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Russland aus volkswirtschaftlicher Sicht

Von Dr. Oliver Everling | 12.Juni 2015

Die aktuelle Lage in Russland kann anhand einiger Indikatoren deutlich beschrieben werden, führt Axel D. Angermann, Chefökonom der FERI aus Bad Homburg, in seinen Vortrag bei der „BAI Alternative Investment Insight 26“ ein. DIe EInkaufsmanagerwerte gingen nach unten. Beim Rubel gab es bekanntlich Turbulenzen, aber die Bewegung richtet sich nicht auf altes Niveau mit Aufwertungstendenzen. Die Konsumentenpreise steigen mit gravierenden Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

Der für Russland so wichtige Ölpreis sank von 98,8 in 2014 auf 62,7 US$ (Brent, bbl.). Angermann erwartet für 2016 61,4 US$. Hohe Inflationsrate, rückläufige Beschäftigung, hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Reallöhne, rückläufiges Bruttoinlandsprodukt und privater Verbrauch, das alles lasse keine schnelle Erholung erwarten. „Nur ganz allmählich wird die Wirtschaft einen Weg aus der Misere herausfinden.“

Vor der Krise bis 2008 wuchs die russische Wirtschaft im Schnitt um 6,9 %. 2014 um 0,6 % 2015 ein Minus von 4 %. 47,9 % Öl und Gas, 22,2 % Mineralöle, 5 % Chemikalien, 9 % Metalle und alle Übrige nur 15,8 % – das sind die harten Fakten über die Exportgüter Russlands. 7 % der Importe nach Russland kommen aus Deutschland, 46,8 % aus der EU-28 ohne Deutschland. 6,8 % kommt aus China, gefolgt von der Türkei (4,8 %) und der Ukraine (4,5 %).

Angermann sieht vor allem die Konzentration in Russland, denn die Rohstoffe würden die Wirtschaftsstruktur determinieren. Auch im verarbeitenden Gewerbe sei klar die Abhängigkeit vom Rohstoffsektor zu sehen. „Die ganze Wirtschaft ist sehr stark auf die Rohstoffgewinnung und ihren Export ausgerichtet. Das schafft entsprechende Strukturen, die auch Modernisierungsbemühungen entgegenstehen.“

Entsprechend seien die Staatseinnahmen von Öl und Gas geprägt. Der Staatshaushalt sei trotz der Abwertung des Rubels, die die Verluste in Rubel gerechnet geringer erscheinen lassen, wegen des gesunkenen Ölpreises deutlich ins Minus gerutscht. „Der russische Staatshaushalt würde ohne Öl und Gas noch dramatischer im Negativen sein“, so Angermann. Die Staatsverschuldung Russlands werde weiter ansteigen.Russland wird von der FERI EuroRating Services nicht mehr mit einem Investment Grade Rating beurteilt. Seit März 2015 lassen die von der FERI herangezogenen Indikatoren ein höheres Rating nicht mehr zu. Auch bei Moody’s sieht man in Russland keine Investmentqualität mehr.

Russland hat im Unterschied zu allen anderen Schwellenländern eine sehr niedrige Lebenserwartung seiner Bevölkerung. „Etschwerend kommt hinzu, dass sich der demografische Wandel sehr unterschiedlich auf die Regionen verteilt. Im Osten von Russland erreiche der Bevölkerungsrückgang bald ein Drittel, während die Ballungszentren kaum rückläufig sind, merkt Angermann an. „Das Verhältnis zu China spielt daher eine große Rolle. Ein riesiges Gebiet mit vielen Bodenschätzen, das praktisch menschenleer ist.“ Das stelle mit Blick auf Einflussbereiche eine Herausforderung dar. „Selbst wenn die Russen ihren Alkoholkonsum verringern, würde sich das kaum auf ihre Lebenserwartung auswirken.“

Russland hatte bereits eine Abwärtsentwicklung, als die Krimkrise ausbrach. Besonders dramatisch seien deutsche Eporte im Fahrzeugau eingebrochen. „Der Effekt auf die deutsche Gesamtwirtschaft ist nicht besonders groß, auch wenn einzelne Unternehmen sehr betroffen sind.“

Fazit: Aktuell Rezession der russischen Wirtschaft, nur allmähliche Erholung, hohes Risiko einer weiteren Verschlechterung der wirtschaflichen Situation wegen erneuter Eskalation der Ukraine-Krise. Langfristige Wachstumsperspektiven sieht Angermann sehr moderat, vor allem wegen struktureller Abhängigkeit von Rohstoffexporten. Die notwendige Modernisierung der wirtschaftichen Strukturen und Diversifizierung scheitern an politisch-ökonomisch Strukturen. Die politisch wahrscheinliche Alternative zum derzeitigen „System Putin“, warnt Angermann, ist tendenziell noch stärker nationalistisch und anti-westlich und somit noch wachstumsunfreundlicher.

Themen: Länderrating | Kein Kommentar »

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