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WFA bläst zum Angriff auf die Artnet

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juni 2022

Die artnet AG ist ein global führendes, mit der Weng Fine Art AG (WFA) assoziiertes Unternehmen, das im Marktplatz-, Medien- und Datengeschäft tätig ist. Derzeit hält die WFA zusammen mit der größten WFA-Aktionärin, der Rüdiger K. Weng A+A GmbH, eine Sperrminorität an Artnet, die aber noch unterhalb der Schwelle der Stimmrechtsschwelle liegt, ab der die WFA sämtlichen übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreiten müsste.

Der Streit zwischen den beiden Gesellschaften ist nicht neu. Heute veröffentlicht die WFA jedoch eine umfassendere Argumentation, die zum Umdenken bewegen soll. Daher hier im Folgenden der Wortlaut der WFA:

Vorstand und Aufsichtsrat der WFA haben entschieden, die Beteiligung an Artnet vorerst auf knapp 30 % aufzustocken, sofern sich Gelegenheiten für einen Erwerb ergeben. Die WFA hält die Assets von Artnet (Markenname, Website-Traffic, Datenschatz) im heutigen Marktumfeld für sehr wertvoll, wenn sie denn von einem erfahrenen Management im Unternehmensinteresse monetarisiert werden. Wichtig wäre der WFA auch eine umfassende operative Zusammenarbeit beider Unternehmen.

Kürzlich hat Artnet den Bericht über das Geschäftsjahr 2021 sowie die Zwischenmitteilung zum ersten Quartal 2022 veröffentlicht. Diese weisen nennenswerte Umsatzzuwächse in wichtigen Teilbereichen aus. Allerdings führten diese Umsatzzuwächse, wie schon in der Vergangenheit, nicht zu einer Verbesserung der Ertragslage – vielmehr hat sich diese sogar weiter verschlechtert. Während 2020 mit Hilfe von US-staatlichen Unterstützungszahlungen noch ein Konzerngewinn von 2.193 TUSD ausgewiesen werden konnte, zeigte das Jahr 2021 einen Konzernverlust in Höhe von 941 TUSD. Dabei wurden Entwicklungskosten in Höhe von 673 TUSD aktiviert; andernfalls hätten sich die Verluste um diesen Betrag weiter erhöht. Im ersten Quartal 2022 betrug der Verlust bereits 786 TUSD. Trotz weiter steigender Umsätze hat sich der Verlusttrend somit noch einmal beschleunigt.

Insgesamt hat Artnet seit dem Börsengang 1999 einen Konzern-Verlustvortrag von fast 53 Mio. USD angehäuft. Infolgedessen hat das Unternehmen in 23 Jahren keine einzige Dividende an ihre Aktionäre ausschütten können. Als bilanzielles Eigenkapital sind aktuell lediglich noch ca. 5 Mio. USD (nach 5,9 Mio. USD in 2020) verblieben, was nicht einmal dem Nominalbetrag des Grundkapitals entspricht.

Nach Auffassung der WFA ist die wirtschaftlich schwierige Situation von Artnet seit Jahren im schwachen kaufmännischen und strategischen Management begründet. Insbesondere die Kostenstruktur ist für ein Unternehmen dieser Größe ausgesprochen ungünstig. Zudem bestehen aus Sicht der WFA erhebliche Corporate Governance Defizite: Der inzwischen 85-jährige Hans Neuendorf „kontrolliert“ im selbsternannten „Familienunternehmen“ über den Aufsichtsrat seinen Sohn, der Alleinvorstand der Artnet ist. Weiterhin hat er seinen Sohn Albert als Chief Strategy Officer im Artnet-Management installiert. Sohn Henri war für redaktionelle Inhalte verantwortlich und ist jetzt Contemporary Art Specialist, die Schwiegertochter steht dem neu gegründeten NFT-Department vor und Tochter Sophie verantwortet die Unternehmenskommunikation, für die zusätzlich externe Berater bezahlt werden.

Aus Sicht der WFA führt die bei Artnet praktizierte Postenvergabe an Familienmitglieder zu überhöhten, nicht leistungsgerechten Konditionen. Darüber hinaus bezieht Hans Neuendorf, trotz seiner bereits überdurchschnittlich vergüteten Aufsichtsratsmandats seit 2012 ein „Beraterhonorar“, das sich allein 2021 auf hohe 336 TEUR belief und das auf die WFA wie eine „verkleidete Alterspension“ wirkt.

Dagegen war es Artnet in den letzten Jahren trotz der Umsatzsteigerungen nicht möglich, eine profitable Wachstumsoffensive zu starten oder auch nur das schon 2017 initiierte Programm FALCON zur Erneuerung seiner Technologie und Effizienzsteigerung endlich abzuschließen. Wie die Ergebnisse der WFA-Tochter ArtXX AG im Jahr 2021 zeigen, ist der E-Commerce im Kunstmarkt sehr wachstumsstark, aber Artnet ist im wichtigsten Segment, dem mobilen Online-Kunsthandel, kaum präsent und hat bisher auch keine Strategie dazu kommuniziert.

Nach Einschätzung der WFA kann Artnet nur mit Unterstützung eines finanzkräftigen Partners unternehmerisch erfolgreich werden. Mit den Mitteln aus einer Kapitalerhöhung könnte Artnet ihre Position auf dem Kunstmarkt festigen und ausbauen. Um die notwendigen Handlungs- und Gestaltungsoptionen zu eröffnen, ist eine Neubesetzung des bisher von Hans Neuendorf dominierten Aufsichtsrats in der kommenden Hauptversammlung unbedingt erforderlich. Nur dann wird es Artnet möglich werden, die benötigte Kapitalerhöhung durchzuführen. Außerdem muss es Veränderungen im operativen Management geben.

Eine Vielzahl von Gesprächen des Managements und des Aufsichtsratsvorsitzenden der WFA mit Mitgliedern der Familie Neuendorf in den Jahren 2020/2021 über eine Umstrukturierung und Neuaufstellung von Artnet sind im Wesentlichen daran gescheitert, dass der 85-jährige Familienpatriarch Hans Neuendorf auf der vollständigen Kontrolle des Unternehmens über Aufsichtsrat und Management durch seine Familie bestanden hat, obwohl die Galerie Neuendorf AG lediglich etwa 27 % der Aktien von Artnet besitzt.

Die WFA hat am 27. Mai 2022 gemäß §43 WpHG (Mitteilungspflichten für Inhaber wesentlicher Beteiligungen) gegenüber Artnet gemeldet, dass sie Änderungen bei der Besetzung der Leitungs- und Aufsichtsorgane sowie Änderungen bei der Kapitalausstattung anstrebt. Wie bereits früher bekannt gegeben, ist die Beteiligung von WFA strategischer Natur und sie wird diese, wenn sich entsprechende Gelegenheiten ergeben, weiter ausbauen. Darüber hinaus hat die WFA am 27. Mai 2022 gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat von Artnet ein Verlangen auf Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung gestellt, da diese mehr als drei Wochen nach Feststellung der Bilanz noch immer nicht angesetzt worden ist.

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