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Verständnis von „Diversity“ bei der „Scope Group“

Von Dr. Oliver Everling | 17.August 2021

Der Begriff „Diversity“ umfasst Akzeptanz und Respekt. „Vielfalt“ bedeutet zu verstehen, dass jeder Mensch einzigartig ist, und unsere individuellen Unterschiede zu erkennen. Diese können sich auf die Dimensionen Rasse, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, sexuelle Orientierung, sozioökonomischer Status, Alter, körperliche Fähigkeiten, religiöse Überzeugungen, politische Überzeugungen, andere Ideologien oder sonstige Merkmale beziehen.

„Das Scope Ambassadors Council vereint international renommierte Persönlichkeiten, die als Botschafter für Scope auf dem Weg zur alternativen europäischen Ratingagentur agieren“, sagt eine Ratingagentur in Berlin. Diese ist derzeit unter „Scope Ratings GmbH“, „Scope Hamburg GmbH“ oder anderen, in der Vergangenheit immer wieder wechselnden Firmennamen zu finden. Nach fast zwanzigjähriger Tätigkeit vor allem in Berlin, aber auch im europäischen Ausland kämpft die Agentur noch um einen Marktanteil in der Europäischen Union von einem Prozent.

Dieser eine Prozentpunkt Marktanteil kontrastiert mit dem seit Jahren erhobenen Anspruch der Agentur: „Scope ist der führende europäische Anbieter von unabhängigen Ratings, ESG-Analysen, Fondsanalysen und schafft so mehr Meinungsvielfalt für institutionelle Anleger.“ ESG steht für „Environmental, Social, and Corporate Governance“.

Ebenso klangvoll ist nicht nur der Name, sondern auch der Anspruch des „Abassadors Council“ der Ratingagentur: „Der Ambassadors Council repräsentiert die europäische Vielfalt und ihre vielfältigen Finanzmärkte und Volkswirtschaften. Alle Mitglieder bringen ihre Reputation, ihr Netzwerk und ihre Expertise ein, um die Sichtbarkeit der europäischen Rating-Alternative zu stärken.“

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Was die Scope Group mit „Vielfalt“ („Diversity“) bei der Vorstellung ihres „Ambassadors Council“ meint, wird deutlich, wenn man sich die Mitglieder dieses Beirats anschaut. In diesem wichtigen Gremium der Scope Group wird Diversity als Gruppe ergrauter Männer verstanden. Nach diesem Verständnis der Scope Group wird die Vielfalt Europas beispielsweise nicht durch Frauen repräsentiert, geschweige denn durch ethnische oder nach anderen Kriterien identifizierbare Minderheiten oder Mehrheiten.

Scope Ratings und ihre Schwestergesellschaften basieren mit ihrer Muttergesellschaft Scope SE & Co. KGaA auf einem System von Gremien: Honorary Board, Board of Trustees und Ambassadors Council – in all diesen Gremien sitzen ausschließlich Männer.

Erst nachdem durch den Greensill-Skandal ein Beiratsmitglied und Scope-Investor, Maurice Thompson, unauffällig verschwunden war und öffentlich auf die einseitige Zusammensetzung aller Gremien der Scope-Gruppe hingewiesen wurde, fügte der Aufsichtsrat der Scope SE & Co. KGaA zwei Frauen hinzu. Der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Georg Graf Waldersee, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der in den Wirecard-Skandal verwickelten Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist, wurde erst nach Aufdeckung all dieser Machenschaften abgelöst.

Auch nach diesen Veränderungen bleibt es bei einem überwiegend von Männern kontrollierten Geschäftsmodell in allen Schlüsselpositionen und für alle Sitze im Ehrenrat, Kuratorium, Botschafterrat, Aufsichtsrat, Vorstand und in den Geschäftsführungen des Berliner Unternehmens.

Seit den 1960er Jahren wurde in den Vereinigten Staaten der „Business Case for Diversity“ in Form von positiven Maßnahmen begründet. Diese schöpfen aus dem Gesetz und der Notwendigkeit, die im Civil Rights Act von 1964 umgesetzten Beschäftigungsziele für Chancengleichheit zu erfüllen. Die Maßnahmen folgen dem Ideal, dass jede Person, die akademisch oder physisch für eine bestimmte Stelle qualifiziert ist, den Erhalt dieser Stelle anstreben können sollte, ohne aufgrund ihrer Identität diskriminiert zu werden.

Diversity ist jedoch nicht eine amerikanische Idee, die mit der europäischen Identität in Konflikt stünde und daher keinen Platz in einer europäischen Ratingagentur hätte. Die Unternehmenspraxis der Scope Group steht nämlich auch im Gegensatz zu den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen: Geschlechtergerechtigkeit erreichen und alle Frauen und Mädchen stärken.

Wenn es sich um ein privates Unternehmen handeln würde, das Dienstleistungen in irgendeinem Nischenmarkt anbietet, wäre dieser Punkt irrelevant und unangemessen, um ihn hier zu diskutieren. Aber im Fall der Scope Group bürgen altgediente Spitzenpolitiker und sogar ein ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank für diese veraltete und politisch nicht länger akzeptable Praxis der Ratingagentur.

Einer der Gründe, warum das Diversitätsverständnis der Scope Group besorgniserregend ist, besteht darin, dass die Scope Group nun versucht, Angebote anderer anerkannter Ratingagenturen nach anderen „ESG“-Kriterien zu kopieren, was zu einer anderen Bewertung von Unternehmen nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien führen könnte.

Auf diese Weise droht sich das Verständnis von „Diversity“, wie es in der Scope Group praktiziert wird, unter den von der Ratingagentur bewerteten Unternehmen zu vervielfachen. Siehe die Website von Scope: „Scope bietet eine ESG-Auswirkungsanalyse, basierend auf einem makroökonomischen quantitativen Modell, das die gesamte Lieferkette eines Unternehmens erfasst. Scope wendet einen modularen Ansatz an, wobei jede Stufe auf der vorherigen aufbaut, um einen Rahmen mit zunehmender Präzision aufzubauen. Die ESG-Lösungen von Scope bedienen die Bedürfnisse von Anlegern und Emittenten gleichermaßen.“

Themen: Nachhaltigkeitsrating | Kein Kommentar »

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