewerb geben werden. „Das Rad dreht sich weiter, aber die Welt wird sich durch Kreditfonds nicht sonderlich verändern.“ Insbesondere an der reibungslosen Kreditversorgung werde sich insgesamt nichts ändern. Leipold fügt hinzu, dass Deutschland zwar over-banked sei, aber nicht anzunehmen sei, dass es deshalb zu einer Reduziierung der Zahl der Bankverbindungen kommen werde.
Währisch zeigt Verständnis für den Versuch von Investoren, mit Kreditfonds eine höhere Rendite zu erzielen. „Das ist dem gegenwärtigen Zins- und Liquiditätsumfeld geschuldet. Das kann sich aber auch schnell wieder ändern.“ Währisch deutet an, dass sich unter veränderten Zinsen das Thema schnell wieder anders darstellen könnte.
„Ein Mitelständler will nicht unbedingt einen Private Equity Investor dabei haben“, sagt Währisch, denn diese Investoren hätten eigene Vorstellungen über Einflussnahmen. Um die Unterschiede zwischen den USA und Europa zu verstehen, sind eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf die Finanzierungsentscheidungen der Unternehmen zu beachten.
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Wertschöpfung statt Verschwendung
Von Dr. Oliver Everling | 21.September 2015
Die Wegwerfgesellschaft bringt die Erde an den Rand ihrer Belastbarkeit. Autos, Computer, Handys, Möbel etc., werden in vielen Ländern noch ohne Rücksicht auf die verbauten Rohstoffe entsorgt – egal ob kaputt, nicht mehr gewollt oder einfach aus der Mode.
Wie schon Anfang der 1970er Jahre wird das Ende dieser Welt des Ressourcenverbrauchs vorausgesagt. Bereits 2030 könnte es nicht mehr genug Rohstoffe geben, um den Bedarf der Welt zu decken. Die Rückgewinnung von Ressourcen ist deshalb nicht nur gut für die Umwelt, sondern unbedingte Voraussetzung für die Zukunft eines Unternehmens, für sein gutes Kreditrating wie auch seine Attraktivität für Investoren.
Peter Lacy, Jakob Rutqvist und Philipp Buddemeier zeigen in „Wertschöpfung statt Verschwendung. Die Zukunft gehört der Kreislaufwirtschaft“ den Ausweg aus der Verschwendung. Ihr Buch, im Redline Verlag erscheint, beschreibt, welche Recycling- und Wiederverwendungslösungen es gibt, wie man die zum Unternehmen passende Taktik findet und diese umsetzen kann.
Lacy, Rutqvist und Buddemeier meinen durch ihre Studien zu belegen, „dass die Unfähgikeit des linearen Modells, mit dem wachsenden Ressourcenbedarf, umzugehen, bis zum Jahr 20130 zu einer Differenz zwischen Angebot und Nachfrage begrenzter natürlicher Rohstoffe von acht Milliarden Tonnen führen wird“.
Im Mittelpunkt der Überlegungen von Lacy, Rutqvist und Buddemeier steht die Idee einer „Circular Economy“. In diesen Worten sehen die Autoren eine allgemeine Bezeichnung für ein Wirtschaftssystem, in dem das Wachstum von der Nutzung knapper Ressourcen entkoppelt ist. „Dieses Modell ist von seinem Verständnis her regenerativ. Es gibt zwei Arten von Materialverbrauch: Einerseits den Verbrauch biologischer (erneuerbarer) Materialien, die für die Wiederverwendung und letztlich die Rückkehr in die Biosphäre vorgesehen sind, und andererseits den Verbrauch technischer (nicht erneuerbarer) Materialien, die sich bei minimalem Qualitäts- oder Wertverlust zwischen Produktion und Verbrauch hin und her bewegen.“
Unternehmen in einer Circular Economy sollen sich primär auf die Wertschöpfung auf Grundlage des Ressourcenmanagements in den Märkten konzentrieren – im Gegensatz zum Ressourcenmanagement lediglich innerhalb der Produktion. Letztlich führe die Circular Economy zu rückstandsfreien Wertschöpfungsketten, die von regenerativen (erneuerbaren) Energien angetrieben werden. „Natürliche Rohstoffe werden in miteinander verknüpften Kreisläufen genutzt,“ argumentieren Lacy, Rutqvist und Buddemeier, „anstatt sie zu verbrauchen und in linearen Abläufen zu entsorgen.“
Das Buch von Lacy, Rutqvist und Buddemeier umfasst vier Teile: Ein Plädoyer für die Circular Economy, fünf neue Geschäftsoptionen für das Kreislaufwachstum, Ansätze, um einen „Circular Advantage“ zu schaffen und schließlich einen Aufruf zur praktischen Umsetzung. So sehen Lacy, Rutqvist und Buddemeier Geschäftsoptionen im „Circular-Supply-Chain“, in Wiederverwertung und Recycling, in der Lebenszyklusverlängerung, in Kollaborationsplattofmren und die Geschäftsoption „Product as a Service“, d.h. Leistung geht vor Eigentum. Gehen die Geschäftsmodelle auf, dann wird der Abfall Geschichte, wie Lacy, Rutqvist und Buddemeier schreiben, und Produkte halten länger und ungenutzte Güer werden optimal ausgelastet.
Lacy, Rutqvist und Buddemeier gehören nicht zu der Sorte grüner Romantiker, die ihre Hoffnungen allein auf „bio“ und Rückkehr zur eigenen Vieh- und Gemüsezucht setzen. „Digitale Technologien ermöglichen den Informationsaustausch zwischen Anwendern, Maschinen und Managementsystemen in Echtzeit. Neue digitale Technologien sind darüber hinaus spezifisch kundenorientiert und bieten die notwendigen Verbindungen,“ schreiben Lacy, Rutqvist und Buddemeier, „um eine Beziehung aufrechtzuerhalten, die weit über den Point of Sale hinausgeht. Sie ermöglichen die Sichtbarkeit und Kontrolle von Gütern, die entscheidend ist für die Geschäftsoptio-nen Product as a Service, Kollaborationsplattform und Lebenszyklusverlängerung.“
Indem diese Technologien Virtualisierung ermöglichen und den Umgang mit physischen und digitalen Gütern verändern, könnten digitale Technologien Wertschöpfungsketten so gestalten helfen, dass keine zusätzlichen Ressourcen mehr für ihr Wachstum benötigt werden, glauben Lacy, Rutqvist und Buddemeier und befassen sich z.B. mit den fünf gebräuchlichsten Kategorien digitaler Technologie: mobil, sozial, Cloud, M2M und analytisch.
Lacy, Rutqvist und Buddemeier zeigen die Vorteile von Big-Data-Analysen auf, denn diese Analysen können Herstellern Einblicke in Nutzungsmuster und -anforderungen geben und ihnen helfen, ihr Anlagenmanagement und ihr Kundenangebot zu optimieren. „Unternehmen können Angebote und Um-satzmodelle besser auf die Nutzungsweise von Produkten zuschneiden,“ plädieren Lacy, Rutqvist und Buddemeier und geben ein Beispiel wie durch die Kombination eines physischen Produkts mit relevanten Zusatzdienstleistungen leistungsabhängige Product-as-a-Service-Modelle finanziell attraktiver gemacht werden können als ein traditioneller Herstellen-und-verkaufen-Ansatz.
„Die Fähigkeit, das Nutzerverhalten aufgrund historischer Daten vorherzusehen,“ so Lacy, Rutqvist und Buddemeier, „kann die Instandhaltung effizienter machen und den unnötigen Verbrauch finanzieller, personeller und natürlicher Ressourcen vermeiden helfen. Und durch die Analyse des Nutzerverhaltens können Unternehmen betrügerische Aktivitäten besser ermitteln und die besten Zeitpunkte bestimmen, um effektive Maßnahmen zur Risikoverrin-gerung zu ergreifen – zum Beispiel die Verhinderung von Manipulationen an Waren während der Spitzenzeiten.“
Das Buch „Wertschöpfung statt Verschwendung“ fügt sich zu einer Vielzahl weiterer Buchtitel zum Thema „Nachhaltigkeit“. Der Neuigkeitswert liegt weniger in der Analyse der sich verknappenden Rohstoffe, zumal auch die Studie von Lacy, Rutqvist und Buddemeier zu konkreten Zahlen nur nach Setzen vieler Annahmen bzw. Prämissen gelangt. Wäre es nur um diesen Teil gegangen, hätte es einer Übersetzung des Buches aus dem Englischen nicht bedurft, denn deutsche Leser erhalten dazu schon sein Jahrzehnten genügend Lesestoff.
Das Buch empfiehlt sich daher aufgrund der konkreten, wenn auch gewagten, aber doch umsetzbaren Handlungsempfehlungen an Unternehmen. Es stimmt nicht einfach in das von grünen Politikern, entrückten Wissenschaftlern oder Ökoromantikern gesungene Lamento ein, das der vermeintlich „guten alten Zeit“ nachtrauert und nur in der Wiederbelegung toter Technologien und altertümlicher Produktionsweisen Hoffnungen setzen.
Themen: Nachhaltigkeitsrating, Rezensionen, Unternehmensrating | Kommentare deaktiviert für Wertschöpfung statt Verschwendung