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Artenschutz für Verbraucherzentralen?

Von Dr. Oliver Everling | 19.April 2010

Gemeinsam mit dem AfW–Bundesverband Finanzdienstleistung testete die Finanz-Fachzeitschrift procontra die Beratungsqualität der Verbraucherzentralen am Telefon. „Das Ergebnis war in Teilen verheerend, wie einem ausführlichen Artikel in der aktuellen April-Ausgabe der Zeitschrift procontra zu entnehmen ist“, schreiben die Tester in einer Pressemitteilung. Der mutige Angriff von AfW und procontra richtet sich auf eine in Berlin politisch verwöhnte Organisation, da sich die Politik selten mit den Verbraucherzentralen überwerfen will.

Nach Finanzhai-Video, Checklisten zur Identifikation eines seriösen Beraters und dem öffentlichen Zuspruch für Honorarberatung fragten sich der AfW und die Fachzeitschrift procontra: Wer testet eigentlich die Verbraucherschützer? Denn diese bietet selbst kostenpflichtige Beratungsleistungen an. Getestet wurden kostenpflichtige Hotlines der Verbraucherzentralen der einzelnen Bundesländer zu den Themen Altersvorsorge und Versicherungen. Im Test rief jeweils ein zuvor entwickelter Musterkunde an, welcher Bedarf für eine Beratung zu einem Anlagebetrag von 10.000 Euro zeigte.

Bei der überwiegenden Zahl der von procontra und AfW und getesteten Hotlines sei von einer telefonischen Beratung Abstand genommen und auf die Möglichkeit von persönlicher Beratung vor Ort hingewiesen worden. „Ärgerlich für die Anrufer, die bis zu 2 Euro pro Minute für diesen Verweis zahlen müssen. Aber immer noch günstiger, als es für den Testkunden von procontra in zwei besonders dramatischen Fällen hätte kommen können.“

Dem Testkunden sei in einem Fall empfohlen worden, sein Geld lieber in Einzelwerte statt in teure Aktienfonds zu investieren und sich auf diese Weise seinen eigenen Aktienfonds zusammen zu stellen. Die bei der Verbraucherzentrale NRW erlebte Beratung zu Einzelaktien ist nach Auffassung von procontra und des AfW eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung im Sinne von Kreditwesengesetz (KWG) und Wertpapierhandelsgesetz (WphG). procontra und der AfW rufen daher eine Prüfung seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bezug auf das Beratungsangebot aller Verbraucherzentralen auf den Plan. „Wer unzulässig Einzeltitelberatung betreibt, begeht eine Straftat gemäß Paragraf 54 KWG. Das Gesetz sieht hier eine Freiheitsstrafe von drei Jahren vor. Warum für die kostenpflichtige Beratung in den Verbraucherzentralen eine Ausnahme gelten soll, ist uns nicht ersichtlich“, so die Einschätzung von AfW-Vorstand Wirth.

Die Berater der Verbraucherzentralen in NRW und Berlin verstießen überdies gegen die eigenen Empfehlungen und Checklisten der Verbraucherzentralen. „In der telefonischen Beratung fehlten klare Fragen nach konkreten Bedürfnissen und zur Risikoabsicherung des Testkunden. Stattdessen wurden teilweise nach wenigen Minuten konkrete Produkte empfohlen. Wer zu Recht auf der einen Seite Qualität in der Finanzberatung fordert und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt, steht natürlich besonders in der Verpflichtung, in der eigenen Beratung alles besser zu machen – und nicht vieles schlechter“, resümiert Philipp B. Siebert, Chefredakteur bei procontra. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Die Verbraucherzentralen sollten die Anforderungen, die an den freien Vermittler gestellt werden, mindestens genau so erfüllen. Mindestens das kann der Steuerzahler von ihnen erwarten“, ergänzt Siebert. Der AfW-Bundesvorstand Norman Wirth stimmt zu: „Die Verbraucherzentralen sollten außerdem eine Haftpflichtversicherung haben, damit nicht der Steuerzahler für ihre Fehler eintritt. Sie müssen die Gespräche dokumentieren und vor allem sollte klargestellt sein, dass nur qualifizierte Personen dort beraten dürfen.“

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