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Wo war die KPMG bei HRE?

Von Dr. Oliver Everling | 17.Oktober 2008

Investoren, die auf Worte in den Geschäftsberichten der Banken vertrauen, werden später oftmals eines besseren belehrt. So heißt in dem Vorwort zum 2007er Geschäftsbericht der Hypo Real Estate u.a.: „Vor allem im Bereich der Kommunikation legt die Hypo Real Estate auf Transparenz und Glaubwürdigkeit. Diese ist eine wesentliche Voraussetzung für eine offene und klare Kommunikation nach innen gegenüber Mitarbeitern und nach außen gegenüber dem Kunden, den Aktionären und den Marktteilnehmern“. Mit Blick auf die Geschäftsprinzipien der Bank heißt es weiter, dass das „Management bestrebt ist, transparente Strukturen, klar kommunizierte Unternehmensziele und durch deren Umsetzung einen echten Shareholder-Value für ihre Aktionäre zu genieren. Auch beim Risikomanagement setzte sich der Gewerbeimmobilienfinanzierer hohe Ziele. „Das ist unerlässlich, um langfristigen Erfolg und eine hohe Rentabilität zu erzielen“.

Mit Blick auf die Vorkommnisse in den letzten Monaten liest sich das wie ein „Märchen aus Tausend und einer Nacht“, formuliert Karl-Heinz Goedeckemeyer, Finanzanalyst und Spezialist für Beurteilungen von Banken und in der Immobilienwirtschaft. Nachdem nun offenbar alle Fakten auf dem Tisch liegen, stellt sich zweifelsfrei die Frage nach der Verantwortung, so Goedeckemeyer: Haben die Top-Manager der Hypo Real Estate (HRE) fahrlässig gehandelt, sind sie inkompetent oder opportunistisch? Haben die Investoren dem Management zulange vertraut in der Hoffnung, dass die Krise nicht allzu gravierende Folgen für die Bank haben werde? Hätte die Bankenaufsicht durch eine aktivere Rolle die Krise um die HRE entschärfen können? Oder haben wie so oft die Wirtschaftsprüfer versagt? So die Fragen von Goedeckemeyer und fügt hinzu: „Sicherlich fallen dem geschulten Beobachter sofort die Fälle um Enron und Worldcom wieder ein.“ Er verweist auch auf Irrtümer der Ratingagenturen.

Trotz der bereits im Jahr 2007 heraufziehenden Krise hat der Wirtschaftprüfer KPMG am 25. März dieses Jahres bei der Prüfung der HRE-Bilanz keine Unzulänglichkeiten festgestellt. Vielmehr heißt es in dem Statement: „Der Konzernlagebericht steht im Einklang mit dem Konzernabschluss und vermittelt insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Konzerns und stellt die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung der Gesellschaft zutreffend dar“. Infolge dessen hat die Prüfung auch zu keinen Einwänden des Prüfers geführt. „Offenbar ist den Prüfern bei der Durchsicht der HRE-Bilanz entgangen,“ so Goedeckemeyer, „dass zu diesem Zeitpunkt die Finanzkrise in den USA schon zu erheblichen Verwerfungen geführt hat.“

Schon im März 2008 haben die großen Notenbanken unter Führung der US-Federal Reserve (Fed) mit milliardenschweren Stützungsaktionen versucht, der angeschlagenen Finanzindustrie aus der Klemme zu helfen. Bereits zu diesem Zeitpunkt stellte die Fed den Banken Liquidität in Höhe von 200 Mrd. Dollar zur Verfügung.

Das war aber nicht die erste Rettungsaktion der Notenbanken. Im Dezember 2007 hatten die großen Notenbanken erstmals mit einer konzertierten Aktion den Markt gestützt. Hintergrund war die Krise am US-Immobilienmarkt, die damals bereits bei den Banken zu Abschreibungen im Volumen von mehr als 200 Mrd. Dollar geführt haben. Schon zu dieser Zeit hatten einzelne Experten davon gesprochen, dass die Krise tiefgreifende Folgen für die Weltwirtschaft haben werde. Zugleich hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer ersten Analyse zu der Finanzkrise Anfang März darauf hingewiesen, dass mit einem Verlust von rund 800 Milliarden Dollar zu rechnen sei.

Am 19. März schrieb die „Financial Times Deutschland“ in einem Kommentar: „Die große Finanzkrise fängt jetzt langsam an: Was die gemeldeten Verluste oder die Zahl der Insolvenzen im Finanzsektor angeht, haben wir noch nicht einmal zehn Prozent der Krise gesehen – und was die Folgen für die Gesamtwirtschaft betrifft, noch nicht einmal fünf Prozent.“ Ergänzend erklärten die Redakteure, dass „mittlerweile kein Zweifel mehr daran bestehe, dass dem Staat die Aufgabe zufallen werde, den Dreck im Finanzsektor aufzukehren“.

Diese hinreichenden Warnungen sollen der KPMG, die zu jeder Zeit, wie zuletzt auf der Immobilienmesse „Expo Real“, mit Stolz auf ihr internationales Netzwerk verweist, entgangen sein? Oder, fragt Goedeckemeyer, wollte bzw. konnte der Prüfer aus fehlender Sachkenntnis (was u.a. die Bewertungen von Immobilien angeht), in seinem Statement diese Entwicklungen nicht antizipieren? Er hätte wissen müssen, dass die HRE auf dem amerikanischen Immobilienmarkt (Subprime) engagiert ist. Folglich hätte die KPMG auf die Risiken in dem Konzernabschluss verweisen müssen. Denn hätten auch Investoren die Risiken aus dem Engagement der Bank besser einschätzen können. „Stattdessen aber hat der Prüfer der Immobilienbank einen Persilschein ausgestellt. Zudem war die Finanzkrise nach dem Milliardenverlust bei der IKB sowie dem Beinahe-Konkurs der SachsenLB bereits im Herbst 2007 auf Deutschland übergesprungen“, stellt Goedeckemeyer fest. Infolge dessen kann der Prüfer auch keine Ausreden geltend machen, dass zu dieser Zeit noch keine deutsche Bank von der Hypothekenkrise in den USA getroffen wurde. Offenbar hat sich die KPMG im März so verhalten wie es der Anfang Oktober zurück getretene HRE-Chef Funke es tat. Dem zeichnete in den letzten Wochen vor allem eins aus: Schweigen. Mit Beginn der Krise war der ansonsten nicht mundfaule Funke untergetaucht.

Hinzu kommt, dass die Hypo Real Estate Holding in einer Ad-hoc-Mitteilung am 15. Januar 2008 erklärte, dass sie im Zusammenhang mit dem Erwerb und Integration der Depfa Bank im vierten Quartal 2007 eine Abschirmung des US-Portfolios an Collateralized Debt Obligations (CDOs) in Höhe von 390 Mio. Euro, davon 295 Mio. Euro ergebniswirksam, vorgenommen hat. Goedeckemeyer: „Aus heutiger Sicht reibt man sich die Augen, dass der damalige Vorstand mit Blick auf die Neubewertung des US CDO-Portfolios von einer konservativen Risikopolitik spricht.“

Ermutigend sei zumindest, so Goedeckemeyer, dass der Aufsichtsrat der HRE nach dem Rücktritt des Aufsichtsratvorsitzenden Kurt Viermetz die Kanzlei Milbank Tweed Hadley McCloy LLP damit beauftragt hat, das Vorliegen etwaiger Pflichtverletzungen der ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder Georg Funke und Bo Heide-Ottosen zu untersuchen. Unterdessen haben die Aktionärsschützer bei der Staatsanwaltschaft in München Strafanzeige gegen Verantwortliche bei der Hypo Real Estate gestellt. Der Aktionärsverband DSW wirft den Managern Betrug, Fehlinformationen und Manipulation des Markts vor. Das Unbehagen der Investoren dürfte noch erhärtet werden, wenn sie vernehmen, dass nach Darstellung der DSW die Hypo Real Estate der Finanzaufsicht Bafin am 26. September von ihrer Finanzierungsnot berichtet haben soll. Nur einen Tag zuvor habe die Bank auf einer Investorenkonferenz noch von einer „stabiler Lage“ und Liquiditätspuffern in Höhe von 33 Mrd. Euro gesprochen.

„Infolge dessen ist kaum zu erklären, dass die Ad-hoc-Mitteilung über die Schieflage und die Notwendigkeit einer Staatsintervention erst am 29. September an die Öffentlichkeit gelangt ist“, urteilt Goedeckemeyer. Der Kursrutsch der HRE-Aktie vor Bekanntgabe der Notwendigkeit eines Rettungspakets lasse jedoch vermuten, dass Insider am 26. September verkauft haben, so der DSW. Nun wartet die Öffentlichkeit mit Spannung auf ein Zwischenbericht des Prüfers. Unklar ist jedoch ob der Bericht von der KPMG oder einer anderen Prüfungsgesellschaft erstellt wird.

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